Studie der Adenauer-Stiftung Bildungsmisere bei den Jüngsten

Berlin (RPO). Die Zeiten, in denen man Formulierungen wie "Bildungsnotstand bei Babys" mit einem kurzen Lacher quittierte, könnten bald der Vergangenheit angehören. Bei der Förderung der Jüngsten steht Deutschland nämlich alarmierend schlecht da. Dies jedenfalls ist der Tenor einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ("Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in Deutschland").

So viel investieren unsere Nachbarn in Kinder
Infos

So viel investieren unsere Nachbarn in Kinder

Infos
Foto: gms

"Wir haben das höchste Kindergeld und die schlechteste Infrastruktur", beklagt Mitautorin Ilse Wehrmann. Aus Sicht der ehemaligen Vorsitzenden der evangelischen Kindergärten in Deutschland sind verbindliche Standards für frühkindliche Bildung überfällig - Qualitätssiegel inklusive. Bei der Förderung der unter Dreijährigen habe Deutschland nämlich nicht nur ein Quantitätsproblem. Klares Signal: Mit der bloßen Bereitstellung von mehr Krippenplätzen und mehr Tagesmüttern ist es nicht getan. "Die Einsicht eines Bürgermeisters entscheidet in Deutschland über die Bildung im frühkindlichen Bereich", erklärt Wehrmann.

Die Expertin veranschaulicht es drastisch: Deutsche Erzieherinnen bekommen außer in Österreich in keinem europäischen Land einen Job, weil sie die Anforderungen nicht erfüllen. In den meisten Ländern wird nämlich ein Fachhochschulstudium verlangt. Damit Erzieherinnen die Kinder besser fördern können, seien als Sofortmaßnahme Nachqualifizierungen in großem Stil erforderlich. Dies gelte insbesondere für den Umgang mit den Kleinsten, den unter Dreijährigen. Deutschland habe hier Nachholbedarf von 20 bis 30 Jahren. Daher seien ein "Marshallplan" und ein "Soli" für Bildung nötig.

Hermann Kues (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Familienministerium, wies gestern die Forderung nach einem "Bildungs-Soli" zwar zurück. Zugleich aber machte er deutlich, dass die Bundesregierung das Problem erkannt habe. Immerhin hätten sich Bund, Länder und Gemeinden verständigt, dass bis 2013 für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Platz in der Krippe oder der Tagesbetreuung bereit stehen soll. Auch die Betriebe seien gefordert. Er betonte dabei: Erster Bildungsort für Kinder sei nach wie vor die Familie. Zugleich warb auch Kues um einen nüchtern realistischen Blick auf den Alltag: "Es macht keinen Sinn, das Bild einer Heile-Welt-Familie vor sich her zu tragen wie eine Monstranz." Es sei keineswegs "alles im grünen Bereich".

Wie wichtig gerade die ersten Jahre für die Entwicklung eines Kindes seien, sei in Deutschland jahrelang unterschätzt worden, kritisiert Wehrmann. Bezeichnend: Es gibt hierzulande gerade einmal fünf Lehrstühle für frühkindliche Bildung. Wehrmanns Empfehlung an die Politik: Wenn ein Kindergartenjahr beitragsfrei sein sollte, sollte es nicht das letzte sein, sondern das Eingangsjahr. Auch sollte für alle Altersklassen der Betreuungsschlüssel deutlich gesenkt werden. Für Krippenplätze sei eine Quote "Eine Fachkraft für vier Kinder" angemessen, für Kindergärten mindestens eine Verteilung 1:15. Heute seien in Kindergärten "Eine Fachkraft für 24 Kinder" keine Ausnahme.

Die Expertin, die über frühkindliche Bildung promoviert hat, gab auch ein politisches Signal zur Debatte um Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause erziehen. Vor allem die CSU und Teile der CDU setzen sich dafür vehement ein. Wehrmann sprach sich statt dessen für Bildungsgutscheine aus. Dies sei der Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Auch Staatssekretär Kues machte deutlich, dass er - wie Ministerin Ursula von der Leyen - Bildungsgutscheinen den Vorzug gibt. Aus Sicht der Ministerin sind Bildungsgutscheine ein Weg, um dem "Teufelskreislauf" zu entgehen, dass Eltern "mit 150 Euro lieber ihre Haushaltskassen aufbessern".

CSU-Chef Edmund Stoiber hatte von der Leyen wegen dieser Äußerung heftig attackiert und ihr vorgeworfen, das Betreuungsgeld "ideologisch zu diffamieren". Kues reagierte wiederum auf Stoiber dezent, aber unmissverständlich: "Es gibt die eine oder andere Äußerung- auf die könnte man auch verzichten."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort