Wowereits Landesverband Berliner SPD will Rücktritt der Parteispitze

Berlin (RPO). Die SPD kommt nicht zur Ruhe: Der Berliner SPD-Landesverband fordert den Rücktritt der gesamten Bundesspitze der Partei. Auch der designierte Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier steht nach Ansicht der Berliner einem Neuaufbau im Wege. Auch Klaus Wowereit selbst soll für seinen Führungsstil kritisiert worden sein. Unterdessen forderte der SPD-Linke Ottmar Schreiner eine "schonungslose Bestandsaufnahme".

Steinmeier und Müntefering: Eingeständnis der SPD-Niederlage
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Der Berliner Landesverband hat nach dem historisch schlechten Abschneiden der SPD am Montagabend einem Radiobericht zufolge scharfe Kritik an der Bundespartei geübt. Nach Informationen der RBB-Welle Radio Berlin 88,8 distanzierte sich der erweiterte Landesvorstand in einem Papier von den Reformen der "Agenda 2010", die unter anderem die "Hartz"-Gesetze regelt.

Darüber hinaus forderten die Berliner Sozialdemokraten eine personelle Erneuerung auf Bundesebene. Über Parteichef Franz Müntefering und seinen Stellvertretern Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück heißt es in dem Papier laut Hörfunkbericht, ein glaubwürdiger Neuanfang sei nur ohne sie möglich. An der Sitzung des Landesvorstands habe auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit teilgenommen. Wowereit sei unter anderem wegen seines Führungsstils kritisiert worden.

Schreiner fordert "schonungslose Bestandsaufnahme"

Unterdessen hat der SPD-Linke Ottmar Schreiner eine "schonungslose Bestandsaufnahme" gefordert. Das "historische Debakel" müsse "knallhart aufgearbeitet werden, wenn die SPD noch eine Chance haben will, wieder richtig auf die Beine zu kommen", sagte das SPD-Vorstandsmitglied am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin".

Die Agenda 2010 habe "sehr verschiedene Facetten" gehabt. Neben der Investition in Ganztagsschulen, die "absolut richtig" gewesen sei, habe es "auch eine ganze Reihe von Schwachstellen" gegeben, "die uns allergrößte Probleme gemacht haben und immer noch machen".

Bei der Neubesetzung der Partei- und Fraktionsspitze halte er eine "Zweierlösung für sinnvoller". Die jungen Kräfte in der Partei müssten Verantwortung übernehmen. Die SPD verfüge hier über "ein beachtliches Führungspersonal". Es sei notwendig, dass sich die "verschiedenen Tendenzen" in der SPD-Führung wiederfänden. Es dürfe kein Kampf gegeneinander beginnen.

SPD-Flügel rufen zu Besonnenheit auf

Die Sprecher der SPD-Flügel haben bei der Neuaufstellung der Partei zur Besonnenheit aufgerufen. "Wer glaubt, jetzt die einfache Lösung zu finden, der ist schief gewickelt", sagte Björn Böhning, Sprecher der Parteilinken, am Dienstag im Deutschlandfunk. Es müsse eine schlagkräftige Opposition im Bundestag gebildet werden. Daher gelte es, intern in Ruhe darüber zu diskutieren, wie sich die Partei künftig aufstellt, "mutig eine Parteireform" durchzuführen und "mehr innerparteiliche Demokratie" zuzulassen.

Die sozialdemokratischen Inhalte hätten eine "große, große Akzeptanz", die sich jedoch nicht im Wahlausgang niedergeschlagen habe, sagte Böhning weiter. Man habe "offensichtlich an den Menschen vorbeigeredet". Diese Kluft müsse geschlossen werden.

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, sagte dem Sender, die Partei müsse sich Zeit lassen, um gemeinsam aufgestellt werden zu können. Die Sozialdemokraten hätten in elf Jahren Regierungsbeteiligung vieles richtig gemacht, seien aber gleichzeitig "vielen unserer Wähler auf die Füße getreten".

In der Frage der Neubesetzung von Partei- und Fraktionsvorsitz sprach sich Kahrs für eine Doppelspitze aus. Es sei keinem Einzelnen zuzumuten, beide Funktionen auszuüben. Daher sei es besser, wenn es zwei Personen machten.

Steinmeier drohte mit Rückzug

Der gescheiterte Kanzlerkandidat und Partei-Vize Frank-Walter Steinmeier soll am Dienstag zum Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion gewählt werden. Angeblich hat der Außenminister am Montag in der SPD-Präsidiumssitzung indirekt mit seinem Rückzug gedroht. Wie "Spiegel Online" unter Berufung auf Teilnehmer berichtet, sagte Steinmeier, er stehe nur unter bestimmten Voraussetzungen für Spitzenämter in der SPD zur Verfügung.

So habe er davor gewarnt, von ihm entwickelte Sozialreformen rückgängig machen zu wollen. Sollte die Partei etwa die Rente mit 67 auf den Prüfstand stellen oder die "Hartz"-Gesetze korrigieren, dann sei er nicht der richtige Mann dafür, in der SPD künftig Verantwortung zu übernehmen. Steinmeier ist auch als neuer Parteichef im Gespräch.

(DDP/AFP/ndi)
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