Historisch schlechtestes Ergebnis Die Union zwischen Bangen und Hoffen

Berlin · Der Wahlabend ist für die Union eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen um Platz eins. Man will weiter regieren, auch vom zweiten Platz aus. Armin Laschet will über eine Regierung verhandeln - das macht er am frühen Abend deutlich. Und weiß die CSU an seiner Seite.

Bundestagswahl 2021: CDU Wahlpart - Enttäuschung bei der CDU - Bilder
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Enttäuschung bei der Wahlparty der CDU in Berlin

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Foto: dpa/Michael Kappeler

Schlag 18 Uhr, Totenstille im Konrad-Adenauer-Haus: Die Prognosen flimmern über die Bildschirme. Das historisch schlechteste Ergebnis der Union, viele können es nicht fassen. Ist die CDU doch in den vergangenen 16 Jahren dank Angela Merkel auf Bundesebene vor allem Erfolge gewohnt. Als aber schnell klar wird, dass es auch für Rot-Grün-Rot nicht reicht, brandet Applaus auf. Etwas Erleichterung ist zu spüren.

Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet verfolgt die Zahlenspiele der TV-Sender im Präsidiumszimmer. Schnell ist eine Sprachregelung gefunden: Aufgeben will man nicht, sondern eine „Zukunftskoalition“ aus schwarz-grün-gelb schmieden, sprich: eine Jamaika-Koalition. Laschet wartet die erste Hochrechnung noch ab, dann betritt er um 18.45 Uhr die Bühne im Foyer der Parteizentrale, zusammen mit vielen CDU-Spitzenpolitikern. Kanzlerin Merkel ist auch dabei, sie muss sich in die zweite Reihe stellen. Ihr jedoch gilt Laschets erster Dank. Erst wird gejubelt, dann wird er ernst: „Uns war klar, ohne Amtsbonus wird das eine offener, ein harter, ein enger Wahlkampf“, ruft Laschet. „Mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein.“

Die Union habe jedoch von ihren Wählern einen klaren Auftrag erhalten: „Jede Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung.“ Erstmals erhält nun auch Laschet Applaus. „Deshalb werden wir alles daransetzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden.“ Das ist seine klare Kampfansage an alle Kritiker. Der CDU-Chef verspricht eine Koalition, „die einen Beitrag leistet für eine bessere Welt“.

An Selbstbewusstsein mangelt es dem Aachener nicht. „Das war ein gelungener Endspurt“, ruft er. „Das war eine große Aufholjagd.“ Die Union habe nie aufgegeben – „und das ist auch mein Antrieb“, sagt Laschet. Bundeskanzler werde der, dem es gelinge, Gegensätze zu überwinden und ein gutes Programm für die nächsten vier Jahre aufzusetzen. Der neue Bundeskanzler müsse ein Projekt entwickeln, „das länger trägt als nur die nächsten Wochen. „Eine wichtige Wahlperiode liegt vor uns. Zu dieser Aufgabe bin ich bereit“, ruft der NRW-Ministerpräsident. Laschet will es werden. Aufgeben wird er so schnell nicht. Die CDU, das hat er geschafft, präsentiert sich zunächst einmal geschlossen. Putschgerüchte kursieren am Abend (noch) nicht.

In der „Berliner Runde“ von ARD und ZDF setzt Laschet seinen Kurs konsequent fort und pocht auf die Verfassung, wonach derjenige Kanzler werde, der „aus der Mitte des Bundestages" eine Mehrheit erhalte. Es komme nun darauf an, mit möglichen Partnern so viele Gemeinsamkeiten wie möglich zu finden. Er wolle ein Bündnis schmieden, "das Deutschland wirklich voranbringt".

Die Schwesterpartei CSU legt am Abend kurzerhand eine Kehrtwende hin. Hatte man im Wahlkampf bis zuletzt noch ein Regierungsschmieden vom zweiten Platz aus ausgeschlossen, erhebt man nun doch den klaren Anspruch, eine Regierung unter Unions-Führung zu bilden. Dabei war man im Vorfeld lange in Deckung geblieben und hatte sich auch offen gehalten, wie man den Wahlabend gestalten werde. Zwar stand früh fest, dass Parteichef Markus Söder sich in Berlin aufhalten wird. Doch zum gemeinsamen Auftritt mit Laschet im Konrad-Adenauer-Haus kommt es nicht. Erst gegen 17.30 Uhr entschließt sich die CSU schließlich, dass Söder gegen 18.45 Uhr ein eigenes Pressestatement abgeben wird.

