Entwurf für Wahlrechtsreform Wie der Deutsche Bundestag verkleinert werden soll

Berlin · Der Deutsche Bundestag ist zu groß. Mit 736 Abgeordnete sind im Parlament viel mehr Sitze belegt als gesetzlich vorgesehen. Deshalb soll der Bundestag mit einer Wahlrechtsreform wieder auf seine Regelgröße verkleinert werden. Doch die Union sieht Mängel im Entwurf der Ampel-Regierung.

 Mit der Wahlrechtsreform soll die Anzahl der Abgeordneten-Sitze im Bundestag neu reguliert werden (Symbolbild).

Mit der Wahlrechtsreform soll die Anzahl der Abgeordneten-Sitze im Bundestag neu reguliert werden (Symbolbild).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Ist die Politik noch in der Lage, ihr Kerngeschäft zu erledigen, indem sie das Leben der Menschen durch Reformen verbessert? Eine Frage, die sich Konstantin Kuhle (FDP) zufolge derzeit viele Menschen mit Blick auf den Deutschen Bundestag stellen. Der ist nämlich viel größer als vorgesehen. Alle bisherigen Versuche, den Bundestag wieder zu verkleinern, sind jedoch gescheitert. Das will die Ampel-Regierung nun ändern. Am Montag stellten die Ampel-Fraktionen, vertreten durch Kuhle, Sebastian Hartmann (SPD) und Till Steffen (Grüne), ihren Gesetzentwurf für eine Wahlrechtsreform in Berlin vor.

In den letzten Wahlperioden ist das Parlament immer weiter gewachsen. Dem Gesetz zufolge soll das Parlament nicht mehr als 598 Sitze umfassen. Nach der jüngsten Bundestagswahl im Jahr 2021 zogen aber 736 Abgeordnete in den Bundestag ein – so viele wie noch nie. Damit ist er das weltweit größte frei gewählte nationale Parlament. Der Grund hierfür: Überhang- und Ausgleichsmandate. Ein Überhangmandat entsteht, wenn eine Partei mehr Direktkandidaten in den Bundestag entsenden kann, als ihr gemäß der Anzahl der Zweitstimmen in einem Bundesland zustehen.

Um diese zusätzlichen Sitze zu kompensieren, werden Ausgleichsmandate geschaffen. Das heißt: Andere Parteien dürfen ebenfalls mehr Abgeordnete in das Parlament schicken. Die Gesamtzahl der Sitze im Bundestag wird dann solange erhöht, bis das Größenverhältnis der Fraktionen im Bundestag den Anteil der Zweitstimmen bei der Wahl genau widerspiegelt. Dadurch bleibt das Kräfteverhältnis zwar erhalten. Ein größeres Parlament bedeutet aber auch mehr Kosten – durch weitere Mitarbeiter und mehr Büroräume – und eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit.

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Deshalb strebt die Ampel-Regierung einige Veränderungen an: Nach dem Gesetzentwurf bleibt es bei der bisherigen Einteilung in 299 Wahlkreise. Jeder Wähler soll auch weiterhin zwei Stimmen vergeben können: Eine Haupt- und eine Wahlkreisstimme. Ähnlich wie die bisherige Zweitstimme entscheidet die Hauptstimme über die proportionale Verteilung der Sitze an eine Partei. Mit der Wahlkreisstimme wird der Direktkandidat im jeweiligen Wahlkreis gewählt. Die neue Benennung solle zum besseren Verständnis beitragen, wie Steffen erklärte. Die Grundmandatsklausel bleibt hingegen erhalten.

Überhang- und Ausgleichsmandate soll es zukünftig nicht mehr geben. Dies kann zur Folge haben, dass in einem Wahlkreis direkt gewählte Abgeordnete keinen Sitz im Bundestag erhalten werden. Nämlich dann nicht, wenn das Hauptstimmenergebnis der Partei diese nicht deckt – die Direktkandidaten mit den besten Ergebnissen ziehen ein, die anderen gingen leer aus.

Das sorgt vor allem in den Reihen der Union für Kritik. „Wir sind jederzeit zu ernsthaften Verhandlungen bereit. Aber die Axt an die Wahlkreise und die regionale Vertretung in Berlin anzulegen, dabei machen wir nicht mit: Jeder Wahlkreis braucht einen gewählten Vertreter in Berlin“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Stefan Müller (CSU), unserer Redaktion.

Kuhle betonte aber: „Es ist keine Reform zu Lasten der CSU.“ Alle Parteien hätten dadurch Nachteie. Die Ampel-Fraktionen hatten Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) am Sonntag den Gesetzentwurf mit einer Gesprächseinladung vorgelegt. Sie drängen auf eine rasche Entscheidung, um das neue System bereits bei der nächsten Bundestagswahl anwenden zu können. Im Februar sollen die Beratungen stattfinden, sodass die Reform bis Ostern beschlossen sein könnte. So bliebe noch ausreichend Zeit für das Verfassungsgericht in Karlsruhe, über mögliche Beschwerden zu entscheiden. Ein solches Verfahren schreckt die Ampel-Fraktionen jedoch nicht ab. Im Gegenteil: „Es wird den Goldstandard sicherlich noch mit Siegeln versehen“, zeigte sich Hartmann sicher.

(jus/dpa)
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