Politbarometer Corona-Pandemie beunruhigt die Bürger wieder sehr

Die Corona-Krise hat alle anderen Themen von der Top-Agenda verdrängt. Die Maßnahmen der Politik gehen den meisten nicht weit genug. Die Ergebnisse des Politbarometers im Überblick.

Eine Intensivstation im Krankenhaus (Symbolfoto).

Eine Intensivstation im Krankenhaus (Symbolfoto).

Foto: dpa/Sven Hoppe

Das Thema Corona-Krise gewinnt in der Bevölkerung wieder seine alte überragende Stellung zurück. Nach den neuesten Zahlen des Politbarometers der Forschungsgruppe Wahlen, die unserer Redaktion zum Teil exklusiv vorliegen, wachsen bei den Menschen mit den steigenden Fallzahlen auch die persönlichen Sorgen um das eigene Wohlbefinden. Inzwischen halten 49 Prozent der Befragten – das sind 18 Prozentpunkte mehr als Anfang des vergangenen Monats – ihre Gesundheit durch das Virus für gefährdet, 49 Prozent sehen für sich persönlich keine gesundheitliche Gefahr. Anfang Oktober waren noch zwei Drittel für sich selbst ohne Sorge. 

Dazu trägt offensichtlich der Anstieg der Inzidenzen bei. 19 Prozent der Deutschen sagen, dass sie sich wegen der steigenden Corona-Fallzahlen jetzt „viel vorsichtiger“ verhalten, 42 Prozent bewerten ihr Verhalten als „etwas vorsichtiger“. Für 39 Prozent hat sich „deshalb nichts geändert“.

Massiv verstärkt hat sich die Forderung nach härteren Corona-Maßnahmen. Dazu sprechen sich die Deutschen sehr klar für stärkere Kontrollen aus: Nach 13 Prozent Anfang und 20 Prozent Ende Oktober plädieren jetzt 49 Prozent für eine Verschärfung der Corona-Regeln. Nur noch 32 Prozent der Befragten bezeichnen das aktuelle Maßnahmen-Paket als gerade richtig und lediglich 16 Prozent halten die momentanen Corona-Maßnahmen für übertrieben, darunter mit 57 Prozent besonders viele AfD-Anhänger/innen. Wenn es um die Einhaltung der Corona-Maßnahmen geht, fordern 77 Prozent der Befragten stärkere Kontrollen, 21 Prozent halten das nicht für notwendig.

Die Menschen sehen auch vor allem den Bund in der Pflicht, wenn es um die Festlegung von Grundregeln für die Corona-Bekämpfung geht. Das sagen 70 Prozent, fast so viel wie vor einem halben Jahr (April: 68 Prozent). Für 25 Prozent (April: 28%) sollten bei den Corona-Regeln jeweils die Bundesländer den Rahmen vorgeben, wie es jetzt ab dem 25. November geplant ist. Dann nämlich läuft nach dem Willen des ampel-dominierten Bundestags die „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ aus.

Nach 62 Prozent bereits vor zwei Wochen plädieren jetzt 67 Prozent aller Befragten für eine deutschlandweite Anwendung der 2G-Regel etwa in Restaurants, Hotels oder bei Freizeit- und Kulturveranstaltungen. 32 Prozent der erwachsenen Deutschen sind gegen die republikweite Einführung von 2G, darunter 30 Prozent der Befragten im Westen, aber 43 Prozent derjenigen im Osten. Für eine 3G-Regel am Arbeitsplatz, wonach alle, die nicht geimpft oder genesen sind, täglich einen Corona-Test vorlegen müssen, kommt von 71 Prozent Zustimmung, darunter auch von 69 Prozent der Berufstätigen. 26 Prozent aller Befragten und 28 Prozent der Berufstätigen fänden eine 3G-Regel am Arbeitsplatz nicht gut.  

Ungebrochen stark ist zudem das Votum für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen: Dass es für Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich eine Impfpflicht gegen das Coronavirus geben sollte, meinen 71 Prozent (Anfang Juli: 60 Prozent; Ende Oktober: 72 Prozent) aller Befragten, 27 Prozent lehnen das ab. Außerdem sind 65 Prozent (Anfang Juli: 55 Prozent; Ende Oktober: 64 Prozent) für eine Impfpflicht für Beschäftigte in Schulen und Kitas, 32 Prozent sind gegen eine entsprechende Verpflichtung.

