Spionage-Affäre Offenbar weitere Listen mit NSA-Spähzielen bei BND aufgetaucht

Berlin · Neue Erkenntnisse in der Spionageaffäre um den US-Geheimdienst NSA und den Bundesnachrichtendienst (BND). Laut einem Medienbericht sind inzwischen weitere Suchwort-Listen mit Spähzielen aufgetaucht.

Der BND und seine nun nicht mehr so geheimen Außenstellen
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Foto: dpa, sja fdt

Die nun identifizierten Dateien aus den Jahren 2005 bis 2008 umfassten 459.000 sogenannte Selektoren, mit denen unter anderem europäische Institutionen, hochrangige politische Persönlichkeiten und Firmen im Ausland ausspioniert werden sollten. Das berichtete "Spiegel online" am Freitag. Nur 400 Selektoren wurden den Angaben zufolge aussortiert.

Die neuen Dateien zeigten, dass das Interesse der Amerikaner an Wirtschaftsunternehmen womöglich weitaus größer war, als bislang angenommen. Bisher war lediglich bekannt, dass die Rüstungsunternehmen EADS und Eurocopter sowie französische Diplomaten von der NSA mit Hilfe des BND überwacht werden sollten.

Weiter hieß es, der Fund entkräfte auch die Theorie vom Eigenleben des BND-Horchpostens in Bad Aibling, der demnach an der Zentrale vorbei mit den Amerikanern kooperiert hätte. Die neuen Dateien stammten nämlich aus dem Referat "Rechtsangelegenheiten und G10" (TAG) in der BND-Zentrale in Pullach. Diese Abteilung sei damit beauftragt gewesen, deutsche Staatsbürger vor gesetzeswidrigen Spähangriffen zu bewahren, schrieb "Spiegel Online". Ausgerechnet diese Abteilung habe also seit Jahren gewusst, dass die USA den vereinbarten Schutz europäischer Bürger ignorierten.

Dem Bericht zufolge wirft der Fund mehrere Fragen auf, etwa ob die Rechtsabteilung diesen Fund weitergemeldet habe und ob die Dateien in der BND-Spitze schon viel länger bekannt gewesen seien als bislang angenommen.

BND-Chef räumt Fehler ein

Derweil hat BND-Chef Gerhard Schindler Fehler seines Geheimdienstes in der Zusammenarbeit mit den USA eingeräumt. Bereits ab Beginn der Kooperation am Horchposten in Bad Aibling im Jahr 2005 habe der Bundesnachrichtendienst die von den USA vorgelegten Listen mit den auszuspähenden Telefonnummern und Emailadressen unzureichend geprüft, sagte Schindler am Donnerstag vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Die Listen seien nur auf ihren Deutschland-Bezug untersucht worden.

Erst im August 2013 habe ein Unterabteilungsleiter die Liste systematisch auf EU-Bezüge prüfen lassen. Darüber sei er selbst jedoch nicht unterrichtet worden. Im März 2015 habe man ihn über eine Ablehnungsliste mit suspekten Suchbegriffe informiert, die auch die 2013 herausgefilterten Selektoren enthalten habe. Illegal sei eine Ausspähung von Emails und Telefondaten mit EU-Bezug allerdings nicht, erklärte der Geheimdienst-Chef, der seit Januar 2012 im Amt ist. Der BND arbeite ausschließlich für Deutschland und deutsche Interessen. "Die Aufklärung europäischer Ziele, wenn sie denn erfolgt wäre, wäre daher kein Gesetzesverstoß."

Mehrheit für Offenlegung der Liste

Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet dem ZDF-"Politbarometer" zufolge eine Offenlegung der NSA-Spähliste. In der am Freitag veröffentlichten Umfrage sprechen sich 61 Prozent dafür aus, die Liste, auf deren Grundlage der Bundesnachrichtendienst (BND) Informationen auch über deutsche Firmen und Personen an den US-Dienst NSA geliefert haben soll, dem Bundestag zugänglich zu machen. 31 Prozent sind dagegen, der Rest hat keine eindeutige Meinung dazu.

Gespalten sind die Deutschen bei der Frage, welche Konsequenzen eine Veröffentlichung für die Zusammenarbeit mit den USA hätte. 46 Prozent rechnen damit, dass US-Geheimdienste Deutschland dann wichtige Informationen vorenthalten würden, 44 Prozent glauben das nicht.

(AFP/dpa)
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