Interview mit dem FDP-Fraktionschef Brüderle: Ich schätze Steinmeier

Berlin · FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle über die Krise der FDP vor dem am Samstag beginnenden Bundesparteitag in Karlsruhe, die Abschaffung der Praxisgebühr und über sein Verhältnis zu seinem SPD-Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier

Das ist die FDP-Kampagne für die Landtagswahl
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Welches Signal soll vom FDP-Parteitag ausgehen?

Brüderle Dass die FDP an ihren Kernpositionen festhält und geschlossen ist. Wir stehen für eine Politik der Freiheit und der Eigenverantwortung. Wir halten an einer Trennung von Staat und Privat fest und setzen uns für Bürgerrechte ein. Die Zukunftsprobleme lassen sich mit einem liberalen Ansatz am besten lösen. Und wir stehen geschlossen hinter unseren Spitzenkandidaten in NRW und Schleswig-Holstein, Christian Lindner und Wolfgang Kubicki.

Die beiden profilieren sich gegen die Bundespartei. Schwelt ein Richtungsstreit zwischen den sozialliberalen Ansätzen von Kubicki und Lindner und der "Brot-und-Butter"-FDP im Bund mit Rösler und Ihnen?

Brüderle Nein, ich sehe keinen Gegensatz. Wir konzentrieren uns alle gemeinsam auf unsere Kernpositionen: Soziale Marktwirtschaft, Bürgerrechte und Bildungspolitik. Mit links und rechts oder christlich-liberal oder sozialliberal hat das nichts zu tun. Wir setzen uns für einen Liberalismus ohne Bindestrich ein. FDP pur.

Es geht auch um eine Machtfrage. Die NRW-FDP liebäugelt mit einer Ampel-Koalition. Können Sie sich mit dem Gedanken anfreunden?

Brüderle Wir betreiben keine Farbenspiele, und was in den Ländern geschieht, entscheiden die Landesverbände. Die inhaltlichen Überschneidungen zwischen Union und FDP sind immer noch am größten.

Sie treffen im Bund doch auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zum Gespräch.

Brüderle Warum auch nicht? Ich habe keine Berührungsängste, mit Demokraten zu sprechen, selbstverständlich auch nicht mit Sozialdemokraten. Ich schätze Frank-Walter Steinmeier. Ich war in Rheinland-Pfalz viele Jahre Mitglied einer sozialliberalen Koalition. Und da haben wir gute Politik gemacht. Das wäre mit der jetzigen SPD im Bund aber so nicht möglich. Leider entfernt sie sich immer weiter von Schröder und Steinmeiers Agenda 2010. Ich möchte die erfolgreiche Zusammenarbeit mit meinen Kollegen von der Union, Gerda Hasselfeldt und Volker Kauder, fortsetzen. Die Koalition funktioniert. Dem Land geht es gut. Das haben nun auch die führenden deutschen Wirtschaftsforscher bestätigt.

Ist das Thema Wachstum von Parteichef Philipp Rösler das richtige?

Brüderle Wachstum ist ja kein Selbstzweck, sondern Mittel, um andere Ziele zu erreichen. Wir brauchen Wachstum, um Bildungsinvestitionen, Innovationen und Umweltschutz zu finanzieren. Wachstum ist Voraussetzung dafür, dass Deutschland wettbewerbsfähig bleibt. Wir kennen das aus der Natur. Wenn Pflanzen nicht wachsen, sind sie tot.

Ihr Parteifreund Kubicki kann mit dem Begriff nichts anfangen und lästert über "Haarwachstum".

Brüderle Wolfgang Kubicki spricht gerne bildreich. Aber auch er will Wachstum, gerade für Schleswig-Holstein. Ich verstehe ihn übrigens, weil auch ich das Problem Haarwachstum kenne.

Philipp Rösler steht angesichts der schlechten Umfragen in der Kritik. Ist der neue Parteichef schon nach einem Jahr irreparabel beschädigt?

Brüderle Nein. Ich unterstütze ihn. Wir werden in Karlsruhe keine Personaldebatte führen. Mit Patrick Döring als Generalsekretär und Otto Fricke als Bundesschatzmeister stehen hervorragende Leute zur Wahl. Weitere Personalfragen stehen nicht auf der Tagesordnung.

Was, wenn einige Landesverbände Sie zum Vorsitz drängen wollen?

Brüderle Ich bin bereits Vorsitzender. Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. Das Amt führe ich mit Freude und Engagement aus.

Die Sozialkassen sammeln Milliardenüberschüsse, die Steuereinnahmen sprudeln. Wann entlastet die FDP die Bürger?

Brüderle Es stimmt, dass die Situation in den Sozialkassen dank der positiven wirtschaftlichen Entwicklung gut ist. Sozialversicherungen sind aber keine Sparkassen. Das Geld gehört den Beitragszahlern. Deswegen gehe ich davon aus, dass die christlich-liberale Koalition eine Lösung finden wird, die Bürgerinnen und Bürgern zu Gute kommt. Ich bin für eine Abschaffung der Praxisgebühr, weil dies die Menschen sofort spürbar entlastet und gleichzeitig ein wirkungsloses und bürokratisches Instrument abgeschafft wird.

Michael Bröcker führte das Gespräch.

(RP/csr/jh-)
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