Koalitionsvertrag im Überblick Was die Ampel will

Berlin · Die Verhandlungspartner der künftigen Ampel-Koalition sind im Zeitplan geblieben. Der Koalitionsvertrag enthält einige Überraschungen, er bleibt aber in der Kontinuität der bisherigen Bundesregierung.

 Die Koalitionsvertag steht – die Ampel leuchtet. (Archiv, Symbol)

Die Koalitionsvertag steht – die Ampel leuchtet. (Archiv, Symbol)

Foto: dpa/Peter Kneffel

Massiver Ausbau klimafreundlicher Technologien, Erhöhung des Mindestlohns für zehn Millionen Menschen, Begrenzung des Mietanstiegs, Verzicht auf Rentenkürzungen, Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und Kinderrechte im Grundgesetz sind die zentralen Inhalte des neuen Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Die Verhandlungsführer der drei Parteien des künftigen Ampel-Bündnisses, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die Grünen-Spitze mit Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie FDP-Chef Christian Lindner und sein Generalsekretär Volker Wissing blieben in der selbstgesetzten Zeit und wollen nun eine Wahl von Scholz zum Bundeskanzler in der Woche des 6. Dezembers ermöglichen. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Angela Merkel (CDU), die bei der Bundestagswahl am 26. September nicht wieder kandidiert hatte.

Bei der Vorstellung des Vertragswerks kündigte der designierte neue Bundeskanzler Scholz eine „Koalition auf Augenhöhe“ an. Grünen-Chef Habeck sieht im neuen Ampel-Bündnis einen Beweis dafür, dass auch politische Differenzen überbrückt werden können. „Gegensätze können überwunden werden, durch eine lernende Politik. Ein lernendes Deutschland, eine lernende Politik – das ist das Versprechen, das wir uns geben“, sagte Habeck. Auch FDP-Chef Lindner betonte die Aufbruchstimmung der neuen Koalition – trotz vorhandener Unterschiede. „Wir haben uns in einem Punkt eine Gemeinsamkeit erhalten, nämlich den Status quo zu überwinden“, sagte der Liberale.

Die Ampel-Koalitionäre veränderten auch den Zuschnitt der Bundesministerien, deren Zahl von 14 auf 15 erhöht wurde. Dabei erhält die SPD die Bereiche Inneres, Arbeit und Soziales, Verteidigung, Gesundheit, Bauen sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Grünen stellen den Vizekanzler oder die Vizekanzlerin und führen die Ressorts für Äußeres, Familie, Umwelt und Verbraucherschutz sowie Ernährung und Landwirtschaft. Dazu kommt ein Superministerium für Wirtschaft und Klima, das auch unter Grünen-Leitung steht. Die FDP wird die Ministerien für Finanzen, Justiz, Verkehr und Digitales sowie Bildung und Forschung führen.

Im Einzelnen legten sich die Ampel-Koalitionäre auf folgende Vorhaben für die kommenden vier Jahre fest.

Klimaschutz

Der Klimaschutz ist eine der größten Zukunftsaufgaben der künftigen Bundesregierung. Das neue Ampel-Bündnis bekräftigt das Ziel, Deutschland bis spätestens 2045 klimaneutral zu machen. Soll das gelingen, wird der Klimaschutz verschiedene Ressorts durchziehen müssen. Diese Notwendigkeit haben vor allem die Grünen im Laufe der Koalitionsverhandlungen vielfach betont – und sie findet sich auch im neuen Koalitionsvertrag wieder. Im Energiebereich nimmt sich Ampel einen enormen Schritt vor: Bis 2030 sollen 80 Prozent des Strombedarfs mit erneuerbaren Energien abgedeckt werden. Insgesamt ist im Koalitionsvertrag ein Bruttostrombedarf von 680-750 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2030 festgehalten. Dafür soll der Netzausbau beschleunigt werden, gleiches gilt für Planungs- und Genehmigungsverfahren. Solaranlagen sollen sich künftig auf „allen geeigneten Dachflächen“ befinden – bei gewerblichen Neubauten wird dies zur Pflicht, bei privaten soll es „die Regel“ werden. Daneben sollen zwei Prozent der Landesflächen für Windkraftanlagen ausgewiesen werden. Damit haben sich die Grünen im Energiesektor mit ihren Forderungen deutlich durchgesetzt.

