Trotz hoher Inflation Bundesregierung will Fördertopf für Langzeitarbeitslose kürzen

Berlin · Der Bund schnallt finanziell den Gürtel enger. Doch in Zeiten hoher Inflation ausgerechnet bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen zu sparen, halten viele für falsch. Das letzte Wort hat nun der Bundestag.

 Die Pläne des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP) werden teilweise heftig kritisiert.

Die Pläne des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP) werden teilweise heftig kritisiert.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Bundesregierung will im kommenden Jahr einen Fördertopf für Langzeitarbeitslose kürzen. Wie aus dem im Kabinett beschlossenen Haushaltsentwurf hervorgeht, sind für „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ dann nur noch 4,2 Milliarden Euro eingeplant. In diesem Jahr stehen dagegen rund 4,8 Milliarden zur Verfügung. Zuerst hatte der „Spiegel“ über die Zahlen berichtet.

Die 4,2 Milliarden sind allerdings immer noch mehr als im vergangenen Jahr für die Eingliederung ausgegeben wurde. Für 2021 stehen rund 4,04 Milliarden Euro zu Buche. Aus dem Topf werden unter anderem Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber finanziert, die Langzeitarbeitslose einstellen.

Die für 2023 vorgesehenen Mittel bewegten sich auf dem Niveau der Ausgaben von 2019, erklärte eine Sprecherin von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Über die endgültige Ausstattung entscheide zudem der Bundestag. Heil werde „sich weiterhin für eine aktive Arbeitsmarktpolitik und für eine entsprechende dauerhafte Mittelausstattung des sozialen Arbeitsmarkts stark machen“.

Mit dem sogenannten sozialen Arbeitsmarkt werden Jobs für Langzeitarbeitslose bei gemeinnützigen Einrichtungen, Kommunen und in der freien Wirtschaft staatlich bezuschusst. Als langzeitarbeitslos gelten Arbeitslose, die ein Jahr oder länger keine Anstellung haben. Vor der Corona-Krise war ihre Zahl kontinuierlich leicht gesunken. Seit 2020 steigt sie nach Daten der Bundesagentur für Arbeit wieder.

Insgesamt sei das Modell des sozialen Arbeitsmarkts ein Erfolg, sagte der Grünen-Abgeordnete Frank Bsirske. In der Koalition sei man von seinem Nutzen überzeugt, deshalb solle es auch künftig entsprechend finanziell ausgestaltet werden. Laut Arbeitsministerium fanden so knapp 50 000 Menschen den Weg aus langjähriger Arbeitslosigkeit.

Im Haushaltsentwurf sind allerdings zunächst weitere Kürzungen geplant, etwa auf 2,5 Milliarden im Jahr 2024 und sogar auf 5 Millionen Euro ab 2029. Im Bundestag beschlossen wird aber erst einmal nur der Etat für 2023. Danach verhandelt Finanzminister Christian Lindner (FDP) erneut mit den Fachministern, die längerfristigen Zahlen sind also unverbindlich.

Auch SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt betonte, noch sei kein Haushalt beschlossen. „In den anstehenden Haushaltsberatungen wird die soziale Sicherheit eine entscheidende Rolle spielen“, erklärte sie. „Wir werden niemanden zurücklassen und dabei neue Chancen schaffen.“ Auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt kündigte Debatten über die Kürzung an. „Schon, wenn man es nur wirtschaftlich betrachtet und sagt, wir brauchen diese Arbeitskräfte, ist es wichtig, dass man dafür sorgt, dass sowas wie Eingliederungshilfen weiter passiert“, sagte die Grünen-Politikerin im Deutschlandfunk.

Der FDP-Abgeordnete Jens Teutrine wies auf Twitter darauf hin, dass Gelder, die in diesem Jahr nicht ausgegeben wurden, auch im kommenden Jahr genutzt werden könnten.

Von Verbänden und Opposition kam trotzdem Kritik. Investitionen in Weiterbildungen für Arbeitslose seien gut angelegtes Geld, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. „Solche Investitionen sind wichtig im Kampf gegen sich verfestigende Langzeitarbeitslosigkeit und mit Blick auf den Fachkräftebedarf unverzichtbar.“ Die Koalitionsfraktionen müssten den Entwurf im Parlament korrigieren. Der Präsident der Arbeiterwohlfahrt, Michael Groß, wertete es als „fatales Signal, ausgerechnet bei den Ärmsten zu sparen“. „Das wird das Gefühl sozialer Ungerechtigkeit in der Bevölkerung verstärken und kann zu Sprengstoff für den sozialen Zusammenhalt werden.“

Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe nannte die Pläne unverantwortlich. „Der Ampel fehlt eine Planung, wie sie Langzeitarbeitslose langfristig wirkungsvoll in Arbeit bringen will“, sagte er. Die Sozialpolitikerin der Linken, Jessica Tatti, sagte dem „Spiegel“, wenn SPD und Grüne die Pläne von Finanzminister Christian Lindner mitmachten, verspielten sie den letzten Rest an sozialpolitischer Glaubwürdigkeit.

(bora/dpa)
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