Koalitionsstreit über Bundeshaushalt FDP will auch bei gesetzlichen Leistungen kürzen
Berlin · In der Debatte über Einsparungen im Bundeshaushalt will die FDP auch bestehende gesetzliche Leistungen nicht ausnehmen: Gesetze könnten schließlich auch wieder geändert werden. Bundesfinanzminister Lindner nennt zwar kein konkretes Datum, aber Haushaltspolitiker erwarten den Kabinettsbeschluss zum Etat nun am 5. Juli.
Im Haushaltsstreit der Ampel-Koalition hat die FDP eine Debatte über Ausgabenkürzungen ohne Tabus gefordert und auch gesetzliche Leistungen nicht davon ausgenommen. „Ausgaben, Leistungsgesetze, Subventionen – bei der Konsolidierung darf es keinerlei Tabus geben“, sagte FDP-Chefhaushälter Otto Fricke unserer Redaktion. „Rote Linien zu ziehen, bringt uns nicht weiter. Natürlich gibt es die Option eines Haushaltsbegleitgesetzes, in dem die Kürzung von gesetzlichen Leistungen drinsteht“, sagte Fricke.
Ein Haushaltsbegleitgesetz, das gemeinsam mit dem Etat verabschiedet würde, hatte auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bereits ins Spiel gebracht. Lindner hat den Konsolidierungsbedarf im Bundeshaushalt 2024 mit etwa 20 Milliarden Euro beziffert. Diese Lücke müssen SPD, Grüne und FDP in den kommenden Monaten durch Kürzungen oder Mehreinnahmen schließen, damit der Bundestag im Spätherbst einen ausgeglichenen Haushalt beschließen kann. Lindner hatte ausgeschlossen, dass die Schuldenbremse 2024 erneut ausgesetzt wird. Zudem lehnt er Steuererhöhungen ab, wie sie von SPD und Grünen gefordert werden. Allerdings könnte sich die FDP beim Thema Abbau von Steuersubventionen beweglicher zeigen, wie ihr Haushaltssprecher signalisierte.
„Wenn es Vorschläge der Grünen zu Steuermehreinnahmen gibt, werden wir auch darüber reden“, sagte FDP-Haushaltsexperte Fricke. „Rein beispielhaft: Einer Verlängerung der befristeten Mehrwertsteuersenkung für Gaststätten müssten alle drei Koalitionspartner zustimmen, täte einer es nicht, würden automatisch Bund und insbesondere Länder Mehreinnahmen haben“, so Fricke. „Beim Heizungsgesetz müssen wir schauen, wie wir die Förderung des Heizungstausches finanzieren. Machen wir viel über steuerliche Erleichterungen, sinken die Steuereinnahmen. Machen wir mehr aus dem Klima- und Transformationsfonds, wird der Kernhaushalt geschont.“
Grünen-Chefhaushälter Sven-Christian Kindler hatte sich gegen eine „blinde Sparpolitik“ verwehrt und statt dessen den Abbau klimaschädlicher Subventionen und höhere Steuern für Reiche gefordert. Dabei zielen die Grünen vor allem auf die steuerliche Begünstigung großer Dienstwagen durch das so genannte Dienstwagenprivileg und auf die Erbschaftsteuer. Beide Ansätze lehnt FDP-Chef Lindner allerdings ab.
Pauschale prozentuale Kürzungen über alle Ressorts wies der Finanzminister zurück. Auch die Haushaltspolitiker halten von dieser Methode wenig. „Wir werden über Priorisierungen innerhalb der einzelnen Etats reden müssen. Die Einsparungen müssen eine innere Logik haben und innerhalb der Ampel-Farben austariert sein. Ich habe keine Sorgen, dass ich das mit meinen Ampel-Sprecherkollegen hinbekomme“, sagte SPD-Chefhaushälter Dennis Rohde. Auch Fricke sagte in Anspielung auf die sogenannte Rasenmähermethode: „Wer einen Garten hat, weiß, dass ein Vertikutierer viel wichtiger ist als der Rasenmäher, weil er das Unkraut rauszieht.“
Die Haushaltspolitiker erwarten den Kabinettsbeschluss zum Haushalt nun am 5. Juli noch vor der parlamentarischen Sommerpause. „Ich gehe davon aus, dass der Bundeshaushalt in der ersten Juli-Woche, also noch vor der parlamentarischen Sommerpause, im Kabinett beschlossen wird“, sagte Rohde. „Das Parlament darf den Haushalt auch nicht erst nach der Sommerpause bekommen. Denn das ist der schwierigste Haushalt seit über einem Jahrzehnt.“ Auch Fricke erklärte: „Alle kundigen Parlamentarier erwarten den Kabinettsbeschluss zum Haushalt spätestens am 5. Juli. Für uns Haushälter ist einfach wichtig, dass wir den Etat vor der Sommerpause in seiner Grundstruktur kennen und in der sogenannten Sommerpause durcharbeiten können.“
Erschwert wird der Haushaltsausgleich durch die schwächelnde Konjunktur. Sinkende Konsumausgaben der Verbraucher wegen der hohen Inflation haben die Wirtschaft in eine Rezession gezwungen. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte von Januar bis März um 0,3 Prozent zum Vorquartal und damit das zweite Vierteljahr in Folge, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Im Gesamtjahr 2023 rechnet die Bundesregierung bisher noch mit einem geringen Wachstum von 0,4 Prozent. Die Steuerschätzung hatte für den Bund zudem Mindereinnahmen gegenüber der vorherigen Prognose von 13 Milliarden Euro im Jahr 2024 ergeben.
Die schlechten Wachstumsdaten seien seien für die Regierung ein Auftrag, sagte Lindner am Donnerstag. Noch in diesem Jahr werde es neue Maßnahmen geben, um Investitionsbedingungen zu verbessern. Konkret nannte Lindner eine stärkere Förderung von Forschung. Steuererhöhungen werde es dagegen nicht geben, eher weitere Entlastungen, betonte er. Die Frage, welches die richtigen Antworten auf die gegenwärtige Wachstumsschwäche sind, wird von den drei Ampel-Parteien allerdings unterschiedlich beantwortet: Während SPD und Grüne vor allem auf mehr staatliche Investitionen, Programme und Initiativen setzen, will die FDP Eigeninitiativen erleichtern und Bürgerinnen und Bürger steuerlich noch weiter entlasten.