Klartext-Bürgerforum im ZDF Kann es Laschet so noch schaffen?

Analyse | Berlin · 70 Bürger, 90 Minuten, zwei Moderatoren und ein Kanzlerkandidat. Armin Laschet hatte am Donnerstagabend im ZDF die Chance, durch „Klartext“ im Rennen um den Wahlsieg Boden gutzumachen. Er entschied sich für den langen Weg.

 Armin Laschet am Donnerstag vor der ZDF-Sendung bei einer Veranstaltung der EVP-Fraktion in Berlin.

Armin Laschet am Donnerstag vor der ZDF-Sendung bei einer Veranstaltung der EVP-Fraktion in Berlin.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Laschets Grundaufstellung... bestand darin, jede Frage zunächst einmal mit langem eigenen Wissen über die jeweilige Materie einzuordnen, statt sofort auf den Punkt zu beantworten. Bevor er einem Bundespolizisten eine optimale Schutzausrüstung zusagte, schilderte er erst einmal dessen Arbeitsalltag, um sich für eine Grundsolidarität mit Polizisten auszusprechen. Laschet verriet an anderer Stelle, dass er wahrscheinlich Journalist wäre, wenn er nicht Politiker geworden wäre. Das mag ihn verleitet haben, mehr zu moderieren als zu argumentieren.

Die ehrlichste Antwort... brachte Laschet auf die Frage nach Hindernissen bei der Entwicklung eines Medikaments gegen Long Covid: „Ist mir nicht bekannt“, sagte er und fragte nach: Wo ist das Problem? Er sagte zu, den Vorgang zu prüfen und bekräftigte, dass es hier schneller gehen müsse.

Den größten Applaus... bekam Laschet bei der Schilderung der Soforthilfe für die Flutopfer mit der Nachricht, dass NRW bereits 180 Millionen ausgezahlt habe. Er ermunterte Betroffene, auch nachgewiesene höhere Kosten im Alltag einzureichen, bat aber um Verständnis, dass die Politik nicht mal eben eine Autobahn komplett neu bauen könne.

Die unklarste Antwort... bekam eine Berliner Juristin auf die Frage, warum sie als Mann mit ihrer Frau zwei Elternschaften für ihren Sohn bekommen würde, ihr das als Frau jedoch versagt bleibe. Laschet sagte, er habe auch für die Ehe für alle gestimmt, dieses Thema sei jedoch komplizierter und nur zusammen mit dem Adoptionsrecht zu regeln. Ob er dafür eintrete, ließ er offen.

Die problematischste Erinnerung... war genau mit dieser Behauptung verbunden, wonach er - anders als Merkel - 2017 für die Ehe für alle gestimmt hätte. Im September 2017 hatte er im Interview allerdings klar gemacht: „Dem Antrag der SPD hätte ich wie Merkel nicht zugestimmt, weil er auch verfassungsrechtlich nicht in Ordnung ist." Das dürfte Laschet und seiner Glaubwürdigkeit im Rest des Wahlkampfes noch schwer zu schaffen machen.

Die klarste Antwort... erhielt ein aus der CDU ausgetretener Mann, der mit erkennbarer Sympathie nach einer Zusammenarbeit mit der AfD fragte. Laschet schloss aus, mit der AfD koalieren, kooperieren oder reden zu wollen und unterstrich, sein politisches Ziel sei es, dass die Partei aus dem Parlament wieder verschwinde.

Den naivsten Satz... bekam ein Afghane zu hören, als er fragte, wie Laschet als Kanzler die Ortskräfte vom Hindukusch holen wolle. „Wenn die Taliban sich vernünftig verhalten“, sagte Laschet als Einleitung für seine Erläuterung, mit den neuen Herrschern des Landes reden zu müssen. Dabei hatte der Betroffene bereits davon gesprochen, dass sich Freunde und Verwandte vor den Taliban verstecken müssten.

Die auffälligste Wiederholung... bestand in Laschets Umgang mit kritischen Nachfragen, als er gleich drei Mal „nun passen Sie mal auf“ in seine Erklärungen einbaute.

Einer sympathischen Angewohnheit... blieb er treu, jedes Anliegen erst einmal ernst zu nehmen und sich nicht sofort auf gestanzte Antworten zurückzuziehen, sondern Interesse durch Nachfragen auch für den Einzelfall zu zeigen. „Nennen Sie mal ein Beispiel“, war dann etwa eine Reaktion.

Die räumlich nächstgelegene Konfrontation... bescherte ihm eine Düsseldorferin, die sich über alkoholisierte, aggressive, lautstarke und gewaltorientierte Jugendliche direkt neben seiner Staatskanzlei beschwerte und damit sein Eintreten für eine „Null-Toleranz-Strategie“ hinterfragte. Er reagierte mit einem „Na ja“ und dem Hinweis darauf, dass der Polizei auch ein zu hartes Vorgehen vorgeworfen worden sei. Sein Eindruck sei, dass die Polizei da durchgreife.

Die deutlichste Ankündigung ... bekam der Fragesteller zu hören, der sich über die Bürokratielasten für die Wirtschaft beklagte. Laschet sagte er wolle für jede neue Vorschrift nicht nur eine andere abschaffen, sondern zwei.

Die stärkste Selbstkritik... äußerte Laschet über den Lacher im Flutgebiet während des Statements des Bundespräsidenten. Das sei „dämlich“ gewesen und habe „blöde“ ausgesehen, dass er über eine Bemerkung gelacht habe.

Die beharrlichste Positionierung... zeigte Laschet beim Begehren eines Callcenter-Mitarbeiters nach einem höheren Mindestlohn, da es in seiner Branche keine Tarifverhandlungen gebe. Laschet blieb dabei, dass es die Gewerkschaften schwäche, wenn demnächst die Parteien im Bundestag über die Tarife verhandelten, statt die Tarifparteien.

Zu den Umfragewerten... meinte Laschet eingangs: „Wir merken, es wird knapp.“ Er schloss damit, nicht Juniorpartner einer Koalition sein zu wollen und stattdessen um Platz eins zu kämpfen.

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