Kohleausstieg: Die Ampel-Parteien haben sich auch auf einen vorgezogenen Kohleausstieg verständigt, allerdings bleibt es bei der vagen Formulierung aus dem Sondierungspapier: Der Kohleausstieg soll „idealerweise“ bereits bis 2030 gelingen. Neben dem massiven Erneuerbare-Ausbau seien dafür „moderne Gaskraftwerke“ notwendig, heißt es im Koalitionsvertrag. Betroffene Regionen und Personen könnten weiterhin „auf solidarische Unterstützung“ zählen. Aus Sicht von Grünen-Co-Chef Habeck ist der Kohleausstieg bis 2030 durch eine andere Maßnahme abgesichert: Der CO2-Preis im Europäischen Emissionshandel, aktuell bei 60 Euro pro Tonne CO2, soll langfristig nicht mehr unter diesen Wert fallen. Um Verbraucher zu entlasten, will die Ampel-Koalition unter anderem die Finanzierung der Ökostrom-Umlage (EEG-Umlage) über den Strompreis bis Anfang 2023 beenden.

Ausgerechnet der FDP-Chef und baldige Finanzminister Lindner hob die Klimaschutz-Amibitionen des Bündnisses hervor. „In der Wirkung ist dieser Koalitionsvertrag das ambitionierteste Klimaschutzprogramm einer Industrienation“, sagte Lindner am Mittwoch. Begrenzt worden sei die Ampel nur durch das, was physikalisch und technisch möglich sei. Was hingegen politisch und ökonomisch möglich sei, sei im Vertrag beschrieben, so Lindner.

Rente

Mindestrente: Die Ampel-Koalition verspricht die Quadratur des Kreises. Sie will das Mindestrentenniveau bei 48 Prozent sichern und das Rentenalter nicht anheben. Damit bleibt es bei der Rente mit 67 Jahren. Auch der Rentenbeitrag soll in dieser Legislaturperiode nicht über 20 Prozent steigen (aktuell: 18,6 Prozent).

Aktienrente: Die Koalition will, dass ein Teil der Rentenbeiträge künftig in einen Fonds fließt, der von einer öffentlich-rechtlichen Stelle verwaltet wird und global anlegen soll. „Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von zehn Milliarden Euro zuführen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Das Institut der deutschen Wirtschaft mahnt: Es fehle ein Vorschlag zur Finanzierung.

Altersvorsorge: Selbstständige, die nicht über eine andere Form der Absicherung verfügen, müssen in die Rentenversicherung einzahlen.

Rentenformel: Die Regierung hört auf die Klagen der Arbeitgeber und führt den Nachholfaktor wieder ein. Rentenkürzungen soll es zwar nicht geben, aber ausgefallene Rentenkürzungen können in guten Jahren nachgeholt werden. „Wir werden den Nachholfaktor rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022 wieder aktivieren und im Rahmen der geltenden Haltelinien wirken lassen“, heißt es dazu.

 Pflege

Pflegekräfte: Um die Arbeit in der Pandemie zu honorieren, will der Bund eine Milliarde Euro für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Heimen zur Verfügung stellen. Zudem soll die Steuerfreiheit für den Pflegebonus auf 3000 Euro angehoben werden. Geteilte Dienste sollen verboten werden: Morgens vier Stunden arbeiten und abends weitere vier, wie es in der Altenpflege verbreitet ist – das soll nicht mehr möglich sein. Das Gehalt der Alten- soll an das der Krankenpfleger angepasst werden.

Pflegeversicherung: Diese wird teurer. „Den Beitrag zur Sozialen Pflegeversicherung heben wir moderat an“, heißt es im Koalitionsvertrag. Zur langfristigen Sicherung der Pflegefinanzierung soll eine Expertenkommission bis 2023 Vorschläge machen. Das Pflegegeld für pflegende Angehörige soll dynamisiert, also erhöht werden.

 Gesundheit

Hausärzte: Die Koalition will den Hausärzten neue Freiheiten geben, so dass sie Patienten unbegrenzt behandeln können. „Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf“, heißt es. Wie das von den Kassen finanziert werden soll, bleibt offen.

