Die Parteien entdecken ihr Herz für Radfahrer So steht es um die Radler in Deutschland

Analyse · Radfahrer haben es nicht leicht. Die Konflikte mit den Autofahrern, zu wenige Radwege, keine Ladestationen für E-Bikes. Und die Unfallzahlen sind hoch. Das Rad wird aber immer beliebter. Auch deshalb haben die Parteien ihr Herz für den Drahtesel entdeckt.

 Radfahrer leben gefährlich. Oft fehlen Radwege oder sie sind zu schmal. 

Radfahrer leben gefährlich. Oft fehlen Radwege oder sie sind zu schmal. 

Foto: dpa/Annette Riedl

Als die Grünen kürzlich 1000 Euro Zuschuss für ein Lastenfahrrad forderten, jubelten die Freude der Verkehrswende, während andere über grünes „Bullerbü“ spotteten. Doch das Thema, wie es mit dem Fahrradverkehr in Deutschland überhaupt weitergeht, brennt vielen unter den Nägeln. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wurde sogar am Dienstagabend in der ZDF-Wahlsendung danach gefragt. Das Rad wird halt immer beliebter. Fragen und Antworten dazu.

Wie radelt es sich auf deutschen Straßen?

Alles andere als gut, sagen die Radfahrverbände. Laut letzter Fahrradklima-Umfrage des ADFC bewerteten 80 Prozent der Befragten Radwege als zu schmal, vor allem an Hauptstraßen. Die Infrastruktur für Zweiräder sei nach wie vor schlecht. Überdies hielten 75 Prozent fehlende Kontrollen von Falschparkenden für das größte Problem in den Städten. Insgesamt, so der Verband, halte der negative Trend bei Spaß, Sicherheitsgefühl oder Konflikten mit Autos an. Auch das Umweltbundesamt kam jüngst zu dem Ergebnis, dass die Bedingungen für die Fahrradnutzung dringend optimiert werden müssen. Durch ein durchgängiges Radnetz, möglichst kreuzungsfreie Radwege, moderne Fahrradabstellanlagen oder Lademöglichkeiten für E-Bikes.

Ist das Rad tatsächlich so beliebt?

Blickt man auf die reinen Verkaufszahlen, dann werden zumindest immer mehr Räder erworben. Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbandes belief sich der Fahrradbestand in Deutschland im Jahr 2020 auf rund 79 Millionen Stück. Im Jahr 2005 waren es noch rund zwölf Millionen weniger. Darüber hinaus ist schon seit einigen Jahren zu beobachten, dass die Radwege in den Städten voller werden. Verstärkt wurde dies noch einmal durch die Corona-Krise. Beispiel Berlin: In der Hauptstadt wurden 26 Prozent mehr Radfahrer im Corona-Juni 2020 im Vergleich zum Juni 2019 gezählt. Auch Anbieter von Leihrädern meldeten Rekordzahlen.

Wie gefährlich ist das Radfahren in Deutschland?

Auch hier hilft der Blick in die Statistiken. Insgesamt sinkt die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland, im Fahrradverkehr aber nur unterdurchschnittlich. Im Jahr 2020 starben 426 Radler auf deutschen Straßen, darunter 142 auf einem Pedelec. Jeweils 445 tote Radfahrer gab es in den beiden Jahren zuvor, 2017 waren es 382. Darüber hinaus wurden laut Statistischem Bundesamt letztes Jahr rund 92.000 Radler verletzt. Abbiegeunfälle gehören mit zur häufigsten Unfallursache.

Warum sind Radler für die Politik inzwischen so wichtig?

Einerseits gibt es mehr Radfahrer, die auf mehr Sicherheit und mehr Rechte pochen - und die auch Wähler sind. Andererseits ist die Mobilität mit dem Rad für die Klimaziele wichtig. So betont das Umweltbundesamt, dass bis zu 30 Prozent der Autofahrten durch das Fahrrad ersetzt werden könnten. Die Behörde hat berechnet: Ein Berufspendler, der je fünf Kilometer mit dem Rad zur Arbeit hin- und zurückfährt, spart durch Verzicht auf die Autonutzung im Jahr rund 300 Kilogramm CO2 ein. „Der Radverkehr ist somit gemeinsam mit dem Fußverkehr die klimaschonendste Fortbewegungsart“, so das Amt.

Was planen die im Bundestag vertretenen Parteien?

Das vorweg: Die oft diskutierte Fahrradhelmpflicht findet sich in keinem der Parteiprogramme. Aber (fast) alle wollen dem Radverkehr mehr Vorrang einräumen. Die Grünen planen, neben der Bezuschussung von Lastenfahrrädern für mehr Sicherheit Tempo 30 innerorts zur Regel zu machen und das Straßenverkehrsrecht zugunsten des Drahtesels zu ändern. Deutschland soll „Fahrradland“ werden. Die Union verspricht gut ausgebaute und vernetzte Radwege sowie mehr Abstellmöglichkeiten. Die SPD plant ebenfalls Änderungen des Straßenverkehrsrechts und will Kommunen unterstützen, in Städten mehr Fläche für Radfahrer zu schaffen. Neue Radwege will auch die FDP, während die Linke sich für weitgehend autofreie Innenstädte einsetzt. Die Anschaffung von E-Lastenfahrrädern soll ebenso gefördert werden. Die AfD setzt weiter auf den „motorisierten Individualverkehr“.

Was bedeuten die Pläne für das Verhältnis von Auto- und Radfahrern?

Verbessern dürfte es sich nicht, weil Autofahrer an vielen Stellen künftig klar zurückstecken sollen. Laut Umfragen halten sowieso die meisten Autofahrer die Radler  für die größeren Verkehrssünder. Was zumindest stimmt ist, dass bei Polizeikontrollen regelmäßig zahlreiche Verstöße mit dem Rad geahndet werden: Fahren in der falschen Richtung, Missachtung von Vorfahrtsregeln, Fahren bei Rot oder mit dem Handy am Lenker. Und laut jüngster ADAC-Erhebung haben viele Radfahrer Wissenslücken bei den Verkehrsregeln.

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