Platzmangel im Reichstag Für den neuen Bundestag wird es eng

Berlin · Die Stimmzettel sind ausgezählt und somit beginnt der Stress für die Planer im Reichstagsgebäude. Denn der nächste Bundestag besteht aus deutlich mehr Abgeordneten – es wird also eng werden im Hohen Haus.

 Sitzung des Bundestages (Archiv).

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Foto: dpa, mkx fdt

Die Stimmzettel sind ausgezählt und somit beginnt der Stress für die Planer im Reichstagsgebäude. Denn der nächste Bundestag besteht aus deutlich mehr Abgeordneten — es wird also eng werden im Hohen Haus.

Der Stress für die Wahlkämpfer ist nun endgültig vorbei. Der Stress für die Manager der Parlamentsarbeit fängt jedoch erst an. Und nicht nur im Wahlkampf, auch danach geht es um Millionen, denn das Hohe Haus dürfte aus allen Nähten platzen, weil aller Voraussicht nach die Zahl der Fraktionen wächst und höchstwahrscheinlich Dutzende zusätzliche Abgeordnete in den Bundestag einziehen.

Das erste Problem ergibt sich bereits beim Blick auf die Architektur des Reichstagsgebäudes, das geprägt wird von vier Türmen. Das kam in der ablaufenden Wahlperiode sauber aus: Unter jedem Turmdach gab es je einen Fraktionssitzungssaal für die Union, die SPD, die Linke und die Grünen. Wenn nun sechs Fraktionen einziehen, müssen dann zwei weitere Türme gebaut werden? Nein, schon in der Wahlperiode davor teilten sich Linke und Grüne einen Turm. So könnten die vier Kleinen nun auch wieder paarweise unterkommen.

Doch wenn die Kleinen groß werden, wird's bei denen eng, während bei einem Schrumpfen der Großen dort leerer Raum entsteht. Ein Flächenausgleich zwischen Groß und Klein ist architektonisch auf der Fraktionsebene aber nicht möglich, weil Innenhöfe dazwischenliegen. Die Raumplaner dürften hier einiges an Schweiß verlieren, bevor es die Handwerker beim Umbau tun.

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Erst einmal behelfen sich die Parteien. Die FDP will bereits am Montag ihre heiß ersehnte neue Fraktion konstituieren und macht diesen Schritt noch außerparlamentarisch in ihrer eigenen Parteizentrale. Die AfD bekommt zunächst ein Ausweichquartier außerhalb des Reichstages, aber innerhalb des Bundestages. Sie gründet ihre Fraktion im Anhörungssaal des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses — mit spektakulärem Ausblick auf die Spree.

Beschränkte Kapazität im Plenarsaal

Nächstes Problem: der Plenarsaal. Dessen Sitzplatzkapazität ist bereits von den eigentlich vorgesehenen 598 Sitzen auf 631 hochgeschraubt worden. Denn 2013 führten vier Überhangmandate zu 33 weiteren Plätzen im Parlament.

Überhangmandate entstehen immer dann, wenn für eine Partei aus einem Bundesland mehr Kandidaten über die Erststimme direkt gewählt werden, als ihr nach ihrem Anteil an den Zweitstimmen zustehen. Dann bekommen die anderen Parteien so lange Ausgleichsmandate, bis die Kräfteverhältnisse sowohl bundesweit als auch unter Berücksichtigung von Zweitstimmen und Wahlbeteiligung in den Bundesländern wiederhergestellt sind.

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Beim letzten Mal lösten nur vier Unionsmandate über dem Durst 29 Ausgleichsmandate bei den Fraktionen aus. Dieses Mal kommt es noch viel dicker: 709 Abgeordnete werden im Bundestag sitzen. Es wird also eng im Plenarsaal.

Erste Überlegungen gehen denn auch in Richtung schmalerer Sitzmöbel oder verschiedener Sessel, die umso unbequemer werden, je weiter es nach hinten geht. Denn dort ist normalerweise nur bei herausragenden Debatten alles besetzt.

Wer sitzt neben der AfD?

Weiteren Platz "fressen" auch die zusätzlichen Fraktionen, denn zwischen ihnen soll auch immer ein trennender Gang entstehen. Mit mehr Fraktionen wächst somit der Bedarf an Freiraum zwischen den politischen Gegnern. Da werden die Monteure des Bundestags viel zu schrauben haben. Loslegen können sie noch nicht. Denn formal gibt es erst einmal noch den "alten" Bundestag. Und dann muss auch erst der sogenannte Vorältestenrat über die Sitzordnung beschließen. Möglicherweise wollen einzelne Fraktionen noch etwas mehr Abstand zur AfD gewinnen.

Eine lange Zeit der Provisorien steht den Abgeordnetenbüros bevor. Steigt die Zahl der Gewählten so stark wie befürchtet, müssen zusätzliche Bürogebäude angemietet werden. Wenn große Fraktionen schrumpfen und kleine wachsen, kann natürlich auf den eingerichteten Flächen verschoben werden. Doch erst einmal muss geklärt werden, wer wen in seiner Nähe duldet und ob die FDP ihre angestammten Räumlichkeiten mit Reichstagsblick wiederbekommt.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus den unterschiedlichen Terminen. Der neue Bundestag konstituiert sich spätestens 30 Tage nach der Wahl. Bis dahin müssen sich noch die alten Abgeordneten für Sondersitzungen bereithalten. Welche Büros also noch nicht geräumt oder schon neu belegt werden können, bleibt zunächst offen. Zudem klärt sich erst nach der Regierungsbildung, welcher Fraktion wie viele Hilfskräfte zustehen. Oppositionsfraktionen bekommen nämlich einen größeren Mitarbeiterschlüssel als Regierungsfraktionen. Ausschussvorsitzende sitzen in anderen Bürotrakten. Erst wenn das alles feststeht, geht es an die Feinplanung. Das kann sich dieses Mal über Monate hinziehen. Und so lange muss die Bundestagsverwaltung auch mit den Arbeitsmöglichkeiten für die Abgeordneten jonglieren — Stress, Ärger und massive Reibungsverluste eingeschlossen.

(may-)
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