Krankenhäuser: Das teuerste am Gesundheitssystem sind die Kliniken. Hier will die Koalition eine Kommission einsetzen, die die Krankenhausplanung reformiert. Als erstes sollen auch Ärzte, die „bislang unnötig stationär erbrachter Leistungen“ übernehmen, Fallpauschalen (DRG) wie die Krankenhäuser erhalten.

Geburtshilfe: Die Koalition will die Zahl der Kaiserschnitte senken und dafür nach Fehlanreizen suchen, die zum Anstieg der Kaiserschnitte geführt haben.  Zudem führt sie einen Personalschlüssel für eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während „wesentlicher Phasen der Geburt“ ein.

Cannabis-Freigabe: Die Koalition legalisiert den Cannabis-Konsum: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein“, heißt es im Koalitionsvertrag. Dadurch werde die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet.

 Digitalisierung

Internet: Die Koalition will einen besseren Internet-Zugang für alle. „Unser Ziel ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser (fiber-to-the-home, FTTH) und dem neuesten Mobilfunkstandard“, heißt es im Koalitionsvertrag. Vor allem auf den „weißen Flecken“ soll das rasch umgesetzt werden. „Die Menschen erwarten vom Staat einfach handhabbare digitale Leistungen, nutzerorientiert, medienbruchfrei und flächendeckend“, schreibt die Koalition in ihrem gemeinsamen Papier. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) soll so entwickelt werden, dass die Verwaltung schneller digital wird.

Gründer-Förderung: Um den Anteil von Gründerinnen im Digitalsektor zu erhöhen, soll es ein eigenes Gründerinnen-Stipendium geben. Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung für Start-ups soll attraktiver gestaltet werden, was bislang ein großes Problem war, wenn Start-ups Erfolg hatten.

Kampf den Tech-Riesen: Die Koalition will das Bundeskartellamt im Kampf gegen die Tech-Riesen aus den USA unterstützen. Um den Wettbewerb zu stärken, sollen die Konzerne zu Zusammenarbeit (einheitliche Interoperabilität) verpflichtet werden. Zudem sollen die Regelungen zur Fusionskontrolle verschärft werden.

Elektronische Patientenakte: Allen Krankenversicherten soll eine elektronische Patientenakte zur Verfügung gestellt werden, deren Nutzung ist aber freiwillig.

Haushalt und Finanzen

Die neue Koalition sieht von Steuererhöhungen ab und will von 2023 an die Vorgaben der Schuldenbremse wieder einhalten. Gleichzeitig sollen aber auch die Investitionen in Klimaschutz, Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur stark ausgeweitet werden. Zur Finanzierung soll mehr privates Kapital mobilisiert werden. Dazu soll das Fördervolumen der Staatsbank KfW ausgeweitet werden. Damit das gelingt, denkt die Ampel auch an eine Aufstockung des KfW-Eigenkapitals. „Bestehende staatliche Gesellschaften wie die Deutsche Bahn AG (Infrastrukturbereich) oder die BImA werden wir stärken und ihre Finanzierungsmöglichkeiten verbessern. Dafür können von Fall zu Fall Instrumente wie Kreditermächtigungen und Eigenkapitalstärkung genutzt werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. FDP-Chef Christian Lindner, der als neuer Finanzminister gehandelt wird, hat zudem seinen Plan einer neuen „Super-Abschreibung“ durchgesetzt: Einen „Anteil der Anschaffungs- und Herstellungskosten“ für mehr Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter sollen Unternehmen innerhalb von zwei Jahren 2022 und 2023  abschreiben können. Wie hoch dieser Anteil sein soll, wird nicht genannt.

Die Immobiliengesellschaft des Bundes, BImA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben), solle mehr Freiheiten erhalten, um auch selbst neue Wohnungen bauen zu können. Haushaltsspielräume will die Ampel durch die Streckung der Tilgungszeiträume für die Corona-Schulden erlangen. . Den Energie- und Klimafonds (EKF) will sie deutlich aufstocken, 2022 sollen dafür offenbar erhebliche zusätzliche Kredite aufgenommen werden. Zudem will sie überflüssige Ausgaben auf den Prüfstand stellen und kürzen. „Wir wollen zusätzliche Haushaltspielräume dadurch gewinnen, dass wir im Haushalt überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben abbauen“, heißt es im Vertrag.

