Umfrage-Tief, frustrierte Basis, Söder Diese Probleme machen Laschet zu schaffen

Analyse | Berlin · Erstmals seit 15 Jahren hat die SPD die Union in einer Sonntagsfrage überholt. Vier Wochen vor der Wahl steht Kanzlerkandidat Armin Laschet enorm unter Druck. Das sind aktuell die fünf größten Probleme.

 Die aktuell schlechten Umfragewerte für die Union lasten auf Armin Laschet.

Die aktuell schlechten Umfragewerte für die Union lasten auf Armin Laschet.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Problem Söder CSU-Chef Markus Söder untergräbt seit dem dramatischen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur unentwegt Laschets Autorität. Allen Beteuerungen zum Trotz hält sich Söder zu keiner Zeit an die Abmachung, sich hinter Laschet einzureihen. Die schlechten Umfragewerte sieht der bayerische Ministerpräsident als Bestätigung, dass er die bessere Wahl gewesen wäre. In der „Passauer Neuen Presse“ baut er jetzt bereits für eine drohende Wahlschlappe vor. „Die Verantwortung für die Umfragen liegt nicht in Bayern“, erklärt Söder und setzt eine weitere Spitze. Er würde sich „ehrlich wünschen“, dass in der CDU mehr für Laschet werben würden. Auf Wolfgang Schäuble trifft das nicht zu. Nach längerem Schweigen meldete sich der Bundestagspräsident im Gespräch mit unserer Redaktion zu Wort und stärkte Laschet den Rücken. Söders auf Laschet gemünzte Äußerung, im „Schlafwagen“ komme man nicht ins Kanzleramt, wies Schäuble so zurück: „Die Deutsche Bahn hat doch ihre Schlafwagen schon lange ausgemustert. Im Ernst: Es braucht keinen Wumms, sondern Solidität und klare Kante in der Sache.“ Lässt sich Söder einfangen? Eher unwahrscheinlich.

Problem Team Laschet wird seit Wochen bekniet, ein Wahlkampfteam zu präsentieren. Frauen, Ost, West, Migrationsgeschichte. Der Aachener zögert. Mit Schattenkabinetten haben Parteien oft Probleme gehabt. Ministerkandidaten wurden medial zerpflückt oder machten nach der Wahl Spirenzien. Bislang steht nur Friedrich Merz als Wirtschaftsminister in spe auf dem Zettel. Der saarländische CDU-Ministerpräsident Tobias Hans erhöht den Druck: „Wir müssen endlich zeigen, wofür die Union steht und mit wem wir neben dem Kanzlerkandidaten die Zukunft des Landes prägen wollen. Ich bin ein Fan davon, noch vor der Wahl zu sagen, wer in einem Team drin ist und wer für welche Themen steht. So können wir das Ding drehen und bei der Bundestagswahl stärkste Partei werden“, sagte Hans unserer Redaktion. Es gebe profilierte Ministerköpfe oder Fraktionsmitglieder in Berlin. In der CDU werden Gesundheitsminister Jens Spahn, Fraktionschef Ralph Brinkhaus, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), Wirtschaftsexperte Carsten Linnemann, Fraktionsvize Andreas Jung, Parteivize Silvia Breher, Digitalexpertin Nadine Schön oder NRW-Staatssekretärin Serap Güler genannt.

Problem Profil Wofür steht Laschet? Sein Flutlacher kratzt an seinem Kümmerer-Image. In einer Kanzlerwahl würde er gegen Olaf Scholz deutlich den Kürzeren ziehen. In der Flüchtlingspolitik ist er Merkelianer. Als Brückenbauer will Laschet das Erbe der Kanzlerin pflegen, eine Spaltung der Gesellschaft verhindern. Was ist mit Klima, Digitalisierung, Arbeit von morgen? Laschet spricht oft und gerne von einem „Modernisierungsjahrzehnt“. Kürzlich kündigte er ein „Planungsbeschleunigungs-Paket“ für die Wirtschaft an, was so attraktiv klingt wie frühere Bürokratieentlastungsgesetze. In der Union wird erwartet, dass er die Themen Steuern, Innere Sicherheit stärker zuspitzt. Angekündigt, aber noch nicht vorgestellt hat er ein 100-Tage-Programm, was er als Kanzler sofort umsetzen würde.

Problem Mobilisierung In der Sache ist Söders Analyse nicht ganz falsch. Die CDU tut sich schwer mit ihrem Kandidaten, Wahlkämpfer sind gefrustet. Aus norddeutschen Landesverbänden heißt es, es laufe zäh. „Wenn man immer wieder hört, dass es die richtige Partei, aber der falsche Kandidat ist, dann ist das frustrierend für die, die an den Ständen stehen“, sagt ein hochrangiger CDU-Landespolitiker. Für Laschet extrem bitter sind Umfragen, dass bis zu 70 Prozent der Unionswähler lieber Söder als Kandidaten hätten.

Problem Karriere Einen Putsch vor der Wahl muss Laschet nicht mehr fürchten. Selbst Söder ist gegen einen Kandidatenwechsel. „Die Wahlzettel sind gedruckt und die Wahlplakate geklebt, da macht es keinen Sinn, über einen Kandidatentausch zu reden.“ Auch Schäuble warnt: „Ich halte die Forderung für ganz falsch. Die Union hat mit Abstand das beste Angebot.“ Siegt die Union, holt 27, 28 Prozent (2017: 32,9 Prozent) und führt die nächste Regierung an, wird für Laschet als Kanzler alles gut. Bei einem engen Wahlausgang mit mehreren Optionen und und erwartet langen Sondierungs- und Koalitionsgesprächen sieht es anders aus. Macht Laschet es wie Frank-Walter Steinmeier? Der damalige SPD-Kanzlerkandidat beanspruchte 2009 trotz des Absturzes auf 23 Prozent umgehend den Fraktionsvorsitz für sich, um im Spiel zu bleiben. Dafür müsste Laschet - anders als Kanzler, der kein Mandat braucht - dem Bundestag erst einmal angehören. In seiner Heimatstadt Aachen verzichtete er überraschend auf eine Direktkandidatur. Trotz Listenplatz 1 in NRW gilt ein Parlamentssitz keineswegs als bombensicher, da die CDU voraussichtlich zwischen Rhein und Ruhr sehr viele Direktmandate gewinnen wird. Ein Rückfahrticket als Ministerpräsident nach Düsseldorf hat Laschet für den Fall einer Wahlniederlage ausgeschlossen. Im Mai sagte er in einem Interview: „Klares Nein. Für mich ist klar: Mein Platz ist nach der Bundestagswahl in Berlin.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort