Florian Gerster sollte entlastet werden Bundesagentur für Arbeit: Beweise offenbar manipuliert
Berlin (RP). In der Affäre um Millionen-Aufträge hat die Bundesagentur für Arbeit durch nachträgliche Vermerke offenbar Beweise manipuliert. Fast alle Berater von Rang und Namen haben in Nürnberg einen Auftrag bekommen.
<P>Berlin (RP). In der Affäre um Millionen-Aufträge hat die Bundesagentur für Arbeit durch nachträgliche Vermerke offenbar Beweise manipuliert. Fast alle Berater von Rang und Namen haben in Nürnberg einen Auftrag bekommen.
In der Affäre um den Beratervertrag mit der Firma "WMP EuroCom" hat die Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) offenbar versucht, nachträglich Beweise zu manipulieren, um ihren Chef Florian Gerster zu entlasten.
Gerster hatte die vom Rechnungshof bemängelte Vergabe des Millionen-Auftrags ohne die vorgeschriebene öffentliche Ausschreibung mit einer besonderen Eilbedürftigkeit des Projekts gerechtfertigt. Um diese Behauptung zu untermauern, wurden in der BA nachträglich entlastende Vermerke gefertigt.
Nach Vorgesprächen Gersters mit WMP-Vorstand Bernd Schiphorst hatte der BA-Vorstand am 19. Februar 2003 entschieden, die Agentur für 1,2 Millionen Euro als Berater für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit anzuheuern. Der BA-Vorstand habe die Eilbedürftigkeit bestätigt, behauptete Gerster vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags.
Mit Datum 20. März 2003, also vier Wochen nach der Sitzung des BA-Vorstands, schrieb Gersters Büroleiterin Heike Arend einen Vermerk über den "Beschluss des Vorstands": Durch die "letzte Regierungserklärung" mit ihren geplanten Einschnitten beim Arbeitslosengeld sowie der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe werde die Situation "deutlich verschärft".
Diese Entwicklung und die sich daraus ergebende Marketing-Problematik "war nicht vorhersehbar", heißt es in dem Text, der der Rheinischen Post vorliegt. Die externe Unterstützung durch WMP "duldet daher keinen weiteren Aufschub", hielt Gersters Vertraute fest.
Seltsam nur: Jene Regierungserklärung, die angeblich so zur Eile antrieb, war zum Zeitpunkt des Vorstandsbeschlusses am 19. Februar noch gar nicht bekannt. Die Kanzlerrede zur "Agenda 2010" fand erst am 14. März 2003 statt. Der Vermerk aus Gersters Büro verfälscht somit nachträglich die Beratungsgrundlage des BA-Vorstands.
Ein weiterer Versuch, rückwirkend entlastende Schriftstücke zu konstruieren, kam aus dem "Zentralamt" der BA (Aktenzeichen 1700 vom 20. März 2003). In dem Vermerks-Entwurf, der der Rheinischen Post ebenfalls vorliegt, wird die große Eilbedürftigkeit der Sache sowie die besondere Eignung der Firma WMP hervorgehoben, was in den Satz mündet: "Ich schlage vor, die Fa. WMP EuroCom AG mit der Beratungstätigkeit zu beauftragen."
Freilich findet sich an dieser Stelle die handschriftliche Warnung eines anderen Mitarbeiters: Die Formulierung "Ich schlage vor" könne nicht stehen bleiben, da die Auftragsvergabe an WMP doch schon längst "vom Vorstand entschieden worden ist". Der plumpe Versuch der nachträglichen Konstruktion einer "ordentlichen" Auftragsvergabe ging offenbar auch BA-Mitarbeitern gegen den Strich.
Ohnehin wundern sich Mitarbeiter, wie viele Berater sich in Nürnberg die Klinke in die Hand geben: Roland Berger, Bearing Point, Ernst&Young, IBM und McKinsey. Neben rund 70 Beraterverträgen für IT-Projekte gibt es offenbar 20, die sich mit dem Umbau der BA beschäftigen. Insgesamt gibt die BA in diesem Jahr 40 Millionen Euro für Berater aus - 25 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die einen nahmen in der Zentrale den höheren Dienst unter die Lupe, "Management Audit" hieß das.
Generell mag man es jetzt lieber Englisch: Statt von Referatsleitern ist nun häufig von "Seniors" die Rede. Zugleich verordnete McKinsey der Zentrale einen Radikal-Umbau. In dem Aufbauplan wimmelt es von operativen Steuereinheiten, Produktentwicklern und Projektbüros. Dass der Plan für die Arbeitsverwaltung geschrieben wurde, sieht man ihm kaum an. "Dahinter könnte sich auch eine Gurkenfabrik verbergen. Wahrscheinlich haben die ihre Standard-Industrie-Organisation abgeliefert", spotten Mitarbeiter.
Inzwischen ist auch der Verwaltungsrat der BA alarmiert. Das Gremium beauftragte die Innenrevision, alle Beraterverträge zu überprüfen. Arbeitgeber-Vertreter Peter Clever warnte zwar vor einer Hetze, äußerte aber auch Verständnis für die Forderung der Opposition, Gerster wegen WMP aus dem Amt zu nehmen. Gersters Sprecherin kündigte an, die BA werde öffentlich machen, mit wem sie kooperiert. Derweil will der Bundesrechnungshof den Verfügungsfonds Gersters prüfen, aus dem er Repräsentations-Ausgaben zahlt.