Das steuerliche Dieselprivileg soll überprüft und abgeschafft werden. Die umstrittene Förderung von Plug-In-Hybriden soll aber erhalten bleiben, wenn der elektrische Fahranteil mindestens 50 Prozent beträgt. Für überschuldete Kommunen soll es eine Altschuldenhilfe von Bund und Ländern geben. Die Ampel kommt Rentnern und angehenden Rentnern zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung weiter entgegen: Der Vollabzug der Rentenversicherungsbeiträge soll auf 2023 vorgezogen werden. „Zudem werden wir den steuerpflichtigen Rentenanteil ab 2023 nur noch um einen halben Prozentpunkt steigern. Eine Vollbesteuerung der Renten wird damit erst ab 2060 erreicht.“ Auch soll der Sparerpauschbetrag zum 1. Januar 2023 auf 1000 Euro beziehungsweise 2000 Euro bei Zusammenveranlagung erhöht werden.

Arbeit und Grundsicherung

Der Mindestlohn soll in einem einmaligen Schritt von derzeit 9,60 Euro auf zwölf Euro angehoben werden. Danach soll wieder die Mindestlohnkommission die Lohnuntergrenze festsetzen. Die Ampel plant zudem mehrere Schritte zur Verbesserung der Weiterbildung. Dabei soll die Bundesagentur für Arbeit eine tragende Rolle spielen. SPD, Grüne und FDP wollen eine Bildungsteilzeit nach österreichischem Vorbild und ein Qualifizierungsgeld einführen sowie das Bafög reformieren. Die Ampel will grundsätzlich am Acht-Stunden-Tag festhalten, aber 2022 im Rahmen einer befristeten Evaluierungsklausel den Tarifparteien erlauben, davon auch abzuweichen. Die Mini-Job-Grenze will die Ampel von 450 auf 520 Euro pro Monat anheben, die Midi-Job-Grenze für Stellen mit ermäßigten Sozialversicherungsbeiträgen soll auf 1600 Euro Bruttogehalt angehoben werden. Hartz IV wollen SPD, Grüne und FDP überwinden. Künftig soll die Grundsicherung „Bürgergeld“ heißen. „Das Bürgergeld stellt die Potenziale der Menschen und Hilfen zur nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe“, heißt es im Koalitionsvertrag. Höhere Bezüge für Langzeitarbeitslose sind mit dem Bürgergeld allerdings nicht verbunden. Grundsicherung, Wohngeld und andere Transferleistungen sollen lediglich besser aufeinander abgestimmt werden. Der Ampel geht es mehr um qualitative Verbesserungen für die Betroffenen. So sollen sie künftig leichter Weiterbildungsangebote erhalten und in Einzelfällen vom Job-Center in die Betreuung der Agenturen für Arbeit wechseln können.   

Mieten und Wohnungsbau

 Mietpreisbremse: Die Mietpreisbremse soll verlängert und verschärft werden. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt soll die Miete binnen drei Jahren nur noch bis zu 11 Prozent steigen dürfen statt wie bisher bis zu 15 Prozent.

Wohnungsbau: Jährlich sollen 400.000 neue Wohnungen gebaut werden. Davon sollen 100.000 öffentlich gefördert werden. Um das Thema zu treiben und den Bau zu beschleunigen, soll wieder ein eigenes Bauministerium eingerichtet werden.

Verkehr

Bahn: Die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sollen erhöht werden. „Dabei wollen wir erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren, um prioritär Projekte eines Deutschlandtaktes umzusetzen.“ Durch den „Deutschlandtakt“ sollen künftig Züge zwischen den größten Städten im Halbstundentakt fahren. Umsteigezeiten von einer halben Stunde und mehr soll es nicht mehr geben. Die Deutsche Bahn soll zwar effizienter gemacht, aber nicht aufgespalten werden.

