Interview Bütikofer: Krippenplätze nicht mit Kindergeld finanzieren

Berlin (RP). Grünen-Chef Reinhard Bütikofer hat die SPD im Interview mit unserer Redaktion davor gewarnt, das Kindergeld für die Finanzierung der Krippenplätze einzusetzen. Zudem hält er die Kapitalismuskritik des ehemaligen RAF-Mitglieds Christian Klar für "dämlich".

Hatte Franz Müntefering Recht, als er gesagt hat: "Opposition ist Mist?”
Bütikofer: Opposition macht derzeit Freude, weil ich in der Klima- und Energiedebatte eine große Chance sehe. Wir haben Resonanz weit über den Bereich der Menschen hinaus, die in der Vergangenheit für diese Frage erreichbar waren. Jetzt ist ein Sinneswandel nötig und möglich, um den Klimawandel zu begrenzen.

Sie wollen nicht zurück an die Regierung?
Bütikofer: (lacht) So boshaft bin ich nicht gegenüber der Mehrheit der Deutschen, dass ich sage: "Ihr sollt weiter von einer großen Koalition malträtiert werden.” Beispiel Umweltschutz: Die große Koalition redet zwar vom Klimawandel, doch steht sie bei jeder einzelnen Frage auf der Bremse - beim Emissionshandel, beim Wettbewerb in den Stromnetzen, bei der Frage der Effizienzstandards der Automobilbranche um nur einige Beispiele zu nennen. Das können wir Grüne besser.

Wo gibt es denn eine Chance, wieder Macht zu erlangen?
Bütikofer: Wir kämpfen natürlich in jedem einzelnen Landtagswahlkampf, der bis 2009 vor uns liegt, darum, die Chancen zu nutzen. Im Frühjahr in Bremen stehen alle Zeichen auf Zuwachs für die Grünen. Dann wird sich zeigen, ob die SPD lieber in der völlig steril gewordenen großen Koalition erstarrt bleibt oder ob sie sich auf einen Aufbruch einlässt. Die Hamburger SPD macht es mit ihrem hausgemachten Durcheinander jedem schwer, sie als Partner anzusehen.

Wie sieht es mit schwarz-grünen Bündnissen aus?
Bütikofer: Generell gilt: Wo es in den Ländern eine konkrete Option dafür gibt, werden wir sie auch ausloten. Vor einem Jahr in Baden-Württemberg gab es diese Option. Das ist an der Uneinigkeit der CDU und an der Schwäche von Herrn Oettinger gescheitert. Wir hätten uns getraut.

War angesichts der aktuellen Klimadebatte der Fünf-Mark-Benzin-Beschluss der Grünen '98 wegweisend?
Bütikofer: Das Thema war richtig, aber der Beschluss falsch, weil er die Notwendigkeit, ökologische Verantwortung zu übernehmen, und den Respekt vor dem einzelnen Bürger, seinem Lebensstil und seiner sozialen Lage in einen Gegensatz gebracht hat. Erfolgreiche Umweltpolitik ist eine Politik, die Menschen ein Angebot macht, ihren eigenen Lebensstil zu ökologisieren. Ökologisierung und Freiheit sind kein Gegensatz.

Wie geht das?
Bütikofer: Ohne Sinneswandel gar nicht. In allen Bereichen. Erneuerbare Energie muss wachsen. Neue Kohlekraftwerke sind tabu. Wir brauchen ein Tempolimit von 120 auf Autobahnen. Wir müssen die Steuerprivilegien im Luftverkehr beseitigen. Im Bereich der Elektrogeräte sollten wir Japan als Vorbild nehmen. Dort muss das energie-effizienteste Gerät, das auf dem Markt ist, in seinen Standards binnen fünf Jahren von Produkten anderer Firmen auch erreicht werden. Das ist ökologisch sinnvoll, und der Wettbewerb führt dann in die richtige Richtung.

Haben Sie einen Vorschlag, wie die Regierung die Kinderbetreuung bezahlen kann?
Bütikofer: Ja, den haben wir. Ich halte es für falsch, dafür die nächste Kindergelderhöhung auszusetzen. Nach einem Beschluss des Verfassungsgerichts muss eine erhöhte Mehrwertsteuer auch eine Erhöhung des Kindergeldes nach sich ziehen. Das kann man nicht ignorieren. Ich bin aber dafür, das Ehegattensplitting zu reformieren. Es kann auf ein Realsplitting begrenzt werden, wonach höchstens 10.000 Euro auf den Ehepartner übertragen werden können. Mit der Abschmelzung des Splittings sind Einnahmen von fünf Milliarden Euro möglich, die dann für die Kinderbetreuung eingesetzt werden können.

Kann der Bundespräsident das ehemalige RAF-Mitglied Christian Klar nach seinen Äußerungen noch begnadigen?
Bütikofer: Ich spekuliere nicht über die Entscheidungen des Bundespräsidenten. Mir widerstrebt allerdings, dass auf bestimmte Äußerungen von Herrn Klar hysterisch reagiert wird. Die Frage, ob er begnadigt werden kann, hängt nicht daran, ob er eine antikapitalistische Haltung hat. Was Klar in seinem Beitrag gesagt hat, halte ich allerdings für ziemlich dämlich. Die Tiraden von Inge Viett sind völlig inakzeptabel.

Sehen Sie Reue als Voraussetzung für eine Begnadigung?
Bütikofer: Wäre ich Bundespräsident, hätte ich das zu wägen. Ich werde dem Bundespräsidenten aber keine Ratschläge erteilen.

Wie bewerten Sie, dass das Land Baden-Württemberg eine Hafterleichterung verweigert hat?
Bütikofer: Der baden-württembergische Justizminister Goll, der ja Mitglied der FDP ist, hat gezeigt, dass er Anhänger einer illiberalen Gesinnungsjustiz ist.

Aus Klars weitem Umfeld sind auch Menschen gekommen, die die Grünen mitgeprägt haben. Wäre Klar heute bei den Grünen willkommen?
Bütikofer: Das ist eine seltsame These, die Sie da wagen. Bei der Grünen-Gründung war die Absage an Gewalt ein entscheidender Trennstrich zu Teilen der Linken. Klar wird kaum einen Aufnahmeantrag bei uns stellen. Er gehört eher zu denen, die uns für Beteiligte eines Systems halten, das sie ablehnen.

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