Elterngeld, Pflegeversicherung, Industrie-Hilfen Das sind die fünf Knackpunkte im Bundeshaushalt 2024

Berlin · Die Krisenjahre sind vorbei, nun will die Bundesregierung wieder zur Normalität zurückkehren: 2024 will sie die Schuldenbremse wieder einhalten. Im Bundeshaushalt sind daher Konsolidierungsschritte nötig, die bei Betroffenen Unmut auslösen. Wir zeigen die Knackpunkte auf.

 Familienministerin Lisa Paus (Grüne) muss beim Elterngeld sparen.

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) muss beim Elterngeld sparen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Jahre, in denen die Regierung hohe neue Kredite aufgenommen hat, um gegen die Corona-Krise und die Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine anzukämpfen, seien vorbei, sagt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). 2024 will er die Schuldenbremse wieder einhalten und auf Steuererhöhungen verzichten. Im Vergleich zur bisherigen Finanzplanung wird im gerade vom Kabinett beschlossenen Bundeshaushalt zwar kaum wirklich gespart. Doch verglichen mit dem Jahr 2022, als der Bund krisenbedingt noch 115 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnahm, ist die geplante Neuverschuldung von nur noch 16,6 Milliarden Euro im kommenden Jahr ein harter Schnitt. Das werden auch Bürger und Unternehmen zu spüren bekommen.

Elterngeld Die Ausgaben für das Elterngeld sind in den vergangenen Jahren mit hoher Dynamik auf heute über acht Milliarden Euro pro Jahr gewachsen, dem mit Abstand größten Brocken im Etat von Familienministerin Lisa Paus (Grüne). Der Finanzminister hat die Ministerin aufgefordert, diese Dynamik zu stoppen und 500 Millionen Euro in ihrem Etat einzusparen, darunter beim Elterngeld. Paus hatte nur die Wahl zwischen mehreren schlechten Alternativen – und entschied sich dafür, das Elterngeld für Paare zu streichen, deren zu versteuerndes Jahreseinkommen über 150.000 Euro liegt, die Hälfte der bisherigen Obergrenze. Dagegen laufen nun Gleichstellungspolitiker Sturm, weil die Kürzung vor allem Frauen benachteiligen würde. Lindner sagt, Paus könne sich bis Mitte August auch noch andere Sparmodelle überlegen. Doch die Ministerin erklärte am Donnerstag, sie bleibe bei ihrem Kürzungsvorschlag, weil es aus ihrer Sicht keine bessere Alternative gebe. Von der Kürzung sind 60.000 besser verdienende Familien in Deutschland betroffen.

Bafög Im Haushaltsentwurf 2024 ist vorgesehen, dass das Budget des Bundesbildungsministeriums um 5,4 Prozent kleiner ausfällt als dieses Jahr. Das entspricht einem Minus von rund 1,16 Milliarden Euro. Unter anderem sollen die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) schrumpfen. Studierendenverbände kritisieren das massiv und warnen vor sinkenden Bafög-Leistungen. Dem widersprach jedoch die Regierung. „Die Zahlen entsprechen der aktuellen Bedarfsprognose auf Basis der geltenden Rechtslage. Die Bafög-Leistungen werden also keineswegs gekürzt“, sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums. Da es sich um eine gesetzliche Leistung handele, erhalte „jeder einzelne Berechtigte seine Leistungen in vollem Umfang“. Die Regierung geht allerdings davon aus, dass künftig weniger Studierende, Fachschülerinnen und Fachschüler Bafög beziehen werden – und sie deshalb in Summe weniger Geld für Bafög ausgeben muss. Dabei stützt sich das FDP-geführte Haus auf eine Prognose des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT), das jährlich anhand eines statistischen Mikromodells die Zahl der Bafög-Empfängerinnen und -Empfänger vorausberechnet. Tritt die Prognose allerdings nicht ein, so befürchten die Verbände, könnten doch noch finanzielle Einschnitte drohen.

Pflege- und Krankenversicherung Als Konsolidierungsbeitrag fällt im Etat 2024 auch ein erst 2022 eingeführter Zuschuss für die Pflegeversicherung von einer Milliarde Euro weg. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte aber umgehend klar, dass es deshalb keine Leistungskürzungen geben werde. Konkret soll die Summe nicht in einen Pflegevorsorgefonds als Puffer für künftige Zeiten fließen. Hintergrund ist auch eine gerade erst in Kraft getretene Reform, die jährlich 6,6 Milliarden Euro mehr für die Pflege mobilisieren soll – und zwar durch höhere Beiträge, die seit 1. Juli fällig sind. Ohne die eine Milliarde im Vorsorgefonds drohen nun allerdings weitere Beitragserhöhungen für die Pflegeversicherung. Dies gilt auch für die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), denn der Steuerzuschuss für die GKV wird 2024 eingefroren.

Bundeswehr Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wurde vom Konsolidierungszwang als einziger ausgenommen. Dennoch ist er nicht zufrieden mit seinem Etat für 2024: Zehn Milliarden Euro mehr hatte er für die Bundeswehr gefordert, 1,7 Milliarden Euro hat er bekommen. Die Etaterhöhung für 2024 auf dann 51,8 Milliarden Euro sei zwar Ausdruck der „aktuellen finanzpolitischen Rahmenbedingungen“, erklärte das Ministerium. „Es ist klar, dass wir hier nicht stehen bleiben können“, betonte jedoch Pistorius. „Die Bundeswehr muss weiterhin modernisiert und vernünftig ausgestattet werden.“

Industrie Die energieintensive Industrie beklagt den Wegfall des so genannten Spitzenausgleichs bei der Energie- und Stromsteuer. Im Haushaltsentwurf sind die 1,7 Milliarden Euro dafür nicht mehr enthalten. Der Chemieverband VCI kritisierte, dies sei mitten in der Rezession ein weiterer Tiefschlag für die Industrie. Der Spitzensteuerausgleich ist seit Langem umstritten. Seine Kritiker halten ihn für eine umweltschädliche Subvention. Die Befürworter argumentieren, er trage dazu bei, dass Unternehmen im Wettbewerb trotz der hohen Energiekosten überhaupt bestehen könnten.

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