Klimaschutz

Beim Engagement von Politik, Unternehmen und Bürger/innen für den Klimaschutz gibt es nach Einschätzung der Deutschen nur wenig Bewegung. Nach 66 Prozent vor knapp zwei Jahren meinen heute 62 Prozent der Befragten, dass die Politik „zu wenig“ für den Klimaschutz tut. Für 12 Prozent tut die Politik „zu viel“ und für 23 Prozent ist das „gerade richtig“. Etwas weniger kritisch werden inzwischen die Unternehmen gesehen. Dass diese zu wenig tun, sagen nach 75 Prozent vor knapp zwei Jahren jetzt 67 Prozent. Schließlich ist auch für 69 Prozent der Befragten der Einsatz der Bürger/innen für den Klimaschutz zu schwach.

Politische Stimmung und Abschneiden der Parteien

In der politischen Stimmung legen SPD, Union und AfD etwas zu, die Grünen sind konstant, FDP und Linke haben leichte Verluste. Anfang November wird die SPD bei 31 Prozent (+1 Prozentpunkt) und die CDU/CSU bei 20 Prozent (+1) gemessen. Die Grünen erreichen weiter einen Zustimmungswert von 20 Prozent (+/-0), die FDP liegt bei 13 Prozent (-1), die AfD bei 7 Prozent (+1) und die Linke bei 5 Prozent (-1).

Da mit Umfragen immer nur Stimmungen in der Bevölkerung zum Zeitpunkt der Befragung gemessen werden, sind Schlussfolgerungen auf eine mögliche Wahlentscheidung an einem weit entfernt liegenden Wahltag nicht zulässig. Aus diesem Grund veröffentlicht das Politbarometer die „Projektion“, bei der die in den aktuellen Untersuchungen gemessenen politischen Stimmungen auf ein Wahlergebnis für eine Bundestagswahl übertragen werden, falls diese am nächsten Sonntag stattfinden würde.Dieser errechneten Projektion liegen Erkenntnisse über die langfristige, sozial-strukturell begründete Stabilität im Wählerverhalten bei Bundestagswahlen zugrunde sowie Erkenntnisse über den theoretischen Ausgang einer Bundestagswahl unter „normalen“ Bedingungen, das heißt ohne die Überzeichnungen in der aktuell gemessenen politischen Stimmung. Neben strukturellen Faktoren werden zudem taktisches Verhalten sowie die fehlende Bekenntnisbereitschaft von Anhängern der Parteien an den Rändern des Parteienspektrums berücksichtigt.

Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, könnte die SPD im Vergleich zu Ende Oktober etwas zulegen, die FDP hätte leichte Verluste. Union, Grüne, AfD und Linke blieben konstant. Nach der aktuellen Politbarometer-Projektion käme die SPD auf 28 Prozent (+1) und die CDU/CSU auf 20 Prozent (+/-0). Die Grünen könnten mit 16 Prozent (+/-0) rechnen, die FDP läge bei 13 Prozent (-1), die AfD bei 11 Prozent (+/-0) und die Linke bei 5 Prozent (+/-0).

Gewünschte Koalition

Auch wenn sich das Votum zugunsten der Ampel etwas abschwächt, bleibt Rot-Grün-Gelb die eindeutig favorisierte Koalition: Bei der vorgabenfreien Frage, welche Parteien jetzt zusammen die Regierung bilden sollen, nennen 35 Prozent der Befragten SPD, Grüne und FDP. 8 Prozent plädieren jetzt für ein Bündnis aus SPD und CDU/CSU und 3 Prozent hätten am liebsten eine Regierung aus CDU/CSU, Grünen und FDP.

Dass eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP einen „wichtigen Beitrag zur Lösung der Probleme in Deutschland“ leisten wird, glauben nach 54 Prozent vor zwei Wochen momentan 49 Prozent der Befragten. Insgesamt 48 Prozent (Ende Oktober:  42 Prozent) sind hier skeptisch. Während 63 Prozent der SPD-, 74 Prozent der Grünen- und 60 Prozent der FDP-Anhänger/innen von einer Ampel-Regierung einen relevanten Beitrag zur Problemlösung erwarten, wird das von 61 Prozent der Unions- und von 84 Prozent der AfD-Anhänger/innen bezweifelt.

Koalitions-Verhandlungen

Mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen kann sich die SPD nach Ansicht der Deutschen noch etwas stärker durchsetzen als die FDP, die Handschrift der Grünen wird etwas weniger sichtbar wahrgenommen. Konkret glauben 60 Prozent aller Befragten, dass sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen stark (54 Prozent) oder sehr stark (6 Prozent) durchsetzen. 54 Prozent rechnen mit einer starken (46 Prozent) oder sehr starken (8 Prozent) Präsenz der FDP. Und 44 Prozent meinen, dass sich die Grünen dabei stark (40 Prozent) oder sehr stark (4 Prozent) durchsetzen können. 

