Anstieg auf 735 Abgeordnete Warum der Bundestag noch ein wenig größer wird

Berlin · Der bis dato eh schon größte Bundestag aller Zeiten wächst auch nach dieser Wahl weiter - wenn auch nur um 26 Parlamentarier auf insgesamt 735. Was steckt dahinter und wer profitiert - wir haben Fragen und Antworten zum Themenkomplex zusammengestellt.

 Das Bundestags-Plenum (Symbolbild).

Das Bundestags-Plenum (Symbolbild).

Foto: AP/Markus Schreiber

735 Abgeordnete - es hätte schlimmer kommen können. Gemessen an Befürchtungen, der neue Bundestag könne 800, 900 oder gar 1000 Abgeordnete stark werden, hält sich der Zuwachs um 26 Parlamentarier in Grenzen. Doch der ohnehin schon größte Bundestag aller Zeiten ist damit noch ein wenig größer geworden.

Dies geht nach Berechnungen des Wahlforschers Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung auf das Konto der CSU. Sie habe 45 Direktmandate in Bayern gewonnen, nach dem Zweitstimmenanteil hätten ihr aber nur 34 Sitze zugestanden. Von diesen 11 Überhangmandaten seien 3 unausgeglichen geblieben, wie es die von Union und SPD vor einem Jahr beschlossene Wahlrechtsänderung vorsehe. Die restlichen 8 Mandate hätten zu 126 Ausgleichsmandaten für die anderen Parteien geführt.

Die Entwicklung

Seit der Wahl 2002 gilt eine Sollgröße von 598 Abgeordneten. Mit 603 Mitgliedern lag das Parlament damals noch ziemlich nah an dieser Zahl. Seitdem wurde es aber immer größer, wuchs auf 614 Abgeordnete (2005), 622 (2009), 631 (2013), 709 (2017) und jetzt eben 735.

Die Ursachen

Die wesentliche Ursache hierfür liegt im Wahlrecht. Der Bundestag wird nach dem personalisierten Verhältniswahlrecht gewählt. Mit der Erststimme wird in jedem der 299 Wahlkreise ein Kandidat direkt gewählt. Mit der Zweitstimme werden Parteien nach Listen gewählt. Im Idealfall kämen zu 299 Direktmandaten noch 299 Listenmandate hinzu.

Das Zweitstimmergebnis entscheidet über die Stärke der Parteien im Bundestag. Aber: Gewinnt eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate als ihr nach dem Zweitstimmergebnis zustehen, darf sie diese behalten. Durch diese sogenannten Überhangmandate steigt die Zahl der Abgeordneten schon mal. Und sie steigt weiter, weil die anderen Parteien dafür Ausgleichsmandate erhalten. So sollen sich die Mehrheitsverhältnisse aus den Zweitstimmergebnissen auch tatsächlich im Parlament abbilden.

Die Arbeitsweise des Parlaments

Für Fachleute steht fest: Mehr Abgeordnete bedeuten nicht gleich bessere Arbeit. „Die Regelgröße 598 ist mit Bedacht gewählt worden, und soll vor allem einen möglichst effizienten und reibungslosen Ablauf der parlamentarischen Arbeit garantieren“, sagt Vehrkamp. „Zu große Fraktionen, Arbeitsgruppen und Ausschüsse erschweren die Abläufe und machen die parlamentarische Arbeit schwerfälliger.“

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, was der Wissenschaftler meint: Ein wichtiges Gremium wie der Innenausschuss war schon bisher ein Miniparlament aus 45 ordentlichen und weiteren 45 stellvertretenden Mitgliedern. Soll er wirklich noch größer werden?

Das Raumproblem

Mehr Abgeordnete brauchen auch mehr Platz. Gerade wird in der Nähe des Reichstags ein neues Bürogebäude in moderner Modulbauweise aus Holz und Stahl errichtet. Für veranschlagte 70 Millionen Euro entstehen 400 Büros, die zum Jahresende bezugsfertig sein sollen.

Noch größer wird das Platzproblem im Plenarsaal. In ihn passen zur Not zwar auch rund 1300 Menschen, wie die Bundesversammlung im Februar 2017 gezeigt hat. Unter Corona-Abstandsregeln ist laut Bundestagsverwaltung aber nur Platz für maximal 340 Abgeordnete. Selbst für die Normgröße von 598 Abgeordneten ist der Plenarsaal also zu klein, wenn alle Abgeordnete an einer Sitzung teilnehmen wollen.

Für die konstituierende Sitzung gibt es bereits einen Plan B: Sie wird wohl in die wesentlich größere Halle des Paul-Löbe-Hauses verlegt, ein Bundestagsgebäude in unmittelbarer Nähe zum Reichstag.

Die Mehrkosten

Mehr Abgeordnete kosten auch mehr Geld. So erhält derzeit jeder Parlamentarier eine Abgeordnetenentschädigung von 10.012,89 Euro und eine steuerfreie Aufwandsentschädigung von 4560,59 Euro im Monat. Allein dies macht im Jahr knapp 175.000 Euro aus. Dazu kommen Kosten für die Mitarbeiter von Abgeordneten und Fraktionen, für Dienstreisen und Sachleistungen sowie noch ein paar Posten mehr.

Der Bund der Steuerzahler hat errechnet, dass allein diese aktiven mandatsbezogenen Kosten bei jährlich 765.000 Euro je Abgeordnetem liegen. Die Organisation hält selbst die Normgröße von 598 Abgeordneten für übertrieben und plädiert für 500. Sie hat deshalb eine Petition „Schluss mit dem XXL-Bundestag!“ gestartet.

Das weitere Vorgehen

Die Hoffnungen liegen jetzt auf der „Kommission zur Reform des Bundeswahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit“, die der alte Bundestag schon eingesetzt hat. Der neue Bundestag muss sie nochmals bestätigen.

(felt/dpa)
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