Nationaler Bildungsbericht vorgestellt Corona-Pandemie verstärkt Chancenungleichheit bei Kindern

Berlin · Die Folgen der flächendeckenden Schulschließungen wirken sich vor allem nachteilig für Kinder mit ohnehin geringeren Bildungschancen aus. Zu diesem Ergebnis kommt der Nationale Bildungsbericht, der am Dienstag vorgestellt wurde.

 Anja Karliczek (r, CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, und Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), stellen den nationalen Bildungsbericht vor.

Anja Karliczek (r, CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, und Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), stellen den nationalen Bildungsbericht vor.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Am Mittwoch haben Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und Stefanie Hubig (SPD), Präsidentin der Kulturministerkonferenz (KMK) den nationalen Bildungsbericht in Berlin vorgestellt.

Einer der einen zentralen Befunde des Berichts ist laut Mitautor, Kai Maaz vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, dass der Bildungserfolg in Deutschland weiterhin "von Merkmalen der sozialen Herkunft" abhänge.

Der Sozialverband VdK hat vor einer weiteren Verschärfung von Ungleichheit im Bildungssystem als Langzeitfolge der Corona-Krise gewarnt. Mit Blick auf die Ergebnisse des aktuellen Bildungsberichts sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele unserer Redaktion: “Die Chancen auf eine gute Bildung und damit auf einen guten Job sind in Deutschland sehr ungleich verteilt.” Dies zeige der Bildungsbericht wieder einmal sehr deutlich. “Fast jedes dritte Kind hat bereits aufgrund seines Elternhauses schlechtere Bildungs- und Entwicklungschancen”, kritisierte Bentele. Die Corona-Pandemie habe diese Bildungsungleichheit nicht nur sichtbar gemacht, sondern noch weiter verstärkt.

“Manche Kinder konnten im eigenen Zimmer mit Laptop am digitalen Unterricht teilnehmen. Andere Kinder hingegen haben in engen Wohnungen gesessen, ohne eigenen Schreibtisch, ohne Laptop oder Tablet, ohne Internet und ohne Eltern, die ihnen in Mathe oder Geschichte helfen konnten”, sagte Bentele. “Diese Kinder sind schon abgehängt und sie werden noch lange mit den Folgen dieser Unterbrechung durch Corona zu kämpfen haben.”

Solche Bildungsungleichheiten würden sich bis ins Rentenalter fortsetzen, warnte Bentele. “Es ist höchste Zeit, allen Kindern einen guten Zugang zu Bildungsangeboten zu ermöglichen und Ungerechtigkeit zu beseitigen”, sagte die VdK-Präsidentin.

Die Pandemie habe zudem „die Digitalisierung in allen Bildungsbereichen sehr eindringlich zum Thema gemacht“, heißt es weiter in der neuen Ausgabe des alle zwei Jahre erstellen Berichts. Auch Karliczek räumte ein, die Ausnahmesituation habe Schwächen „vor allem bei der Ditgalisierung“ deutlich gemacht.

Grundsätzlich gebe es weiterhin einen Trend zu höherer Bildung, führte Maaz aus. Allerdings stagniere die Quote der Abiturienten. Außerdem verließen erstmals seit 2013 wieder mehr Jugendliche die Schule ohne Hauptschulabschluss.

Zu den größten Herausforderungen für das Bildungssystem zählte Maaz die weiterhin hohe Zahl an fehlenden Kitaplätzen und den großen Bedarf an Ganztagsbetreuungsplätzen für Grundschüler. Außerdem werde mehr und besser qualifiziertes Personal sowohl in Kitas als auch an Schulen benötigt, sagte er.

Laut KMK-Beschluss von vergangener Woche soll der reguläre Schulbetrieb nach den Corona-bedingten Schließungen nun überall in Deutschland spätestens nach den Sommerferien wieder starten. Die rheinland-pfälzische Ressortchefin Hubig sagte am Dienstag, dies sei eins von drei Szenarien, für die jetzt Vorbereitungen getroffen würden. Die Länder planten auch für ein erneutes "rollierendes System" mit Präsenz- und Fernunterricht sowie für die "Komplettschließungen" der Schulen.

Für alle drei Fälle bereiteten die Länder Leitlinien vor, sagte Hubig. Dabei sollten bundesweite Standards vereinbart werden, aber auch "Flexibilität vor Ort" ermöglicht werden. Bundesbildungsministerin Karliczek sieht das Bildungssystem für mögliche neue Einschränkungen besser vorbereitet als bei den Schließungen im Frühjahr. Die Ausgangsbedingungen seien heute "ganz anders", sagte sie.

Hubig wies den Vorwurf zurück, die Rückkehr zum Regelbetrieb sei unrealistisch. Das Vorhaben sei "kein Wunschdenken", sondern erklärtes Ziel. Die Umsetzung hänge aber selbstverständlich vom weiteren Infektionsgeschehen ab. Abgesehen von Hotspots wie etwa im Kreis Gütersloh seien die Infektionszahlen bundesweit "auf sehr niedrigem Niveau", betonte Hubig.

Für den Regelbetrieb würden neue "Hygiene- und Schutzkonzepte" erarbeitet. Dabei werde etwa das Thema Lüften eine Rolle spielen. Außerdem gehe es um Vorschriften zum Tragen eines Mund-Nase-Schutz in bestimmten Fällen. Auch befassten sich die Länder mit der Frage, welche Schüler und Lehrer getestet werden sollten, falls an einer Schule ein Corona-Fall auftritt.

(jd/anst/AFP)
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