Zweifel an Merkels Entscheidung Brüssel wundert sich über Oettinger

Stuttgart/Berlin (RPO). Angela Merkels Entscheidung, den Ministerpräsidenten Günther Oettinger als deutschen EU-Kommissar nach Brüssel zu schicken, sorgt in Brüssel für Irritationen. Hinter vorgehaltener Hand herrschen Überraschung und Unverständnis. "Was soll das?", soll sich selbst Kommissionschef Manuel Barroso nach Oettinger erkundigt haben.

 Stefan Mappus (

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Foto: AP, AP

Fest steht: Die Berufung des baden-württembergische Ministerpräsidenten nach Brüssel gehörte zu den großen Überraschungen der schwarz-gelben Neuaufstellung. Oettinger soll in Brüssel Nachfolger von Günter Verheugen (SPD) werden, der Ende Oktober aus der EU-Kommission ausscheidet. Der Ministerpräsident sprach von einer Aufgabe, die er nicht ablehnen könne. Der 56-Jährige kündigte an, sein Aufgabengebiet solle die Wirtschaft sein. Wann der Auftrag aus Brüssel komme, sei aber noch unklar. Erste Entscheidungen dazu sollten in der kommenden Woche fallen.

Auffallend viel Lob

Die CDU-Granden sind voll des Lobes über Oettinger. "Er wird ein politisches Schwergewicht in Brüssel sein", sagte Merkel. Unions-Fraktionschef Volker Kauder wertete in der Nominierung Oettingers eine "exzellente Lösung für Brüssel". Bundesbildungsministerin Annette Schavan sprach von einer "guten Entscheidung", Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) von einem überraschenden Vorschlag mit "Charme".

Andernorts ist oft die Vokabel "weggelobt" in Gebrauch. Oettinger war oft als Gegenspieler und Quertreiber aufgefallen. Zudem hat sich Oettinger den Ruf eines Luftikus' erworben. Legendär die peinliche Aufnahme, die den amtierenden Ministerpräsidenten auf einer Party mit einer aus Teesieben gebastelten Brille zeigte.

Pleiten, Pech und Pannen

Das Verhältnis zur Kanzlerin gilt spätestens seit der Affäre um den ehemaligen Ministerpräsidenten Hans Filbinger als angespannt. Oettinger hatte 2007 den NS-Richter in einem Nachruf als Widerstandskämpfer gerühmt, obwohl der als NS-Richter Todesurteile verhängt hatte. Erst nach Intervention der Kanzlerin ruderte Oettinger zurück. Die jüngste Episode der Serie an Pleiten, Pech und Pannen in der Biographie von Günther Oettinger spielt sich ausgerechnet im Bundestagswahlkampf ab: der Ministerpräsident brachte ohne Not eine höhere Mehrwertsteuer ins Gespräch und sorgte damit für heftige Turbulenzen in der Öffentlichkeit. Bei der Bundestagswahl erzielte Oettinger dann das schlechteste Zweitstimmenergebnis der Landesgeschichte.

Nun also soll Oettinger aus der Schusslinie und nach Brüssel. Die Reaktionen rund um die EU-Hauptstadt fallen zwiespältig aus. Der Vize-Fraktionschef der EVP im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), prognostizierte, Oettinger werde "ein wahrnehmbares Europa-Gesicht in Deutschland werden und ein starkes deutsches Gesicht in der EU". Der Ex-Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), nannte den Schwaben einen engagierten und überzeugten Europäer.

Kommissionspräsident Barroso soll sich dagegen nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" telefonisch bei deutschen Europapolitikern nach der Personalie erkundigt haben. Dabei habe er sein Unverständnis über die Entscheidung der Kanzlerin zum Ausdruck gebracht. In einem Telefonat habe der EU-Kommissionspräsident gefragt: "Was soll das?"

Reicht es überhaupt für eine Mehrheit?

Deutsche Europaparlamentarier bezweifeln, dass Oettinger im Europaparlament automatisch die erforderliche Mehrheit für den Posten eines EU-Kommissars erhält. "Oettingers Bestätigung ist kein Selbstläufer", sagte der FDP-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff der "Financial Times Deutschland". Auch der SPD-Politiker Martin Schulz, der im Europaparlament mit den Sozialisten die zweitstärkste Fraktion anführt, äußerte sich zurückhaltend. "Im Gegensatz zu anderen CDU-Politikern in Brüssel und Berlin ist Oettinger bei Europafragen bislang nicht aufgefallen", sagte Schulz der Zeitung.

Seine Fraktion werde Oettinger bei den Anhörungen nicht aufgrund seiner Parteizugehörigkeit bewerten, sondern ausschließlich aufgrund seiner Fähigkeiten, sagte Schulz. Die Anhörung werde eine "schwierige Sache" für ihn, doch er bekomme eine "faire Chance".

Wie alle Kandidaten für einen Kommissarsposten muss sich Oettinger Anhörungen im Europaparlament stellen. Bei den vergangenen Anhörungen im Jahr 2004 hatten die Abgeordneten den Italiener Rocco Buttiglione und die Lettin Ingrida Udre durchfallen lassen. Der Ungar Laszlo Kovacs musste auf Druck der Parlamentarier das einflussreiche Energieportfolio gegen das deutlich weniger einflussreiche Steuerdossier eintauschen.

(DDP/pst)
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