Nach dem Haushaltsurteil aus Karlsruhe Finanzministerium sperrt Bundeshaushalt 2023 in weiten Teilen

Berlin · Die Bundesregierung plagen nach dem Haushaltsurteil aus Karlsruhe Finanzsorgen. Das Finanzministerium hat Haushaltsmittel gesperrt – es geht dabei um Zusagen für kommende Jahre. Teile der Ampel-Koalition sehen ein Aussetzen der Schuldenbremse als Ausweg.

Bundesfinanzminister Christian Lindner am Donnerstag im Bundestag.

Bundesfinanzminister Christian Lindner am Donnerstag im Bundestag.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sperrt das Finanzministerium (BMF) zahlreiche Posten im Bundeshaushalt. „Das BMF stoppt die Verpflichtungsermächtigungen in 2023, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden“, hieß es am Montagabend aus Kreisen des Ministeriums, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Dies betreffe Etats aller Ministerien. Zuvor hatten auch der „Spiegel“, der „Tagesspiegel“ und die Nachrichtenagentur Reuters übereinstimmend berichtetet und sich auf Kostenpflichtiger Inhalt ein Schreiben von Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer bezogen.

Eine Verpflichtungsermächtigung gibt einer Verwaltung die Möglichkeit, bereits für künftige Jahre Zahlungsverpflichtungen einzugehen, etwa bei mehrjährigen Vorhaben. Aktuelle Ausgaben in diesem Jahr sind demnach nicht betroffen. Weiter hieß es, bestehende Verbindlichkeiten würden weiter eingehalten, es dürften nur keine neuen eingegangen werden. „In Ausnahmefällen können Verpflichtungsermächtigungen entsperrt werden.“

Das machte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Dienstagmorgen im ARD-„Morgenmagazin“ noch einmal deutlich. Der Schritt des Bundesfinanzministeriums bedeute nicht, dass der Staat keine Ausgaben mehr tätigen dürfe, sagte Kühnert. Der Stopp sogenannter Verpflichtungsermächtigungen besage, dass keine Zahlungsverpflichtungen für die Zukunft möglich seien. Der Staat könne aber alle seine aktuellen Leistungen bestreiten.

Aktuelle Ausgaben nicht betroffen

Aus dem Finanzministerium hieß es laut Reuters auf Anfrage, Verpflichtungsermächtigungen im laufenden Haushalt würden gestoppt, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden. Eine Verpflichtungsermächtigung gibt einer Verwaltung die Möglichkeit, bereits für künftige Jahre Zahlungsverpflichtungen einzugehen, etwa bei mehrjährigen Vorhaben. Aktuelle Ausgaben in diesem Jahr sind demnach nicht betroffen.

„Bestehende Verbindlichkeiten werden weiter eingehalten, es dürfen nur keine neuen eingegangen werden“, wurde betont. An anderer Stelle der Regierung wurde demnach ergänzend deutlich gemacht, dass es sich nicht um einen Alleingang von Finanzminister Christian Lindner (FDP) handele: „Es ist abgesprochen und sinnvoll.“

Nur Verfassungsorgane ausgenommen

In dem Schreiben Gatzers heißt es laut den Berichten: „Um weitere Vorbelastungen für künftige Haushaltsjahre zu vermeiden, beabsichtige ich daher, alle in den Einzelplänen 04 bis 17 und 23 bis 60 des Bundeshaushaltsplans 2023 ausgebrachten und noch verfügbaren Verpflichtungsermächtigungen mit sofortiger Wirkung zu sperren.“

Im Haushaltsplan des Bundes legen die sogenannten Einzelpläne die Mittel für verschiedene Einrichtungen fest. So gibt es beispielsweise einen Einzelplan für den Bundestag, ein weiterer Einzelplan bezieht sich auf den Bundesrechnungshof. Auch jedes Bundesministerium hat im Bundeshaushalt seinen eigenen Einzelplan. Die von Gatzer genannten Einzelplan-Ziffern beziehen sich auf die Bundesministerien sowie das Auswärtige Amt und das Bundeskanzleramt.

Gatzer verweist auf Paragraph 41 der Bundeshaushaltsordnung, der eine Haushaltssperre regelt. Mit den genannten Einzelplänen sind die Einzeletats aller Ministerien betroffen. Im Einzelplan 60 sind etwa der Klima- und Transformationsfonds und der 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm zur Dämpfung der Energiepreise angesiedelt. Ausgenommen sind laut der Aufzählung Verfassungsorgane wie Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht.

Ausnahmen in Einzelfällen möglich

Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich „für den Bundeshaushalt die Notwendigkeit der Überprüfung der haushaltswirtschaftlichen Gesamtlage“, schreibt Gatzer. Eine nach der Haushaltssperre von den Ministerien „begehrte Freigabe von Verpflichtungsermächtigungen (...) in besonderen Einzelfällen kann ich allenfalls im Falle eines schriftlich dargelegten sachlich und zeitlich unabweisbaren Bedarfs in Aussicht stellen“. Es werde dabei „ein besonders strenger Maßstab an den Nachweis eines solchen Bedarfs angelegt“.

Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung am Mittwoch 60 Milliarden Euro gestrichen, weil die Übertragung nicht genutzter Corona-Kredite auf den Klimafonds verfassungswidrig war. Das Geld fehlt der Regierung nun. Hinzu kommen weitere Klarstellungen des Gerichts zur Schuldenbremse im Grundgesetz und zur Rechtmäßigkeit von Krediten, die auch Folgen für den laufenden Haushalt 2023 und den geplanten Haushalt 2024 haben könnten. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte noch am Tag der Urteilsverkündung eine Haushaltssperre nur für den Klimafonds verfügen lassen.

An diesem Dienstag sollen Experten sollen Bundestag und Bundesregierung helfen, die Folgen des Karlsruher Haushaltsurteils richtig zu interpretieren. Der Haushaltsausschuss hört dazu Sachverständige an, die von den unterschiedlichen Fraktionen benannt wurden. Vor allem soll es darum gehen, ob trotz des Urteils der Haushalt für 2024 beschlossen werden kann.

(zim/peng/hebu/Reuters/dpa)
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