Am Sonntag steigt das TV-Duell Auf welche Gesten Sie achten sollten

Düsseldorf (RPO). Am Sonntag kommt es im Bundestagswahlkampf zum großen Schlagabtausch. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Frank-Walter Steinmeier stellen sich den Fragen der vier Moderatoren. Jede Geste zählt. Eine Expertin für das öffentliche Sprechen verrät im Interview mit unserer Redaktion, auf welche Signale Zuschauer achten sollten.

Politiker-Gesten in der Analyse
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Das TV-Duell der Spitzenkandidaten - mittlerweile ist es ein fester Bestandteil des über die Massenmedien geführten Wahlkampfs. Für die Duellanten kommt es darauf an, vor allem die zahlreichen unentschlossenen Wähler zu gewinnen. Ihre Stimmen könnten am Ende entscheidend sein. Jeder zweite Wahlberechtigte hat noch keine Entscheidung getroffen.

Am Sonntag stehen sich Angela Merkel (CDU) und ihr Herausforderer Frank-Walter Steinmeier gegenüber. Schon Kleinigkeiten im Auftreten können ausschlaggebend dafür sein, ob sie beim Zuschauer ankommen oder nicht.

Welche Signale besonders wichtig sind, weiß Marita Pabst-Weinschenk. Die Dozentin an der Universität Düsseldorf ist Expertin für Rhetorik und sprachliche Vermittlungsprozesse. Wir haben mit ihr gesprochen.

Frau Pabst-Weinschenk, schauen Sie sich am kommenden Sonntag das TV-Duell Merkel gegen Steinmeier an?

Pabst-Weinschenk Sicher, das werde ich mir anschauen.

In Ihrem Beruf befassen Sie sich mit nichtverbalen Sprachsignalen wie Gestik, Mimik oder auch Körperhaltung. Worauf werden Sie beim TV-Duell achten?

Pabst-Weinschenk Inhalte und Argumente, aber auch die Art und Weise wie sie vorgetragen werden. Mimik und Gestik verraten viel über die emotionale Ebene. Sie zeigen, ob jemand Unsicherheit verspürt, sich sicher fühlt oder vielleicht auch zu sicher fühlt.

Können Sie den Zuschauern einen Tipp geben, worauf sie bei Merkel und Steinmeier einen besonderen Blick werfen können?

Pabst-Weinschenk Oh, da gibt es eine ganze Menge. Die Augenbewegungen zum Beispiel. Schauen die Augen nach links oben, versucht sich ein Sprecher gerade an etwas zu erinnern. Das ist durch Hirnprozesse gesteuert. Schaut er nach rechts unten, führt er so etwas wie einen inneren Dialog. Im TV-Duell könnte das bedeuten, dass er sich gerade Argumente für die nächste Antwort zurechtlegt.

Und konkret bezogen auf die beiden Kandidaten?

Pabst-Weinschenk Frau Merkel neigt außerdem dazu, manchmal leicht den Kopf zu schütteln, obwohl sie eigentlich Zuversicht vermitteln möchte. Herr Steinmeier dürfte wirkt immer etwas angestrengt. Oft lächelt er, nachdem er etwas gesagt hat, als ob er froh wäre, den Satz unfallfrei zu Ende gebracht zu haben. Und manchmal leckt er sich die Lippen, wahrscheinlich hat das aber rein physiologische Gründe: einen trockenen Mund, vermutlich durch die Anspannung.

Wie würden Sie die beiden rhetorisch charakterisieren?

Pabst-Weinschenk Steinmeier tritt immer sehr korrekt auf, hat aber Probleme mit der Lockerheit. Eigentlich wirkt er auf mich immer sehr sattelfest und bestens vorbereitet. Ein bisschen weniger Kontrolle würde ihm gut tun. Auf den Zuschauer würde das sympathischer wirken. In seiner Sprache verwendet er auffallend das "Ich", weil er damit Führungskraft zeigen will. Daran gab es ja wohl auch in der SPD Zweifel.

Und Frau Merkel?

Pabst-Weinschenk Nimmt sich vergleichsweise sehr zurück. Sie benutzt häufig das "Wir". In Gesprächssituationen gestikuliert sie etwas zu wenig. Aber das passt zu ihrem präsidialen Stil, den sie ja auch im Wahlkampf pflegt. Häufig kann man bei ihr eine entsprechend professorale Geste beobachten: Sie legt gerne die Fingerspitzen aneinander und bildet mit den Händen ein Spitzdach. Dem Gegenüber signalisiert das die Botschaft "Zweifelt das bloß nicht an!", oder "Da lass ich nichts drauf kommen."

Insgesamt sind die beiden aber rationale Typen, immer gut vorbereitet und sicher, wenn es um Fakten geht. Ich rechne mit einer sehr kontrolliert geführten Debatte.

Das TV-Duell wird also ein Langeweiler?

Pabst-Weinschenk Nicht unbedingt. Gespannt bin ich vor allem auf den direkten Schlagabtausch. Das könnte Überraschungen geben. Wenn die Kandidaten aufeinander eingehen müssen, ist Schlagfertigkeit und Spontaneität gefragt, so dass vielleicht die im politischen Betrieb erprobten Argumentationsschablonen aufbrechen.

Zum Abschluss noch die unvermeidliche Sieger-Frage: Wer wird Ihrer Meinung nach beim Zuschauer besser ankommen?

Pabst-Weinschenk Von den Fakten und Argumenten her werden beide gut vorbereitet sein. Sollte es aber persönlich werden, ist Merkel charmanter. Eine einzige spontane, witzige Bemerkung kann da ausreichen. In den letzten Jahren ist sie selbstbewusster geworden. Frühere Aufnahmen zeigen sie noch mit gesenktem Kopf, das Kinn auf der Brust. Das hat sie abgelegt.

Die Gesten und Signale der Spitzenkandidaten - welche für Merkel und Steinmeier typisch sind und was sie bedeuten, zeigt Ihnen unsere >>>Fotostrecke.

Mit Marita Pabst-Weinschenk sprach Philipp Stempel.

(pst)
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