Kommentar zur BND-NSA-Aufklärung Der Bundestag braucht einen Geheimdienstbeauftragten

Meinung | Berlin · Mit wachsendem Verdruss schauen die Verantwortlichen für Deutschlands Sicherheit auf das Ringen und Streiten um Spähselektoren der amerikanischen NSA für die deutsche BND-Auslandsspionage. Weil selten geheim bleibt, was die parlamentarischen Kontrolleure erhalten, denken die Amerikaner angeblich daran, den Informationsfluss zu reduzieren. Dabei gäbe es gute Möglichkeiten, schwindendes Vertrauen wiederzugewinnen.

Der BND und seine nun nicht mehr so geheimen Außenstellen
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Der BND und seine nun nicht mehr so geheimen Außenstellen

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Foto: dpa, sja fdt

Die Stimmung war aufgeladen, die Opposition befürchtete, dass sich da im Geheimen etwas verselbständigen könnte, was gegen Rechtsstaat und Verfassung verstieße und sich parlamentarischer Kontrolle entzöge. Das ist keine Beschreibung aus dem Frühjahr 2015, sondern aus der ersten Hälfte der 50er Jahre, als es um die deutsche Wiederbewaffnung ging. Um die Stimmen der SPD für die Grundgesetzänderung zu bekommen, gab die Union im Gegenzug grünes Licht für das Amt des Wehrbeauftragten "zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestags bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle" (so der Wortlaut der Verfassungsergänzung).

Am Dienstagabend wurde Hellmut Königshaus mit einer Serenade verabschiedet, am Donnerstagvormittag wird Hans-Peter Bartels als neuer Wehrbeauftragter vereidigt. Die Funktion ist nicht mehr wegzudenken und hat die besondere Stellung der Bundeswehr unter den Streitkräften der Welt mit geschaffen: die enge Bindung an Grundrechte und Verfassung. Zwar hat der Wehrbeauftragte immer wieder Anlass, Fehlentwicklungen und Missstände anzuprangern. Aber ohne ihn läge sicherlich noch ungleich viel mehr im Argen, und es oft ihm zu verdanken, dass Skandale aufgeklärt, die Ausrüstung verbessert und so mancher Vorgesetzte davon abgehalten wird, Unrechtes zu tun: Weil jeder Soldat sich jederzeit ohne Einhaltung des Dienstweges vertrauensvoll an den Wehrbeauftragten wenden kann, wirkt das auch vorbeugend.

Nun sind die Verhältnisse bei den Geheimdiensten mit denen bei der Bundeswehr kaum vergleichbar. Es gibt zwar hier wie dort eine klare Hierarchie, aber die BND-Mitarbeiter handeln nach Anordnungen und Absprachen, nicht nach Befehl und Gehorsam. Sie stehen auch nicht in der permanenten Gefahr von Soldaten, deren Grundrechte von willkürlichen Vorgesetzten und Kameraden mit Füßen getreten werden können.

Insofern hätte eine parlamentarische Kontrollbehörde innerhalb der Nachrichtendienste eine andere Aufgabe, als es der Wehrbeauftragte innerhalb der Streitkräfte hat. Aber hier wie dort geht es darum, dass die Aufsicht von Ministerien und Kabinett offenkundig nicht ausreicht und dass Abgeordnete mit einer Kontrolle im Nebenjob oft überfordert sind. Deshalb muss das Parlament seinen Kontrollauftrag professionalisieren. So wie es der Bundestag seinerzeit mit dem Wehrbeauftragten tat.

Auch der musste seine Rolle erst finden. Die ersten Amtsinhaber lagen im Dauerkonflikt mit dem Verteidigungsministerium, das sich nicht in die Karten schauen ließ, und mit den Verteidigungspolitikern, die den Beauftragten als Konkurrenz empfanden und ihn darauf reduzieren wollten, dass er nur bei Bedarf "als Hilfsorgan" tätig werden dürfe. Harte Kämpfe waren auszufechten, bis mehr und mehr Rechte selbstverständlich wurden. Seit Jahrzehnten ist von allen Seiten anerkannt, dass der Wehrbeauftragte nicht nur die Eingaben sammelt, nicht nur Hinweisen nachgeht, sondern auch von sich aus unangekündigt nach eigener Einschätzung irgendwo in der Truppe auftaucht und nach dem Rechten schaut.

Wie wirkungsvoll ein Wehrbeauftragter bei den einzelnen Anliegen ist, hängt auch von der Persönlichkeit der Amtsinhaber ab — und wie sie sich selbst aufstellen. Königshaus beispielsweise war anfangs auf Krawall gebürstet und sorgte für Verhärtungen. In der zweiten Hälfte gab es jedoch ein umgänglicheres Verhältnis zu den Verteidigungsministern Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen, die die Erkenntnisse des Wehrbeauftragten als sinnvolle Ergänzung zu den gefilterten Informationen ansahen, die sie auf dem Dienstweg erhalten. Da ließen sich einzelne erkannte Missstände denn auch schneller abstellen. Und das Parlament ist ohnehin besser im Bild, weil der Wehrbeauftragte nach Möglichkeit an jeder Sitzung des Verteidigungsausschusses teilnimmt und mit seinen Berichten auch das Parlament insgesamt informiert.

Dafür hat er eine verfassungsrechtlich starke Stellung, die optisch auch durch einen herausgehobenen ständigen Platz im Plenarsaal zum Ausdruck kommt: Er braucht für seine Wahl eine breite (Kanzler-)Mehrheit, und einmal im Amt, wird er auch von den Fraktionen abgekoppelt, ja, als einziger Politiker bleibt er sogar unabhängig von den Wahlperioden des Bundestages im Amt.

So trägt der Wehrbeauftragte mit seinem professionellen Mitarbeiterstab dazu bei, das Vertrauen in die Bundeswehr zu stärken, ohne dass die Truppe geheime Informationen, auch im Zusammenspiel mit Partner-Streitkräften, vor ihm verbergen muss. Neues Vertrauen in die deutschen Geheimdienste ist dringend nötig, um auch die für Deutschlands Sicherheit überragend wichtige Zusammenarbeit mit Partnerdiensten nicht zu gefährden. Es ist Zeit für das Amt eines Geheimdienstbeauftragten des Bundestages.

(may-)
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