Düsseldorfer Wahlkreis 106 CDU-Abgeordneter gegen SPD-Neuling

Düsseldorf · Der Bundestagswahlkreis 106, auch Düsseldorf I genannt, reicht von der Stadtmitte in den Norden und ins Linksrheinische. Thomas Jarzombek (CDU) holte den Wahlkreis 2009 direkt und trifft diesmal auf Philipp Tacer (SPD).

Thomas Jarzombek kann vielleicht nicht die makellose CDU-Biografie vorweisen, macht das aber durch gesundes Selbstbewusstsein und Gespür für gute Themen wett. Ehrgeiz zählt sicherlich auch zu seinen ausgeprägten Eigenschaften. Und all das zusammen trieb den 40-Jährigen doch relativ rasch die politische Karriereleiter hinauf: Mit 16 trat er in die Junge Union (JU) ein, stand bald und für mehrere Jahre an deren Spitze. 1999 zog er in den Stadtrat ein, wo er schulpolitischer Sprecher seiner Fraktion war, sechs Jahre später in den Landtag. Nach nur einer Legislaturperiode folgte der Sprung ins Bundesparlament.

Mancher in seiner Partei hadert — die einen offen, die anderen hinter vorgehaltener Hand — damit, dass Jarzombek sein Studium der Betriebswirtschaft nie beendet hat. Er erklärt es damit, dass er sich schon als Student mit einem IT-Unternehmen selbstständig machte. Dass er sich von seiner Ehefrau trennte und sich neu verliebt hat, ist in der CDU, wie sie heute ist, längst kein großer Nachteil mehr. Und deshalb wird Jarzombek auch immer wieder und hartnäckig von durchaus nennenswerten Parteikreisen als potenzieller Vorsitzender des Düsseldorfer Kreisverbands gehandelt. Man schätzt seine frische, forsche und manchmal auch freche Art.

Im Bundestag ist Jarzombek außer im Familienausschuss auch Mitglied im Verkehrsausschuss — einem mächtigen Gremium. Denn es entscheidet auch mit, in welche Verkehrsprojekte Bundesgelder fließen. "Wir haben in dieser Wahlperiode Zuschüsse von fast 500 Millionen Euro für Düsseldorf erreicht", sagt Jarzombek und nennt die Wehrhahn-Linie, den Ausbau der B8n nach Duisburg und S-Bahnhöfe als Beispiele. Auch das Thema Internet ist für ihn ein zentrales: Er setzt sich für mehr Jugendschutz ein, ohne die Freiheit des Internets zu sehr einschränken zu wollen.

Auch wenn manche ihm einen Hang zu Populismus attestieren, schätzen viele Jarzombek dafür, dass er sich auch außerhalb von Wahlkampfzeiten für Düsseldorf einsetzt: So hat er sich mit dafür starkgemacht, dass der Bund den Segelflugplatz im Grafenberger Wald nicht verkauft hat und das Areal als Erholungsgebiet erhalten bleibt. Bei der Bergischen Kaserne engagiert er sich für die Nachfolgenutzung, wenn die Bundeswehr den Standort in einigen Jahren aufgibt. Auch für den RRX-Halt in Benrath kämpft er.

Im Wahlkampf gibt sich Jarzombek tiefschwarz — zumindest auf seinen Plakaten: Auf schwarzem Grund prangt nur sein Name in Orange. Auch das äußerst selbstbewusst, weil eigentlich nur Prominenten vorbehalten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass er damit schließlich doch bei jüngeren Wählern punkten kann. - www.jarzombek.com

Das erste Mal auf Philipp Tacer (SPD) zu treffen, ist verblüffend. Zumindest, wenn es um Politik geht. Er ist gerade in diesem Frühjahr 30 geworden, bisher nur als Bezirksvertreter aktiv, noch nicht einmal Mitglied des Stadtrats, zum ersten Mal Kandidat für den Bundestag - aber er redet, als wäre er schon ein alter Hase im Berliner Parlament.

Das kann irritieren - und möglicherweise die von seiner Partei erhoffte Wirkung schmälern: dass Tacer nämlich die junge, urbane Generation anspricht. Bei dieser, in Düsseldorf durchaus verbreiteten Bevölkerungsgruppe konnten bisher nämlich vor allem die Grünen punkten. Nun soll es Tacer für die SPD richten - und er schafft es auch. Denn er bewegt sich wirklich auf Augenhöhe. Nur manchmal kommt eben der Intellekt des allzu viel wissenden Politikwissenschaftlers durch.

Politik und Geschichte hat Tacer an der Heinrich-Heine-Uni studiert - oder studiert es noch. Jedenfalls steht er kurz vor dem Abschluss und arbeitet an der Uni auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Während seines Studiums war Tacer auch Vorsitzender der Studentenvertretung Asta - mit dem FDP-Politiker Rainer Matheisen, der inzwischen Ratsherr ist. Mit dem Liberalen verbindet Tacer bis heute eine enge Freundschaft. Auch das ist ein Kennzeichen dieser Generation - Parteigrenzen verschwimmen, wenn es um die Sache geht und man sich weitgehend einig ist. Denn bewegen will Tacer auf jeden Fall etwas.

Das macht er regelmäßig in der innerstädtischen Bezirksvertretung 1 klar, wo er Fraktionschef der Genossen ist und dank eines aus der CDU ausgetretenen Mitglieds immer wieder eine linke Mehrheit zustande bringt. Preiswerter Wohnraum, eine lebendige Gastronomie an der Ratinger Straße, Mix aus Kultur und Wohnen auf dem Gelände der ehemaligen JVA Ulmer Höh' - all das sind Themen, die Tacer bewegen.

Den Autoverkehr in der Innenstadt will er eindämmen, vielleicht ganz herausdrängen, Busse und Bahnen stärken, Radwege ausbauen. Als Mitglied des Kulturausschusses macht er sich für bezahlbare Ateliers und Proberäume für Bands stark. Im Wahlkampf putzt er derzeit eifrig Klinken - macht Haustürbesuche nach dem bundesweiten SPD-Motto: "Sie kochen den Kaffee, ich bringe den Kuchen." Im Bundestag, so verspricht er, wird er sich für Bildung, soziale Gerechtigkeit und gute Arbeit einsetzen.

Ob er den Einzug schafft, ist fraglich: Im nördlichen Wahlkreis ist die CDU traditionell stark - auch wenn Tacers Vorgänger Michael Müller ihn auch hin und wieder direkt für die SPD geholt hat. Doch der war ein richtiges bundespolitisches Schwergewicht. Es ist unwahrscheinlich, dass Tacers Platz 49 auf der Landesliste zieht. Wenn nicht, hat Tacer das nächste Ziel im Blick: Den Einzug in den Stadtrat im nächsten Jahr. - www.philipp-tacer.de

(RP)
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