Ampel und Union streiten über Sozialreform Sozialverband VdK nennt Verzögerung beim Bürgergeld „schäbig“

Berlin/Düsseldorf · Der Sozialverband Vdk kritisiert das politische Fingerhakeln zwischen Ampel und Union beim Bürgergeld: Es gehe zu Lasten der Menschen, die auf die Sozialreform warten würden. Und Nordrhein-Westfalens Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) empfiehlt die Einschaltung des Vermittlungsausschusses.

 Verena Bentele, von Geburt an blind und ehemalige Biathletin, ist Präsidentin des Sozialverbands VdK.

Verena Bentele, von Geburt an blind und ehemalige Biathletin, ist Präsidentin des Sozialverbands VdK.

Foto: dpa

Der Sozialverband VdK hat den politischen Streit um das Bürgergeld zwischen der Ampel-Koalition und der Union scharf kritisiert. „Es wäre schäbig, wenn die Einführung des Bürgergeldes im Bundesrat weiter verzögert oder gar gestoppt würde. Weil die Koalition das Bürgergeld auf den Weg bringen wollte, gab es bei den Hartz-IV-Regelsätzen keinerlei Anpassungen mehr“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele unserer Redaktion. „Sieben Millionen Menschen in der sozialen Mindestsicherung wissen nicht mehr ein noch aus. Bei ihnen ist die Belastungsgrenze schon lange überschritten. Das Bürgergeld muss kommen, und zwar wie geplant zum 1. Januar. Es wäre menschenunwürdig, sie noch länger warten zu lassen.“

Die Ampel hat die Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar am Donnerstag im Bundestag beschlossen, die Reform bedarf jedoch noch der Zustimmung im Bundesrat. Hier hat die Union eine Blockade angekündigt, wenn am kommenden Montag die Ländervertreter zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Die Bundesregierung hat für diesen Fall die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus Bundestag und Bundesrat angekündigt. Die Union und die von ihr regierten Länder kritisieren vor allem die Lockerung von Sanktionen bei Regelverstößen sowie die erhebliche Erhöhung des so genannten Schonvermögens, das Bezieher künftig behalten können. Zudem wird auch die Prüfung der Angemessenheit der Wohnung in den ersten beiden Jahren ausgesetzt.

Bentele betonte, aus Sicht des VdK reiche auch die künftige Höhe des Bürgergeldes von 502 Euro monatlich nicht aus. „Die Regelsätze müssen so gestaltet werden, dass sie für Essen, Wohnen, Kleidung und soziale Teilhabe reichen, gerade auch in Krisenzeiten.“

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), hat die hohe Bedeutung des neuen Bürgergeldes insbesondere für viele Menschen in Ostdeutschland betont. „Das neue Bürgergeld ist gerade in Ostdeutschland für viele Menschen von großer Bedeutung und ein wichtiger sozialpolitischer Schritt in schwieriger Zeit. Die Erhöhung der Regelsätze auf 502 Euro ist angesichts teils dramatisch gestiegener Lebenshaltungskosten und hoher Inflation eine wichtige Maßnahme, die sehr vielen Menschen und Familien in Ostdeutschland in ihrem Alltag hilft“, sagte Schneider.

„Außerdem schafft das Bürgergeld für viele Langzeitarbeitslose in Ostdeutschland eine stabile Brücke in die Arbeitswelt, da das Gesetz den bisherigen Vermittlungsvorrang abschafft und statt dessen klare Anreize für Qualifizierungsmaßnahmen und das Nachholen einer Ausbildung setzt. Das ist für Ostdeutschland von besonderer Bedeutung, da hier der Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel in den Betrieben am stärksten spürbar ist“, sagte Schneider. „Gerade auch weil in Ostdeutschland viele Menschen von den Bürgergeld-Regelungen profitieren, verstehe ich nicht, wie manche bei CDU/CSU gerade versuchen, Geringverdiener gegen Bedürftige und Leistungsempfänger auszuspielen. Das ist ein unverantwortliches taktisches Spiel auf dem Rücken sehr vieler Menschen in Ostdeutschland“, sagte der SPD-Politiker.

Auch NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) forderte unterdessen die Einschaltung des Vermittlungsausschusses. „Meiner Auffassung nach besteht noch Nachbesserungsbedarf beim Bürgergeld. Es ist derzeit doch so: Das heute vom Bundestag beschlossene Bürgergeld wird mit hoher Wahrscheinlichkeit im Bundesrat keine Mehrheit finden. Am Ende muss aber ein politischer Kompromiss her. Eine Lösung, mit der alle irgendwie leben können. Genau für solche Fälle gibt es ein Gremium, den Vermittlungsausschuss“, sagte Laumann unserer Redaktion Der Ausschuss sei dafür da, einen Konsens zu finden. „Und der muss dann in einem solchen Fall auch einfach mal genutzt werden.“

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