 ÖPNV: Die Koalition will die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) deutlich steigern. Dazu müssen die Anbieter ihre Anschluss-Daten in Echtzeit liefern und Kunden anbieterübergreifende digitale Buchung und Bezahlung ermöglichen. „2022 werden wir die pandemiebedingten Einnahmeausfälle wie bisher ausgleichen“, heißt es.

 Verbrennungsmotor: Deutschland soll Leitmarkt für Elektromobilität werden und mindestens 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030 haben. Derzeit sind gut eine Million Elektroautos unterwegs. Ab 2035 darf es in der EU nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge geben. Die Ampel will das gerne früher, nennt aber kein Datum.

 Fliegen: Kurstreckenflüge werden nicht verboten, sollen aber durch eine bessere Bahn-Anbindung verringert werden.

 Führerschein ab 16 Jahren: „Um Jugendliche schon frühzeitig für die Gefahren im Straßenverkehr zu schulen, werden wir begleitetes Fahren ab 16 Jahren ermöglichen“, heißt es.

Familienpolitik

Ein lang gehegte Wunsch von SPD und Grünen wird in der neuen politischen Konstellation jetzt umgesetzt. Die Kinderrechte sollen explizit im Grundgesetz verankert werden. Die Koalitionäre wollen sich dabei an der UN-Kinderrechtskonvention orientieren. Zugleich sollen alle Schülerinnen und Schüler eine Grundausstattung an internetfähigen Geräten für den Unterricht erhalten. Auch W-Lan in Schulen soll es flächendeckend geben. Dafür ist ein neuer Digitalpakt 2.0 mit einer Laufzeit bis 2030 für die Schule geplant.

Zur besseren finanziellen Förderung des Nachwuchses will die neue Koalition die Kindergrundsicherung einführen. Diese Leistung soll das sozio-kulturelle Existenzminimum sichern. Eine Höhe wurde jedoch nicht genannt.  Die Kindergrundsicherung soll nach dem Koalitionsvertrag aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag. Volljährige Anspruchsberechtigte erhalten die Leistung direkt.

Beim Elterngeld will die neue Koalition die Zahl der Betreuungsmonate erhöhen. Die Partnermonate beim Basis-Elterngeld steigen danach um einen Monat, entsprechend auch für Alleinerziehende. Es soll künftig 15 Kinderkrankheitstage für Paare geben, 30 für Alleinerziehende.

Familienrecht: Die Ampel will das „kleine Sorgerecht“ einführen, wonach das neu geschaffene Rechtsinstitut im Einvernehmen mit den rechtlichen Eltern auf zwei weitere Personen übertragen werden kann. „Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes“, heißt es im Vertrag.

Gleichstellung, Antidiskriminierung, Vielfalt und Migration

Die Koalition will die Gleichstellung der Geschlechter in diesem Jahrzehnt vollständig erreichen. Das soll über einen Gleichstellungs-Check künftiger Gesetze und Maßnahmen erreicht werden. Auch das Recht auf selbstbestimmte Reproduktion soll gestärkt werden. Zugleich will die Koalition die noch bestehende Lohnlücke zwischen Männern und Frauen schließen.

Transgendergesetz: Die Ampel will das bestehende Transsexuellen-Gesetz abschaffen. Stattdessen soll jeder sein Geschlecht selbst bestimmen können. Dazu gehören ein Verfahren beim Standesamt, das „Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich macht“, heißt es im Vertrag. Die Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen müssen vollständig von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden.

Rasse, Antidiskriminierung: Der Begriff „Rasse“ soll im Grundgesetz abgeschafft werden, weil er sich wissenschaftlich nicht halten lässt und Menschen mit anderer Hautfarbe diskriminiert. Zugleich soll im Grundgesetz der Artikel über Gleichbehandlung um das Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität ergänzt werden.

Staatsbürgerrecht: Die Ampel will das Staatsangehörigkeitsrecht weiter modernisieren. „Dafür werden wir die Mehrfachstaatsangehörigkeit ermöglichen und den Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vereinfachen“, heißt es im Vertrag. Eine Einbürgerung soll danach in der Regel nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren. Außerdem soll jedes in Deutschland geborene Kind die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wenn mindestens ein Elternteil seit fünf Jahren dort wohnt.