Der bayerische Ministerpräsident stellt es dann auch als Erfolg der Union dar, ein Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei verhindert zu haben. „Dieses Wahlergebnis ist eine Absage an Rot-Rot-Grün, es ist eine Absage auch an ideologische Politik“, betont Söder. Und fährt fort: „Meiner Meinung nach ist das eher eine Zusage für ein bürgerliches Bündnis", sagt er. Die SPD habe schon mehrere Tage zu früh gejubelt. Söder spricht von einer „Absage an eine rein linke Regierung".

Söder ist hörbar bemüht, kein Wort der Kritik an Laschet zu richten, stattdessen betont er die Gesprächsbereitschaft seiner Partei. Es werde ein langer Wahlabend, doch es gebe „alle Chancen für die Union“. Auch Söder weiß, dass er mit Laschet bei anstehenden Sondierungsgesprächen zusammenarbeiten muss. Mein Dankeschön an Armin Laschet für diesen großartigen Schl ussspurt“. Doch er wäre nicht Söder, wenn er nicht auch den eigenen Beitrag betonten würde. Es sei „gerade der CSU-Parteitag“ gewesen, der in der Schlussphase des Wahlkampfes zu einer „gewissen Trendwende“ beigetragen hat. Söder meldet damit indirekt auch eine starke Mitsprache seiner Partei an. In Bayern liegt die CSU laut Prognosen über 30 Prozent und hat bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde genommen. Dennoch räumt Söder angesichts des historischen schlechten Abschneidens ein, dass auch in der CSU kein Jubel ausbreche.

 CSU-Politikerin Dorothee Bär, Mitglied in Laschets Zukunftsteam, sagt unserer Redaktion: „Natürlich sind wir mit dem Ergebnis nicht vollumfänglich zufrieden. Es geht nun aber ums Land und um eine Richtungsentscheidung, da stellen wir uns der Verantwortung des Auftrags der Wählerinnen und Wähler und stehen für eine bürgerliche Regierung zur Verfügung.“

Wie wird es jetzt weitergehen? Laschet wird verhandeln, FDP-Chef Christian Lindner weiß er im Grunde auf seiner Seite. Doch bei den Grünen könnte er auf Granit stoßen. Diese bevorzugen eine Regierung unter Führung der SPD. Die nächsten Wochen werden lang. Und für die Union auch intern ungemütlich: Viele bringen sich in Stellung, vor allem Männer aus NRW. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hat schon früh klargemacht, dass er seinen Posten in der neuen Legislatur nicht kampflos räumen wird. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat höhere Ambitionen, ebenso wie Außenpolitiker Norbert Röttgen. Und dann ist da noch Friedrich Merz, der sich mit dem Versprechen auf einen Ministerposten hinter Laschet einordnete im Wahlkampf, aber auf mehr hofft.

 26.09.2021, Berlin: Armin Laschet, Bundesvorsitzender der CDU, Spitzenkandidat seiner Partei und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen reagiert nach der Bekanntgabe der ersten Prognosen zum Ausgang der Bundestagswahl auf der Wahlparty der Union im Konrad-Adenauer-Haus. Rechts ihm Silvia Breher, Stellvertretende Parteivorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kanzleramtschef Helge Braun. Foto: Peter Kneffel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

26.09.2021, Berlin: Armin Laschet, Bundesvorsitzender der CDU, Spitzenkandidat seiner Partei und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen reagiert nach der Bekanntgabe der ersten Prognosen zum Ausgang der Bundestagswahl auf der Wahlparty der Union im Konrad-Adenauer-Haus. Rechts ihm Silvia Breher, Stellvertretende Parteivorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kanzleramtschef Helge Braun. Foto: Peter Kneffel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: AFP/JOHN MACDOUGALL

Die ehemalige CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer meldet sich am Abend zu Wort. Sie will eine konsequente Analyse der im Wahlkampf gemachten Fehler. „Wir werden die Fehler analysieren. Sauber und konsequent. In einer vernünftigen Debatte. Jeder sollte sich seine Gedanken machen, was er Positives oder Negatives eingebracht hat“, so Kramp-Karrenbauer zu unserer Redaktion. Der Union stehen Wochen des Sturms bevor.

(mün, has, jw)
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