Kommentar Angela Merkels trügerischer Triumph

Mit ihrem grandiosen Wahlsieg ist Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Gipfel der Macht angelangt, doch jetzt beginnt ihr mühevoller, gefährlicher Abstieg ins Tal. Die CDU-Chefin wird trotz der 41,5 Prozent in den kommenden vier Jahren keineswegs Unionspolitik pur umsetzen können.

Gerade aus der Position vermeintlicher Stärke heraus wird sie Rücksicht auf ihre beiden gebeutelten potenziellen Koalitionspartner SPD oder Grüne nehmen. Die SPD wird sich so teuer wie möglich verkaufen, ehe sie in eine große Koalition mit CDU und — als Faktor nicht zu vergessen — der CSU eintritt.

Merkel muss SPD entgegenkommen

Sprich: Merkel muss nicht nur die siegestrunkene CSU des Horst Seehofer domestizieren in Fragen wie der Pkw-Maut. Diese dürfte zur Vignette für alle schrumpfen, die über die Kfz-Steuer deutschen Autofahrern zurückerstattet wird.

Sie wird auch der SPD weit entgegenkommen müssen auf den Feldern der Sozial-, Finanz-, Europa- und Steuerpolitik. Zumal die Kanzlerin ansonsten gegen einen von den SPD-geführten Ländern dominierten Bundesrat Politik machen müsste — innenpolitisch ein Ding der Unmöglichkeit.

Knackpunkt einer schwarz-roten Koalitionsvereinbarung wäre das von der CSU initiierte Betreuungsgeld, das die SPD strikt ablehnt. Aber auch die Verteilung der Schlüsselministerien dürfte umkämpft sein. Wolfgang Schäuble hat schon sein Interesse angemeldet, Finanzminister bleiben zu wollen.

Wer bekommt das Querschnittsressort?

Aber auch SPD-Politiker wie Frank-Walter Steinmeier schielen auf dieses Querschnittsressort, ohne das keine Entscheidung getroffen werden kann. Eine große Koalition birgt für Merkel und die Union zudem die Gefahr, dass die SPD im Laufe der Legislaturperiode der Versuchung erliegen könnte, das Bündnis platzenzulassen und eine rot-rot-grüne Koalition anzustreben.

Denn in zwei, drei Jahren könnte die Linke endgültig salonfähig sein, Merkel dann schon ein Auslaufmodell, und wen die Union nach ihr in die Wahlauseinandersetzung schicken wird (von der Leyen, Klöckner, de Maizière, Seehofer), ist unklar.

Viele Probleme für Schwarz-Grün

Gewiss wird die CDU-Chefin auch das Gespräch mit den Grünen suchen. Die Bundesebene ist aber nicht das ideale Experimentierfeld für dieses Bündnis. CSU-Dobrindt und Grünen-Trittin an einem Kabinettstisch? Zu diesem Bild gehört sehr viel Fantasie. Im Bundesrat wäre Schwarz-Grün isoliert.

Die Prognose lautet, dass wir ein monatelanges Tauziehen um ein schwarz-rotes Bündnis erleben werden, dessen Koalitionsvertrag so deutlich rot schillern wird, dass die SPD nicht mehr die Wahlverliererin ist, als die sie heute erscheint. Gut möglich, dass sich im Laufe der nächsten Jahre nicht nur Angela Merkel nach der FDP zurücksehnen wird.

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(RP)
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