Trotz mancher Zweifel rückt für die meisten Deutschen ein Abschluss der Verhandlungen in Sichtweite: 64 Prozent aller Befragten – darunter überdurchschnittlich viele SPD-, FDP- und Grünen-Anhänger/innen – prognostizieren, dass sich SPD, Grüne und FDP noch vor Weihnachten auf einen Koalitionsvertrag einigen werden, insgesamt 33 Prozent glauben das nicht.

SPD-Parteivorsitz

Dass bei der SPD Saskia Esken und Lars Klingbeil Parteivorsitzende werden sollen, sorgt in den eigenen Reihen für viel Optimismus: 74 Prozent der SPD-Anhänger/innen (alle Befragte: 50 Prozent) glauben, dass dieses Duo die Sozialdemokraten erfolgreich in die Zukunft führen wird, 21 Prozent (alle: 34 Prozent) bezweifeln dies.

CDU-Parteivorsitz

Armin Laschet hat seinen Rücktritt als CDU-Parteivorsitzender angekündigt. 37 Prozent der CDU/CSU-Anhänger/innen (alle Befragte: 21 Prozent) meinen, dass Friedrich Merz die CDU als Parteivorsitzender am ehesten erfolgreich in die Zukunft führen kann. 14 Prozent (alle: 20 Prozent) meinen das von Norbert Röttgen, 12 Prozent (alle: 11 Prozent) von Jens Spahn, 9 Prozent (alle: 6 Prozent) von Carsten Linnemann und 7 Prozent (alle: 9 Prozent) von Ralph Brinkhaus. Kanzleramtsminister und Merkel-Vertrauter Helge Braun hatte zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht seine Kandidatur erklärt.

Beurteilung von Spitzenpolitikern in Deutschland

Beim Ansehen haben drei der zehn nach Meinung der Deutschen wichtigsten Politiker/innen Verluste, fünf verzeichnen ein Imageplus und zwei sind unverändert, wobei die Veränderungen – soweit sie stattfinden – durchweg sehr moderat ausfallen. Souverän angeführt wird die Top 10 weiterhin von Angela Merkel: Auf der +5/-5-Skala erreicht sie den hervorragenden Durchschnittswert 2,5. Platz zwei weiter für Olaf Scholz (2,0), der genau wie die drittplatzierte Manuela Schwesig (SPD, 1,7) beim Ansehen etwas zulegt. Leichte Imageverluste gibt es für Robert Habeck (Grüne, 1,5) und Christian Lindner (FDP, 0,9). Die Positionen sechs und sieben besetzen weiterhin Markus Söder (CSU, 0,6) und Annalena Baerbock (Grüne, 0,2) und im Schlussdrittel liegen – alle mit Negativimage – Jens Spahn (-0,1), Friedrich Merz (-0,2) und Armin Laschet (alle CDU, -1,1). Bei der Frage, wen die Deutschen überhaupt zu den zehn wichtigsten Politiker/innen rechnen, schaffen es Armin Laschet und Manuela Schwesig nicht mehr ins Ranking. Neu dabei, und im nächsten Politbarometer dann wie immer auch bewertet, sind Lars Klingbeil und Sahra Wagenknecht.

Wirtschaftliche Lage in Deutschland

Die ökonomischen Eckdaten im Politbarometer haben sich Anfang November etwas eingetrübt: Die Bestandsaufnahme zur allgemeinen Wirtschaftslage erfolgt durchwachsen und bei den Konjunkturaussichten wächst der Pessimismus. Ihre private finanzielle Situation beschreiben die meisten Deutschen aber gewohnt positiv.

 So konstatieren ganz allgemein 37 Prozent (Anfang September: 43 Prozent) der Befragten eine gute Wirtschaftslage in Deutschland, 47 Prozent (Anfang September: 44 Prozent) sagen „teils-teils“ und für 14  Prozent (Anfang September: 12%; Anfang Oktober: 9 Prozent) stellt sich die ökonomische Gesamtkonstitution zurzeit schlecht dar.

 Gefragt nach einer Prognose für die konjunkturelle Entwicklung meinen noch 18 Prozent (Anfang September: 33 Prozent; Anfang Oktober: 30 Prozent), dass es „demnächst aufwärts“ geht. 40 Prozent erwarten keine großen Veränderungen und 39 Prozent (Anfang September: 30 Prozent; Anfang Oktober: 24 Prozent) rechnen mit einem wirtschaftlichen Abwärtstrend.

Was schließlich die eigene Finanzlage betrifft, sprechen 66 Prozent von einer guten und 4 Prozent von einer schlechten wirtschaftlichen Situation im Privatbereich, 29 Prozent sagen „teils-teils“.

Die Forschungsgruppe Wahlen hat zwischen 9. und 11. November 1257 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte in Deutschland telefonisch befragt.

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