Wahlkampf Braucht es ein Digitalministerium nach der Bundestagswahl?

Berlin · Union und FDP sprechen sich für ein eigenes Digitalministerium aus, die anderen Parteien bleiben vage. Digitalexperten sprechen sich klar für ein solches Ressort aus - und verweisen auf bestehende Defizite an vielen Stellen.

 Mit iPads im Matheunterricht - Schule ist nur einer von vielen Bereichen, in denen Experten großen Nachholbedarf bei der Digitalisierung sehen.

Mit iPads im Matheunterricht - Schule ist nur einer von vielen Bereichen, in denen Experten großen Nachholbedarf bei der Digitalisierung sehen.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Forderung nach einem Digitalministerium ist an sich nicht neu, und doch wird sie in diesem Wahlkampf erneuert. So beteuerte jüngst der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet (CDU), nach der Bundestagswahl ein solches aus der Taufe heben zu wollen. Mit Blick auf die bislang auf mehrere Ressorts verteilten Digitalkompetenzen sagte der NRW-Ministerpräsident: „Ich glaube, wir müssen das bündeln zu einem echten Digitalisierungsministerium, wo die Kompetenz da ist, in allen unterschiedlichen Bereichen zu wirken.“

Die Forderung nach einem eigenen Digitalministerium hat die Union auch in ihrem Wahlprogramm verankert. Bis 2025 soll ein flächendeckendes 5G-Netz in Deutschland entstehen und insgesamt 15 Milliarden Euro für Gigabit-Netze bereitgestellt werden. Auch die FDP will ein eigenes Ministerium; andere Parteien rufen digitalpolitische Ziele aus, halten sich bei der strukturellen Umsetzung bedeckt. Ein konkreter 100-Tage-Plan für diesen Bereich findet sich nirgendwo.

Die Staatsministerin im Kanzleramt, Dorothee Bär (CSU), betont auf Anfrage unserer Redaktion,  man wolle ein eigenes Bundesministerium für digitale Innovationen und Transformation schaffen, „damit unser Land effizient die digitalen und technologischen Herausforderungen bewältigt und die Modernisierung des Staates zentral koordiniert wird“. Es solle eine Umsetzungseinheit für konkrete digitalpolitische Projekte sein, wie beispielsweise für die Corona-Warn-App oder den elektronischen Personalausweis; also eine zentrale politische Steuerungsstelle werden, die die Modernisierung des Staates und der Verwaltung vorantreiben und a ußerdem „eine Vorbild- und Testfeldrolle innerhalb der Bundesregierung durch den Einsatz neuer Arbeitsmethoden und Technologien“ einnehmen solle, so Bär.

Die Staatsministerin weist auf einen weiteren Aspekt hin: Auch die „Digitalisierungstauglichkeit“  von Gesetzen müsse künftig im Fokus stehen. „Wir werden einen Digital-TÜV vor die Gesetzesberatung setzen“, kündigt die CSU-Politikerin an. Die zentrale Koordination dafür werde das neue Ministerium übernehmen. Es brauche einen klar definierten Aufgaben- und Arbeitsbereich sowie eine eigenständige Budgethoheit. Bär fordert „eine Zusammenarbeit in der Bundesregierung, die klare Verantwortlichkeiten definiert, aber in den dringlichsten, gemeinsam definierten Reformbereichen auch eine kraftvolle Umsetzung ermöglicht“. Das Ressortprinzip „in seiner starren Form“ müsse begrenzt werden.

 Verena Pausder ist Unternehmerin und Expertin für digitale Bildung. Die Start-Up-Gründerin macht sich seit langem Gedanken über die Verbindung von Digitalisierung und Politik. Auch sie plädiert dringend für ein übergreifendes Ressort: „Wir brauchen in der nächsten Legislatur ein Digitalministerium, denn den dezentralen Ansatz haben wir jetzt lange genug probiert und er hat nicht funktioniert.“ Damit dieses Ministerium nicht nur Symbolpolitik bleibe, sei es wichtig, „dass eine ‚ausschließliche Gesetzgebungskompetenz’ des Bundes bei Digitalfragen festgeschrieben wird, damit klar ist, wer den Hut aufhat“, betont Pausder.

Ihr Name wird immer wieder ins Spiel gebracht, wenn es um neue Kompetenzen in der Politik im Bereich Digitales und Bildung geht. Die Unternehmerin kritisiert, dass in den vergangenen vier Jahren zu wenig passiert sei. Vom Digitalpakt Schule, mit dem der Bund die Länder bei Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur unterstützt, etwa seien weniger als 20 Prozent abgerufen worden. Die modernste digitale Verwaltung Europas, von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bis 2021 ausgerufen, lasse auf sich warten. „Und beim Ausbau des Glasfasernetzes bleiben wir weit hinter den Versprechen der Wahlprogramme aus 2017 zurück“, so Pausder. Die Union habe bis 2025 ein bundesweites Glasfasernetz angekündigt, die SPD eine 90-prozentige Abdeckung versprochen. „Wir sind heute in 2021 bei 10 Prozent - wir kommen einfach nicht voran“, kritisiert sie.

Pausder verweist auf eine Studie des Weltwirtschaftsforums, wonach 65 Prozent der heutigen Grundschulkinder später in Jobs arbeiten werden, die es heute noch nicht gibt. „Medienmündigkeit und Digitalkompetenz sind entscheidend, damit unsere Kinder nicht nur digitale Konsumenten, sondern vor allem Gestalter einer zunehmend digitalen Welt werden“, so die Digitalexpertin. Um digitale Bildung in Schulen möglich zu machen, müsse der Ausbau der Hard- und Software eine der Top-Prioritäten werden, an denen sich das Digitalministerium messen lassen müssen. Sie plädiert dafür, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern zu modernisieren, um über den Digitalpakt hinaus zusammenarbeiten zu können.

Das sind politisch dicke Bretter. Doch Veränderung tut Not: Laut einer Umfrage des Verbandes der Internetwirtschaft sind über 70 Prozent der Befragten in keinem Bereich mit der Digitalpolitik hierzulande zufrieden.

(mün, jw)
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