Großprojekte in Gefahr Krach in der Koalition wegen neuer Milliardenlücke vorprogrammiert

Berlin · Wegen der neuen Milliardenlücke in der Finanzplanung stehen der Koalition neue Konflikte ins Haus. Vor allem um die künftigen Verteidigungsausgaben wird wohl gestritten werden.

 Bundesfinanzminister Olaf Scholz (Archivbild).

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (Archivbild).

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Zwar plant Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) für den Haushalt 2020 noch mit einem Aufwuchs um 2,3 Milliarden Euro in den Bereichen Verteidigung und Entwicklungshilfe. Aber weil es bis 2023 unter anderem wegen geringerer Steuereinnahmen eine Lücke von knapp 25 Milliarden Euro gibt, sind danach bisher keine weiteren Aufstockungen eingeplant. Auch der SPD-Plan für die Grundrente könnte zur Debatte stehen, der für Geringverdiener, die 35 Jahre Beiträge gezahlt haben, ein Plus bis zu 447 Euro im Monat vorsieht.

Hier droht der größte Streit: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) besteht darauf, dass die Militärausgaben bis 2025 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen - das wären heute rund 50 Milliarden Euro. In diesem Jahr liegt der Verteidigungsetat bei 43,2 Milliarden Euro. „Die klare politische Vereinbarung steht: Für das Jahr 2025 1,5 Prozent“, sagte sie bei einem Besuch in Lettland.

Die Rolle Trumps: Nach scharfer Kritik gerade von US-Präsident Donald Trump an zu geringen Ausgaben des Nato-Partners Deutschland hatte die Regierung eine Steigerung auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zugesagt. Da die Wirtschaftsleistung - 2018 lag das BIP bei 3,38 Billionen Euro - in der Regel steigt, könnte das bis zum Zieljahr 2025 auch über 60 Milliarden Euro an Militärausgaben bedeuten. Finanzminister Scholz (SPD) dürfte da nicht mitmachen.

Warum sollen die Ausgaben so stark steigen: Die Nato hatte sich 2014 verständigt, dass sich Länder, die weniger als zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Rüstung und Militär ausgeben, bis 2024 auf den „Richtwert“ von zwei Prozent zubewegen sollten. Deutschland hat den BIP-Anteil seitdem von 1,18 auf 1,24 Prozent in 2018 erhöht. Im Koalitionsvertrag von 2018 ist zwar eine Steigerung der Ausgaben vereinbart. Die 1,5-Prozent-Marke hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aber erst kurz darauf als Ziel ausgegeben. Damit dürfte es bei der Aufstellung des Haushalts zu Knatsch kommen - für den 13. Februar ist ein Koalitionsausschuss von Union und SPD angesetzt worden.

Weiteres Problem: Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) dürfte Probleme bekommen, die sogenannte ODA-Quote zu erfüllen: Gemeint ist die Zusage Deutschlands, die Entwicklungshilfeausgaben, auch im Kampf gegen Fluchtursachen und eine Zunahme von Migration, zu steigern. Das international vereinbarte Ziel setzt die ODA-Quote bei 0,7 Prozent an, was Deutschland nur 2016 schaffte. 2018 lag sie bei 0,5 Prozent.

Gründe für die 25-Milliarden-Lücke: Zuletzt musste die Regierung die Erwartung für das Wirtschaftswachstum von 1,8 auf 1,0 Prozent nach unten korrigieren - man rechnet mit fünf Milliarden Euro weniger an Steuereinnahmen pro Jahr als bisher geschätzt. Viele Projekte der Koalition waren aber auf Basis besserer Prognosen auf den Weg gebracht worden. In den Vorjahren gab es sogar hohe Überschüsse, die in eine Rücklage zur Bewältigung der Flüchtlingskosten flossen. Diese „Asyl-Rücklage“ ist nun aber auch bereits komplett verplant, dennoch fehlen bis 2023 weitere 24,7 Milliarden Euro. Die Zeit drängt: Der Kabinettsbeschluss für den Etat 2020 sowie die Planung bis 2023 - und damit eine Einigung, wo gespart wird - soll am 20. März stehen.

Die „schwarze Null“ wackelt: Trotz Rekordsteuereinnahmen gerät der Bund unter Druck, die seit 2014 stets erreichte „schwarze Null“ zu schaffen, einen Haushalt ohne neue Schulden. Neue Ausgaben dürfen nach einer Mahnung von Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer nur noch durch Umschichtungen in den Etats getätigt werden. Neben Ausgaben für neue Projekte sind auch die Personalausgaben des Bundes ein Kostentreiber, sie können bis 2020 auf 35 Mrd. Euro steigen. Aber: Trotz der schlechteren Prognose werden die Steuereinnahmen des Bundes wohl nicht sinken, sondern nur langsamer steigen als erwartet.

Die Reaktionen: Die CDU sieht nun den Finanzminister am Zug. „Es muss jetzt einen Kassensturz geben“, sagte CDU-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg der „Passauer Neuen Presse“. „Wir müssen darüber reden, was finanziell geht und was nicht.“ Der FDP-Haushälter Otto Fricke warnt mit Blick auf weitere ungedeckte Schecks, etwa durch die Beschlüsse der Kohlekommission mit Milliardenhilfen für die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen, vor einer Finanzierungslücke von 80 Milliarden.

Grundrente-Blockade? Die Union könnte im Gegenzug Projekte der SPD-Ministerien blockieren. Etwa die von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) geplante Grundrente für Geringverdiener, die 35 Jahre lang Beiträge eingezahlt haben und die vier bis sechs Mrd. Euro kosten könnte. Auch wenn die Finanzierung auch wegen der Unions-Vorbehalte unklar ist, sicherte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Heil Unterstützung bei der Umsetzung des Konzepts zu. „Hubertus Heil hat meine Unterstützung“, versicherte Scholz am Dienstag beim Besuch der SPD-Landtagsfraktion in Stuttgart.

Dicke Brocken im Etat: Gatzer verweist in einer internen Vorlage für die anderen Ministerien auf einige neue teure Posten, die aber durchfinanziert sind. Das Entlastungsgesetz mit Steuerrabatten sowie die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für untere und mittlere Einkommen: 34,7 Milliarden Euro bis 2022. Zusätzliche Familienleistungen: 9,2 Mrd. Euro. Für die Erhöhung der Verteidigungs- und Entwicklungsausgaben sind insgesamt bisher rund 7,3 Mrd. Euro veranschlagt; für Bildung und Forschung 6,5 Mrd. Euro und für Wohnungspolitik 5,7 Mrd. Euro. Eng werden die Spielräume vor allem wegen schon beschlossener oder fest verabredeter Ausgaben der Koalition, die auch künftige Regierungen binden - wie das Baukindergeld, die Mütterrente und die Rente mit 63. Die Zeit der großen Gießkanne geht nun zu Ende: Die nächsten Wochen dürften für die Koalition recht munter werden.

(felt/dpa)
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