Wahl des Bundespräsidenten Biedenkopf kämpft für Kandidaten Gauck

Berlin (RP). Der frühere CDU-Generalsekretär und sächsische Ministerpräsident fordert in einem aufsehenerregenden Beitrag die Kanzlerin auf, die Abstimmung in der Bundesversammlung freizustellen. Eine durch Geschlossenheitsappelle zustande gekommene Präsidentenwahl sei fragwürdig.

Joachim Gauck – Bundespräsident und Bundesbeauftragter für Stasi-Akten
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Das ist Joachim Gauck

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Foto: ddp

Kaum haben die Fraktionsführungen von Union und FDP ihre Truppen auf Gefolgschaft eingeschworen und für scheinbare Ruhe gesorgt an der Front "Unser Christian Wulff muss Bundespräsident werden", da kommt scharfer Gegenwind von unerwarteter Seite: Kurt Biedenkopf, der einstige Vordenker der West-CDU und danach erfolgreiche Integrator der Ost-CDU, verlangt von seiner Parteichefin, den faktischen Fraktionszwang in der Bundesversammlung aufzuheben.

Indirekt stellt er eine mögliche Wahl Wulffs sogar verfassungspolitisch und moralisch in Frage. Beide Kandidaten sollten die Annahme der Wahl daran knüpfen, dass die Parteien keinen Fraktionszwang ausüben.

Eine durch Geschlossenheitsappelle herbeigeführte Bundespräsidentenwahl könne dem neuen Amtsinhaber "weder die Autorität noch die Glaubwürdigkeit vermitteln, die mit einer wirklich freien Wahl verbunden wären", schreibt Biedenkopf in einem Beitrag für das Feuilleton der heutigen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Bereits die Tatsache, dass er sich mit seinem Appell an die Öffentlichkeit wenden müsse, sieht Biedenkopf als Beleg dafür, dass den Parteiführungen die Begriffe für das von verfassungspolitisch Gebotene "abhanden gekommen" seien.

Der Beitrag bekommt zusätzliche Brisanz durch Meldungen, wonach Biedenkopf vergangene Woche von Angela Merkel ins Kanzleramt gebeten worden sein soll. Dort versuchte sie dem Vernehmen nach, den einstigen CDU-Generalsekretär und späteren sächsischen Ministerpräsidenten von einer öffentlichen Intervention abzuhalten — vergeblich, wie sich heute zeigt.

Einen Tag nach dem Bekanntwerden verschiedener Umfragen, in denen sich zwischen 41 und 43 Prozent der Deutschen für Joachim Gauck und zwischen 35 und 37 Prozent für Christian Wulff aussprechen, stellt Biedenkopf fest.

"Die breite Zustimmung in der Bevölkerung zur Kandidatur Joachim Gaucks ist nicht nur seinen allseits gerühmten Qualitäten geschuldet — sie ist zugleich Ausdruck eines zunehmenden Misstrauens gegenüber dem umfassenden Anspruch der politischen Parteien. Dieser Anspruch wird auch in dem Versuch sichtbar, sich der Bundesversammlung für die Entscheidung ihrer machtpolitischen Fragen zu bedienen."

Biedenkopf weiß, wovon er spricht. Er hat selbst allen Bundesversammlungen seit 1979 angehört, hat also die verschieden starken Geschlossenheitsappelle seiner Partei miterlebt, war verschiedentlich auch selbst als möglicher Kandidat für das höchste Amt im Staat im Gespräch. Dieses Mal ist er erstmals nicht von der sächsischen CDU aufgestellt worden.

Zu den Lockerungsübungen verschiedener FDP-Verbände und -Organisationen gesellte sich gestern eine Abstimmungsniederlage in Dresden. Bei der geheimen Wahl der sächsischen Teilnehmer an der Bundesversammlung gab es Abweichler im CDU-Lager mit dem Ergebnis, dass die CDU zwei Wahlmänner weniger durchbrachte und SPD und Grüne profitierten. Zudem legte sich der sächsische FDP-Wahlmann Tino Günther öffentlich fest, für Gauck zu stimmen.

Dieser wird während seiner Informationstour durch die Bundesländer nun doch in Räumen des niedersächsischen Landtages reden können. Weil dieser grundsätzlich Parteien und Fraktionen nicht zur Verfügung stehe, hatte CDU-Landtagspräsident Hermann Dinkla eine Veranstaltung im repräsentativen Leibniz-Saal abgelehnt. Stattdessen tritt Gauck nun in einem Ausschuss-Saal auf. Morgen stellt er sich im SPD-Fraktionssaal im NRW-Landtag den Fragen.

(RP)
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