Kindergeld für Saisonarbeiter und Co. Bundesregierung hält an Zahlungen für Kinder im Ausland fest

Berlin · Entgegen den Forderungen von Unionspolitikern im Europawahlkampf will sich die schwarz-rote Bundesregierung auch weiterhin an EU-Recht halten: Kinder von Saisonarbeitern oder anderen hier ansässigen EU-Ausländern hätten Anspruch auf Kindergeld aus Deutschland – auch, wenn sie nicht in Deutschland leben.

Was der Staat für Kinder ausgibt
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Foto: dpa, Arno Burgi

Entgegen den Forderungen von Unionspolitikern im Europawahlkampf will sich die schwarz-rote Bundesregierung auch weiterhin an EU-Recht halten: Kinder von Saisonarbeitern oder anderen hier ansässigen EU-Ausländern hätten Anspruch auf Kindergeld aus Deutschland — auch, wenn sie nicht in Deutschland leben.

Trotz steigender Ausgaben will die Bundesregierung daran festhalten, auch für die nicht in Deutschland lebenden Kinder von hier ansässigen oder hier kurzzeitig erwerbstätigen EU-Ausländern das Kindergeld zu zahlen. "Die Bundesregierung hält europarechtliche Vorgaben ein. Deshalb sind familienbezogene Leistungen und namentlich auch das Kindergeld für Familienangehörige, die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat wohnen, zu gewähren", heißt es in der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine schriftliche Frage der Grünen-Abgeordneten Lisa Paus, die unserer Redaktion vorliegt.

Im Europawahlkampf fordern CDU, CSU und AfD dagegen, die Kindergeldzahlungen an im Ausland lebende Kinder zu überprüfen. Künftig sollten die Zahlungen an eine deutsche Steueridentifikationsnummer des Kindes gekoppelt werden. Da im Ausland lebende Kinder in der Regel keine Steueridentifikationsnummer bekommen, müsste die Zahlung für sie demnach entfallen. Der Vorschlag ist aus Sicht der Grünen allerdings europarechtswidrig.

Zahlen entsprechen EU-Recht

Auch die Bundesregierung geht offenbar nicht davon aus, dass dieser Weg gangbar wäre. Die Debatte über eine mögliche Einwanderung ins deutsche Sozialsystem wurde am Montag durch neue Zahlen der Bundesregierung befeuert. Die Kindergeldansprüche allein von EU-Saisonarbeitern, die in der Regel nur während der Erntezeiten oder in der touristischen Hochsaison in Deutschland tätig sind, für ihre nicht in Deutschland lebenden Kinder summierten sich seit 2008 auf insgesamt eine Milliarde Euro, hieß es in der Antwort der Regierung auf eine weitere Grünen-Anfrage. Jährlich fielen 200 Millionen Euro für das Kindergeld der Sprösslinge von EU-Saisonarbeitern an, Tendenz steigend. Für die Jahre 2008 bis 2011 ergaben sich laut der Bundesregierung Mehrausgaben von insgesamt 400 Millionen Euro.

Die Zahlen entsprechen EU-Recht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte 2012 entschieden, dass uneingeschränkt in Deutschland steuerpflichtige Saisonarbeiter aus einem anderen EU-Land auch dann in Deutschland Anspruch auf Kindergeld haben, wenn der Nachwuchs in der Heimat lebt. Das in der Regel höhere deutsche Kindergeld müsse aber mit dem Kindergeld in der Heimat verrechnet werden. Das Urteil galt rückwirkend für die Jahre seit 2008. Die Bundesregierung ist an das EU-Recht gebunden. Eine Änderung der Zahlungspraxis beim Kindergeld wäre nur durch die Änderung der entsprechenden EU-Verträge möglich.

Die CSU geht davon aus, dass ein Teil der seit einigen Jahren verstärkten Zuwanderung aus anderen EU-Ländern nach Deutschland auf die Kindergeldansprüche zurückzuführen ist. "Wir müssen prüfen, ob Menschen nicht nur deshalb kurzzeitig in Deutschland als Saisonarbeiter arbeiten, damit sie hier den Kindergeldanspruch erwerben", sagte der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach. "Aus purer Wahlkampftaktik überbieten sich CDU und CSU mit populistischen Forderungen. Es ist ein Armutszeugnis, wenn die Union zum Bruch des EU-Rechts bei der Kindergeldzahlung an EU-Bürger aufruft und gleichzeitig die Bundesregierung solchen Vorstellungen still und leise eine Absage erteilt", sagte dagegen Grünen-Finanzpolitikerin Paus.

(mar)
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