Bundestagswahl 2021 So wählt Deutschland

Das deutsche Wahlrecht will den Wählerwillen repräsentativ abbilden und gleichzeitig die Vertreter der Wahlkreise stärken. Deshalb gibt es Erst- und Zweitstimme, aber auch so komplizierte Dinge wie Landeslisten, Überhangs- und Ausgleichsmandate.

 Blick in den Plenarsaal des Bundestags, in dem gerade eine Sitzung stattfindet.

Blick in den Plenarsaal des Bundestags, in dem gerade eine Sitzung stattfindet.

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Wenn der Termin der Bundestagswahl näher rückt, macht sich in der deutschen Hauptstadt Berlin eine gewisse Hektik breit. Alle politischen Vorgänge werden nun danach bewertet, was sie für die anstehenden Wahlen bringen. Als Termin hat die Bundesregierung in Absprache mit den Ländern den 26. September dieses Jahres festgelegt. Wie kommt dieser Termin zustande? Die Wahlperiode des Deutschen Bundestags beträgt vier Jahre. Der Artikel 39 des Grundgesetzes schreibt deshalb vor, in welcher Spanne die nächste Wahl stattfinden muss. Für den aktuellen Wahltermin ist die konstituierende Sitzung des aktuellen Bundestags entscheidend, die am 24. Oktober 2017 stattfand. Die Bundestagswahl 2021 muss danach also frühestens am 25. August und spätestens am 24. Oktober erfolgen. Früher waren die meist leicht fallenden Arbeitslosenzahlen im Frühherbst der Grund dafür, die Wahl so weit wie möglich nach hinten zu schieben, aber noch die Zeit bis Weihnachten für die Regierungsbildung zu haben.

Schon viele Monate vor der Bundestagswahl stellen die Parteien ihre Listen auf. Das ist oft ein Kampf auf Biegen und Brechen. Denn die Reihenfolge auf der Liste entscheidet, wer mit einem sicheren Einzug in den Bundestag rechnen kann. Im föderalen System der Bundesrepublik muss eine Partei, die zur Bundestagswahl antritt, für jedes Bundesland eine getrennte Wahlliste mit den Kandidaten für die Bundestagssitze erstellen. Die Listenplätze werden endgültig auf den Landesparteitagen bestimmt, nachdem die Kreis- und Bezirksverbände der Parteien ihre Kandidaten benannt haben.

In Deutschland erfolgt die Sitzverteilung im Bundestag in einer personalisierten Verhältniswahl. Das heißt, die Mandate werden im Verhältnis zum Stimmenanteil vergeben, den eine Partei bei der Wahl erringt. In den TV-Sendungen am Wahltag werden in Balkendiagrammen zunächst die prozentualen Stimmenanteile für die einzelnen Parteien genannt, dann in Kreisdiagrammen die Sitzverteilung.

Das ist in Großbritannien anders. Dort setzt sich das Unterhaus aus den Gewinnern der einzelnen Wahlkreise zusammen. Das nennt man Mehrheitswahlrecht. Weil das in der Vergangenheit oft zu klaren Mehrheitsverhältnissen auf der Insel führte, wurde auch in Deutschland dieses Wahlsystem oft diskutiert, aber stets verworfen. Denn kleinere Parteien haben da fast keine Chance, ins Parlament einzuziehen.

Doch auch in Deutschland gibt es Wahlkreise mit den Direktkandidaten der Parteien. Die werden von den Kreisverbänden der einzelnen Parteien bestimmt. Um den direkten Kontakt des Wählers zu „seinem“ Abgeordneten zu stärken, gibt es deshalb im deutschen Wahlrecht zur Bundestagswahl zwei Stimmen. Mit der Erststimme wählt der Bürger seinen Direktkandidaten, mit der Zweitstimme entscheidet er über die Zusammensetzung des Bundestags. Es ist klar, dass die Zweitstimme entscheidet. Weit verbreitet ist diese Erkenntnis nicht. Und Parteien wie die FDP und manchmal auch die Grünen, als sie noch einstellig waren, machten eine Zweitstimmenkampagne. Damit suggerierten sie, dass ihnen eine der beiden Stimmen reichen würde. Dass die aber die entscheidende ist, verschwiegen die beiden Parteien.

Die Verbindung von Direktmandaten und Verhältniswahlrecht bringt noch eine andere Komplexität ins System. Da die einzelnen Sitze im Bundestag auf Grundlage der Landeslisten zugeteilt werden, können Überhangmandate entstehen. Die sind möglich, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erringt, als ihr Sitze nach dem prozentualen Anteil der Zweitstimmen zustehen. Bis 2013 wurden die Überhangmandate nicht ausgeglichen. Vor allem große Parteien wie die Union und die SPD profitierten davon. Zwei Bundeskanzler, Konrad Adenauer (CDU) 1949 und Helmut Kohl (CDU) 1994, konnten überhaupt nur vom Bundestag gewählt werden, weil ihnen die Überhangmandate zur erforderlichen Mehrheit der Stimmen im Bundestag verhalfen. Auch der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) überstand 2001 eine Vertrauensabstimmung im Bundestag nur, weil er bei zehn Überhangmandaten seiner Partei zwei Stimmen mehr als erforderlich erhielt.

Weil das Bundesverfassungsgericht die Überhangmandate als verfassungswidrig verwarf, gibt es seit der Bundestagswahl von 2013 für alle Parteien, die keine Extrasitze haben, einen Ausgleich. Man nennt es Ausgleichsmandate. Danach spiegelt das prozentuale Ergebnis der Zweitstimmen auch die Sitzverteilung im Bundestag wider. Allerdings wird unser Parlament entsprechend aufgebläht. Zurzeit besteht es aus 709 Abgeordneten, obwohl eigentlich nur 598 Sitze vorgesehen sind. Nach dem Internetportal Mandatsrechner könnte der Bundestag auf über 800 Mandatsträger  aufgebläht werden, wenn man aktuelle Umfragen heranzieht. Eine richtige Lösung für dieses Problem haben die Parteien noch nicht gefunden, weil zu viele unterschiedliche Interessen auf dem Spiel stehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort