Haushaltsdebatte im Bundestag Ein Auftakt der Lustlosigkeit

Berlin · Von SPD und Grünen erhält Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Einbringung des 490-Milliarden-Etats für 2025 kaum Applaus. Der Auftakt der Haushaltswoche im Bundestag zeigt vor allem: Die Ampelkoalition ist vom vielen Streiten müde geworden.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Dienstag im Bundestag, auf der Bank Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschafts-Staatssekretärin Franziska Brantner (Grüne).

Foto: dpa/Kay Nietfeld

An dieser Rede des Bundesfinanzministers zum Auftakt der Haushaltswoche im Bundestag ist vor allem bemerkenswert, wie wenig Applaus er von SPD und Grünen bekommt. Die beiden Koalitionspartner lassen die Hände ruhen, als Christian Lindner sagt, der Bundeshaushalt 2025 sei „rechtssicher“. Sie zeigen auch keine Regung, als der FDP-Chef erklärt, dieser Etat nehme „die neue Normalität unserer Gegenwart“ an. Sie rühren erst recht keinen Finger, als Lindner zur Schuldenbremse kommt, die trotz aller Widrigkeiten eingehalten werden soll.

Die Schuldenbremse sei eine „Art Selbstdisziplinierungsmechanismus“ für Politiker, sagt Lindner. Sie zwinge sie dazu, Prioritäten im Haushalt zu setzen, um für noch größere, außergewöhnliche Krisen gewappnet zu sein. Außerdem habe Deutschland in Europa Verantwortung, mehr Schulden seien mit EU-Recht nicht vereinbar, „selbst wenn man mich wegbeamen würde“, behauptet Lindner. Wieder nur Beifall von den eigenen Leuten für diesen Halbsatz.

Es ist kein Geheimnis, dass SPD und Grüne die enormen Haushaltsprobleme der Ampelkoalition am liebsten mit höheren Schulden gelöst hätten. Doch der Finanzminister hat sich erfolgreich dagegen gestemmt. Deshalb machen ihn SPD und Grüne nun insgeheim zum Hauptverantwortlichen für das schlechte Bild der Ampel in den vergangenen Monaten. Für die mehr als 80-stündigen zermürbenden Verhandlungen, bei denen sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) und Lindner mühsam über Kürzungen, Umschichtungen und eine Wachstumsinitiative hatten einigen können.

In der Sommerpause hatte es dann aber schon wieder Streit über die Auslegung von zwei Gutachten gegeben, die die Regierung in Auftrag gegeben hatte, um einige außergewöhnliche Haushaltskniffe zu bewerten, die laut Lindner alles Ideen des Kanzleramts gewesen sind. Dem urlaubenden Kanzler war es ein „Mysterium“, warum der FDP-Chef die Gutachten anders auslegte als er selbst. Doch auch hier setzte sich Lindners Lesart weitgehend durch.

So kam es, dass der Finanzminister dem Bundestag an diesem Dienstag einen Haushaltsentwurf mit einer großen Lücke von immer noch 12,5 Milliarden Euro vorlegen muss. Das Loch im Haushalt stellt sich dar als sogenannte „globale Minderausgabe“ (GMA). Es ist ein übliches Instrument, denn jedes Jahr bleibt Geld übrig, das nicht ausgegeben wird, etwa weil Förderprogramme nicht komplett abgerufen werden.

„Trotz aller Bemühungen“ habe man die globale Minderausgabe „nicht so reduzieren können, wie wir uns das vorgenommen haben“, gesteht Lindner ein. Übliche Staatspraxis sei eine GMA von höchstens zwei Prozent des Gesamthaushalts. Bei geplanten Ausgaben von 490 Milliarden Euro wären also eigentlich nur 9,6 Milliarden Euro GMA tragfähig. Geradezu dankbar ist Lindner deshalb dem SPD-Chefhaushälter Dennis Rohde, der geschworen hatte, die GMA bei den Haushaltsberatungen im Bundestag bis Ende November auf einen „einstelligen Miliardenbetrag“ herunterzudrücken. Aber der FDP-Chef ist ein Wolf im Schafspelz, denn er schiebt gleich noch eine kleine Drohung für die Koalitionspartner hinterher: Je höher die GMA am Ende des Jahres ausfallen werde, desto eher drohe im Jahresverlauf 2025 eine Haushaltssperre.

Dieser Auftakt im Bundestag nach der parlamentarischen Sommerpause ist vor allem ein Auftakt der Lustlosigkeit: Die Regierungsbank ist zwar gut gefüllt, auch der Kanzler lauscht über eine Stunde lang konzentriert der Haushaltsdebatte. Aber Höhepunkte, Applaus oder Begeisterung bleiben aus, selbst die Opposition scheint Lindners erwartbare Rede einzulullen. Ein Aufhorchen immerhin als der FDP-Chef eine Art Bekenntnis zum Weitermachen in der Ampel ablegt. „Solange es möglich ist, sich zu einigen, ist es nötig, sich zu einigen“, sagt Lindner.

Etwas Leben kommt in die Debatte, als der FDP-Vorsitzende die Union attackiert. Auch die CDU-geführte Regierung habe verfassungswidrige Beschlüsse gefasst, etwa bei der Kernbrennstoffsteuer, die Karlsruhe verboten habe. „Herr Middelberg hat mentale Techniken entwickelt, mit denen er sein eigenes besseres Wissen vor sich selbst unterdrücken kann“, sagt Lindner an den stellvertretenden Fraktionschef der Union, Mathias Middelberg (CDU), gerichtet. Das bringt ihm immerhin einige wenige Lacher.

Doch den Angesprochenen beeindruckt das wenig. Nach Lindner holt er zur Gegenrede aus: Der Haushaltsentwurf der Ampel sei „maximal unrealistisch“ und unehrlich. „Kein Haushaltsentwurf hat bisher in so umfassendem Umfang ungedeckte Positionen enthalten“, sagt Middelberg. Der Bundesregierung werde im Laufe des nächsten Jahres das Geld ausgehen. Die Koalition plane ja auch ohnehin nur noch bis zum 28. September, dem Tag der nächsten Bundestagswahl.