Minister Seehofer reagiert Bremer Asyl-Behörde stillgelegt

Bremen/Düsseldorf · Bundesinnenminister Seehofer zieht die Konsequenz aus massenhaft falschen Bescheiden. Auch Entscheidungen in Bonn und Dortmund werden wegen Auffälligkeiten überprüft.

 Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU, Archiv).

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU, Archiv).

Foto: dpa, nie,jbu

Als Konsequenz aus zahlreichen falschen Asylbescheiden hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit sofortiger Wirkung die Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) aus dem Verkehr gezogen. Das Vertrauen in die Qualität der Asylverfahren und die Integrität des Ankunftszentrums sei in Bremen "massiv geschädigt" worden, sagte Seehofer. Er habe entschieden, dass bis zum vollständigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens und weiterer Untersuchungen in Bremen keine Asylentscheidungen mehr getroffen werden dürfen.

Bonn, Dortmund und Bad Berleburg

Das Ergebnis einer Überprüfung von 4568 Asylverfahren bestand dem Innenministerium zufolge darin, "dass im Ankunftszentrum Bremen bewusst gesetzliche Regelungen und interne Dienstvorschriften missachtet" worden seien. Bereits im Sommer 2014 sollen intern erste Unregelmäßigkeiten in Bremen erkannt worden sein, ab Anfang 2017 zog die Affäre immer größere Kreise, bis im April dieses Jahres öffentlich bekannt wurde, dass die frühere Außenstellen-Leiterin Ulrike B. unter dem Verdacht der Bestechlichkeit und bandenmäßiger Verleitung zu missbräuchlicher Asylantragstellung steht. Über 1200 Anträge sollen dort ohne ausreichende Grundlage positiv beschieden worden sein. Nach einer durch ihre Behörde in letzter Minute gestoppten Abschiebung einer jesidischen Familie wurde Ulrike B. am 21. Juli 2016 als Außenstellenleiterin abgesetzt. Bamf-Chefin Jutta Cordt lässt inzwischen 18.000 Bescheide in Bremen unter die Lupe nehmen und schaut sich zehn weitere Außenstellen ebenfalls genauer an. Darunter sind die Dienststellen in Bonn, Dortmund und Bad Berleburg.

Durch eine Strafanzeige gegen Cordt und durch Vorwürfe gegen Seehofer hat sich der öffentliche Druck auf die Hauptakteure massiv erhöht. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass Cordt "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" geleistet haben könnte. Der Innenausschuss des Bundestags kommt nächste Woche zu einer Sondersitzung zusammen, an der auch Seehofer und Cordt teilnehmen wollen.

Kritik an Seehofer

Die Grünen kritisierten, dass Seehofer den Bericht zur Qualitätssicherung unter Verschluss hält. "Er muss dem Innenausschuss umgehend vorgelegt werden", sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz unserer Redaktion. Es blieben zudem Fragen bezüglich der anderen auffälligen Außenstellen. "Insgesamt bleibt unklar, wie Horst Seehofer die rechtsstaatliche Zuverlässigkeit der Asylverfahren wiederherstellen will", sagte von Notz.

Die FDP sieht sich durch den Entscheidungsstopp für die Bremer Asylbehörde in ihrer Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bestätigt. "Offenbar geht Innenminister Seehofer von strukturellen Fehlern in der Behörde aus, sonst würde er ihr nicht jede Entscheidung verbieten", sagte FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann unserer Redaktion.

Das Parlament müsse nun untersuchen, wie es zu diesen strukturellen Mängeln gekommen und warum sie im Rahmen der Aufsicht durch das Innenministerium nicht früher aufgefallen seien, so Buschmann.

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) begrüßte die Entscheidung Seehofers. Bremen sei durch die "offensichtlich rechtswidrige Praxis" ein Schaden in Millionenhöhe entstanden. Das Vertrauen des Bundeslandes in das Bamf sei "schwer erschüttert". Eine weitere Zusammenarbeit könne er sich ohne grundlegende Veränderungen nur schwer vorstellen. Die zwischenzeitliche neue Leiterin in Bremen, die verschiedene Warnhinweise über die dortigen Zustände an das Innenministerium zu geben versuchte, ist inzwischen ebenfalls versetzt worden.

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