Neuer Koalitionsstreit um Bundeshaushalt Die Grünen meutern gegen Christian Lindners Sparvorgaben
Berlin · Finanzminister Christian Lindner will 2024 unbedingt die Schuldenbremse einhalten und hat seine Ministerkollegen aufgefordert, Kürzungsvorschläge zu präsentieren. Doch die Grünen wollen das Verfahren nicht mitmachen. Droht jetzt zusätzlich zum Heizungsstreit in der Koalition auch noch ein Haushaltsstreit vor der Sommerpause?
Die jüngsten Sparvorgaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP) für die einzelnen Ministerien im kommenden Jahr stoßen beim grünen Koalitionspartner auf Widerstand. „Ein Bundeshaushalt braucht am Ende die Zustimmung des gesamten Kabinetts“, sagte Grünen-Chefhaushälter Sven-Christian Kindler unserer Redaktion. „Notwendig ist jetzt ein gemeinsamer inhaltlicher Abstimmungsprozess zum Bundeshaushalt, der für alle drei Koalitionspartner zustimmungsfähig ist.“ Wie dieser Abstimmungsprozess organisiert werde – ob im Koalitionsausschuss der Partei- und Fraktionschefs oder in einer Kabinettsklausur – sei zweitrangig. Entscheidend sei, dass die Grünen das jüngste Manöver Lindners nicht akzeptierten.
Die Koalition will bei steigenden Zinsen, inflationsbedingten Mehrausgaben und geringem Wirtschaftswachstum die Schuldenbremse 2024 einhalten, weshalb den Ministerien weniger Geld als bisher geplant zur Verfügung stehen wird. Lindner hatte seinen Ressortkollegen daher vor einer Woche jeweils feste Ausgabensummen schriftlich vorgegeben, so genannte Plafonds. Der FDP-Chef hatte den Konsolidierungsbedarf mit insgesamt rund 20 Milliarden Euro beziffert. In seinen Schreiben forderte Lindner die Kollegen auf, innerhalb des vorgegebenen Rahmens Einsparvorschläge in ihren Etats zu unterbreiten. Ausgenommen davon hat er nur das Verteidigungsressort. „Dieses Verfahren wurde vorab mit dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler abgestimmt“, sagte eine Sprecherin Lindners. Am 5. Juli soll das Kabinett den fertigen Haushalt für 2024 beschließen.
Doch die Grünen wollen dieses Verfahren, dem Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) offenbar bereits zugestimmt hatte, laut Kindler nun doch nicht einfach hinnehmen. „Das Verteidigungsressort pauschal auszunehmen, ergibt keinen Sinn. Hier gibt es bei der Beschaffung für die Bundeswehr nachweislich erhebliche Ineffizienzen, die noch nicht beseitigt sind. Da versickert immer wieder zu viel Geld. Zudem ist der Großteil der 100 Milliarden Euro im Bundeswehr-Sondervermögen bisher nicht fest verplant“, sagte Kindler. „Wir sollten nicht zu Lasten von Programmen für die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, für ländliche Entwicklung, für Kultur oder bei Initiativen gegen Rechtsextremismus kürzen. Wer hier den Rotstift ansetzt, schwächt in diesen krisenhaften Zeiten unsere Demokratie und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion.
Lindner will vorrangig bei so genannten flexiblen, freiwilligen Ausgabenprogramme kürzen. Investitionen etwa in die Verkehrs- und Forschungsinfrastruktur hat er ebenso ausgenommen wie Ausgaben, die auf gesetzlichen Leistungsversprechen beruhen, etwa beim Bürgergeld. In den Etats der Grünen-Minister finden sich besonders viele freiwillige Ausgabenprogramme, etwa für Demokratieförderung, Kinder- und Jugendhilfe oder Umweltschutz. Die Grünen befürchten daher, dass ihre Ministerien von den Kürzungen überproportional betroffen sind.
Kindler forderte daher statt dessen Kürzungen bei umweltschädlichen Subventionen und nannte das steuerliche Dienstwagenprivileg. „Beim Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen sind großen Milliardensummen zu holen. Für fossile Dienstwagen muss die Pauschalbesteuerung deutlich angehoben werden.“ Wer das ablehne, könne ja alternativ die Besteuerung nach Fahrtenbuch auswählen. „Vom Dienstwagenprivileg profitieren maßgeblich Reiche und die Besitzer von schweren SUVs. Das Dienstwagenprivileg gehört endlich grundlegend sozial gerecht und ökologisch reformiert. Darüber hinaus gibt es viele weitere klimaschädliche Subventionen, die endlich abgebaut werden müssen.“
Beim Koalitionspartner SPD stieß Kindler auf wenig Verständnis, zumal die Koalition gerade unter Hochdruck versucht, ihren Streit über das Heizungsgesetz zu überwinden. Fortdauernde Unstimmigkeiten in der Ampel-Koalition kommen bei Wählerinnen und Wählern nicht gut an, wie jüngste Umfragen zeigen, in denen das Regierungsbündnis auf keine Mehrheit mehr kommt. Statt dessen ist die AfD stark im Aufwind.
„Es gibt zum Vorgehen von Herrn Lindner keine Alternative. Der Finanzminister musste allen Ressorts ein Ausgabenlimit geben, eine Decke einziehen. Vorschläge für Einsparungen müssen die Ministerien jetzt selbst machen, das ist ihr ureigenster Job“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Bundestags-Haushaltsausschusses, Bettina Hagedorn (SPD). „Wir haben vereinbart, dass wir 2024 die Schuldenbremse einhalten. Punkt. Da brauchen wir jetzt nicht länger zu diskutieren. Wenn einzelne Abgeordnete aus der Koalition jetzt aber weiter Nebelkerzen werfen, dann verlieren wir nur wertvolle Zeit, das ist unnötig wie ein Kropf“, sagte Hagedorn.