Moderner Staat und Demokratie

Die neue Koalition möchte die Verwaltung und Gesetzgebung modernisieren. „Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden“, steht im Vertrag. Dazu möchte das Bündnis ein digitales Gesetzgebungsportal schaffen, aus dem ersichtlich ist, in welcher Phase sich einzelne Vorhaben befinden. Der wichtigste Punkt dürfte hier allerdings die Herabsetzung des Wahlalters sein. So soll das aktive Wahlalter für die Wahlen zum Europäischen Parlament auf 16 Jahre sinken. Geplant ist auch ein Vorstoß zur Änderung des Grundgesetzes, um auch das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken. Zudem sollen im Ausland lebende Deutsche leichter wählen können. Ein wichtiger Punkt ist die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, um den Stau bei Verkehrsinfrastrukturinvestitionen zu lösen. Auch die Klimapolitik, etwa der Bau von großen Stromleitungstrassen, soll von beschleunigten Verfahren profitieren. Den Bevölkerungsschutz und die Katastrophenhilfe will die neue Bundesregierung in einem Dialog über künftige Zuständigkeiten mit den Ländern verbessern.

Landwirtschaft und Tierschutz

Um den Tierschutz zu stärken, will die Ampel ab 2022 ein verbindliches Tierhaltungslabel einführen. Im Kampf gegen das Artensterben soll der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln „auf das notwendige Maß“ beschränkt werden. Habeck, der mutmaßlich künftige Klimaschutzminister sprach von einer „Roadmap“ zu mehr Ökolandbau und einer Reduktion von Pestiziden, einer Förderung für bäuerliche Betriebe beim Umbau der Tierhaltung.

Europa, Außenpolitik und Verteidigung

Europa ist im Vergleich zum letzten Koalitionsvertrag von der ersten auf einen der hintersten Plätze gerückt. Die Ampel entwickelt nun eine Vision von der Zukunft der EU als „föderaler europäischer Bundesstaat“. Die Regierungschefs sollen künftig Kommissionsvorschläge nicht mehr hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich debattieren. Bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU will die Ampel das Einstimmigkeitsprinzip durch qualifizierte Mehrheitsentscheidungen ersetzen und einen „echten EU-Außenminister“ statt nur eines Hohen Vertreters installieren. Die Migrationspolitik mit Erleichterungen beim Familiennachzug folgt dem Kapitel Europa. Dabei sollen Menschen mit Bleiberecht neue Chancen zur Integration bekommen. „Arbeitsverbote für bereits in Deutschland Lebende schaffen wir ab“, heißt es weiter.

 Verteidigung will die Ampel mit großer Kontinuität verfolgen. Die Verpflichtung Deutschlands gegenüber der Nato, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung auszugeben, kommt allerdings in deutlich veränderter Form vor. Danach sollen nun drei Prozent des BIP für „internationales Handeln“ ausgegeben werden. Nun werden also nicht nur die Verteidigungsausgaben, sondern auch die für die Diplomaten und für die Entwicklungshilfe draufgerechnet. Unterm Strich entfernt sich Deutschland damit jedoch vom Ziel. Drei Viertel war Berlin dem Nato-Ziel nahegekommen. Bei der neuen Kombination hat die Ampel nur zwei Drittel erreicht. Es bleibt bei der in den Koalitionsverhandlungen umstrittenen nuklearen Teilhabe, und die Bundeswehr kann nun auch mit bewaffneten Drohnen rechnen. Durch Rechtsveränderungen sollen Extremisten schneller aus der Truppe entfernt werden können.

 Außenpolitisch will die Ampel trotz Brexit mit Großbritannien weiter zusammenarbeiten. Die Türkei soll wichtiger Nachbar der EU und Partner der Nato bleiben, obwohl das Land besorgniserregende innenpolitische Entwicklungen genommen und außenpolitische Spannungen bewirkt habe. Deshalb sollen auch keine neuen Kapitel im EU-Türkei Beitrittsprozess eröffnet, wohl aber der EU-Türkei-Dialog und der Austausch mit der Zivilgesellschaft ausgebaut werden. In Afghanistan will sich die neue Regierung für Frauen- und Mädchenrechte „sowie für den Schutz und die Aufnahme derer einsetzen, die durch eine frühere Zusammenarbeit mit uns gefährdet sind“.

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