Ungarn verschärft Medienrecht Bundesregierung rügt Maulkorb für Journalisten

Berlin (RPO). Die von Ungarn kurz vor Beginn des EU-Ratsvorsitzes beschlossene Verschärfung des Medienrechts sorgt nicht nur bei EU-Parlamentariern für Kritik. Auch die Bundesregierung beurteilte das Gesetz äußerst kritisch.

In Berlin sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans, als künftige EU-Ratspräsidentschaft trage Ungarn "besondere Verantwortung für das Bild der gesamten Europäischen Union in der Welt". Daher erachte es die Bundesregierung als "selbstverständlich", dass Ungarn den rechtsstaatlichen Pflichten der EU verpflichtet bleibe und der Kritik der OSZE Rechnung trage. Die Bundesregierung werde hinsichtlich des ungarischen Mediengesetzes "nicht nur beiläufig, sondern ausdrücklich die Vorgänge und Umstände beobachten".

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, erklärte, alle EU-Mitgliedstaaten müssten sich "klar zur Pressefreiheit bekennen und sie aktiv schützen". Als künftige EU-Präsidentschaft trage Ungarn dabei eine "besondere Verantwortung".

Kritik aus Brüssel

Kritik kam auch aus dem EU-Parlament: "Wir werden Ungarn sehr genau an den europäischen Standards zur Pressefreiheit messen", sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz. Das sagt der Sozialdemokrat der "Frankfurter Rundschau". Sollten die europäischen Standards nicht erfüllt werden, werde Budapest "große Probleme" bekommen.

Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro sagte, er halte es für äußerst fragwürdig, dass eine designierte EU-Ratspräsidentschaft kritische Medien im eigenen Land mundtot machen wolle.

Die ungarische Regierung müsse sich fragen, ob sie mental überhaupt hinter dem Projekt Europäische Union stehe, deren Werte mittrage und nächste Woche den EU-Vorsitz übernehmen könne.

Zuvor hatte bereits Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn gefordert, die EU-Kommission müsse unverzüglich gegen die Pläne vorgehen. "Sie verstoßen gegen den Geist und die Worte der EU-Verträge", hatte Asselborn Reuters gesagt.

Stopp der Pläne gefordert

Er forderte einen sofortigen Stopp der Pläne, auch weil Ungarn am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen soll. "Dies ist eine direkte Gefahr für die Demokratie. Hier wird die Meinungsbildung unter die Kontrolle des Staates gestellt." Etwas Schlimmeres könne es in einer Demokratie nicht geben. Es stelle sich die Frage, ob ein solches Land würdig ist, die EU zu führen.

Ungarn geriet auch international in die Kritik. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte am Mittwoch, das Gesetz sei eine Gefahr für kritische Medien und die öffentliche Debatte in dem Land. Die OSZE-Beauftragte für Pressefreiheit, Dunja Mijatovic, erklärte in Wien, mit dem Gesetz drohten kritische Medien in Ungarn zum Schweigen gebracht zu werden. Das Gesetz verstoße gegen die Standards für Pressefreiheit in der OSZE und gefährde den Pluralismus in der ungarischen Medienlandschaft. Die vorgesehene Macht der Medienaufsicht sei "in den europäischen Demokratien ohne Beispiel und schade der Freiheit".

Das ungarische Parlament, in dem die Fidesz-Partei von Regierungschef Viktor Orban über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, hatte in der Nacht zu Dienstag das neue Mediengesetz verabschiedet. Es sieht die Einrichtung eines sogenannten Medienrats vor, dem fünf Mitglieder der Regierungspartei angehören sollen. Das Gremium kann Rundfunkbetriebe, Zeitungen und Zeitschriften, deren Berichte als "nicht politisch ausgewogen" erachtet werden, mit hohen Geldbußen belegen. Journalisten müssen dem Gesetz zufolge ihre Quellen offenlegen, wenn es um Fragen der nationalen Sicherheit geht.

Das Gesetz soll am 1. Januar in Kraft treten und damit an dem Tag, an dem Ungarn turnusmäßig den EU-Ratsvorsitz übernimmt.

(RTR/csh/afp)
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