Polizist hatte Ohnesorg erschossen Bewährungsstrafe für Stasi-Spitzel Kurras

Berlin (RPO). Ein Ziel hat Karl-Heinz Kurras noch, und das hat er womöglich verfehlt: "Er will unbestraft durchs Leben gehen", sagte sein Anwalt Mirko Röder am Freitag vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten. Doch Richterin Barbara Odenthal machte Kurras vorerst einen Strich durch die Rechnung. Sie verurteilte den 81-jährigen Ex-Polizisten zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes.

Der SED-Ausweis von Kurras
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Sollte das Urteil rechts kräftig werden, dann würde der Mann, der im Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte und in zwei Prozessen freigesprochen wurde, doch noch als vorbestraft gelten. Allerdings kündigte sein Anwalt Berufung an.

In einem Rollstuhl war Kurras vor Gericht erschienen, nur mühsam konnte er sich auf seinen Platz im Saal 700 bewegen, einem der größten Säle im Gerichtsgebäude. Das Interesse an Kurras war groß, denn seit im Juni dieses Jahres bekannt wurde, dass er zum Zeitpunkt des Todes von Ohnesorg für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet hatte, stellen sich neue Fragen zum damaligen Geschehen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts des Landesverrats, der Berliner Generalstaatsanwalt überprüft die Akten, ob sich Anhaltspunkte für neue Verfahren etwa wegen Mordverdachts ergeben.

Verteidiger Röder verlas vor dem Amtsgericht eine Erklärung von Kurras, in der dieser den Waffenbesitz eingestand. "Es ist eine große Dummheit von mir gewesen, aber ich kann es heute nicht mehr ändern", äußerte der pensionierte Polizeibeamte. Als die Polizei den Revolver Smith & Wesson, Kaliber 38, geladen mit sechs Schuss Munition, plus 165 weiteren Kugeln auf seinem Schlafzimmerschrank entdeckten, zeigte Kurras sich indes weniger kooperativ. "Er sagte, wir würden ihn schlimmer behandeln als Honecker und Mielke", berichtete ein Polizist in seiner Zeugenaussage von der Durchsuchung der Wohnung im Berliner Bezirk Spandau im Juni dieses Jahres.

In Kurras' Wohnung fanden die Beamten zunächst einen Revolver im Zeitungsständer und einen Totschläger auf der Hutablage. Im Keller stellten sie zudem über tausend Patronen Munition für den Revolver sicher, den er als ehemaliger Polizist besitzen durfte, bis sein Waffenschein wegen der Stasi-Tätigkeit widerrufen worden war. Die Existenz einer weiteren Waffe leugnete Kurras zunächst - bis die Beamten im Schlafzimmer fündig wurden. Nach Angaben des Zeugen war die Smith & Wesson-Pistole sehr gut gepflegt. Kurras habe gesagt, dass er sie gerade erst zum Selbstschutz besorgt habe.

Kurras, der schon immer als Waffennarr galt, verfolgte die Befragung des Zeugen teilnahmslos. Während des Prozesses hielt er die Augen meist gesenkt, blies die Wangen auf und drehte sogar seinem Anwalt halb den Rücken zu. Vor fast einem Jahr war er schwer gestürzt und mit dem Kopf auf die Bordsteinkante aufgeschlagen. Laut seiner eigenen Erklärung leidet er an Schwindelanfällen, kann schlecht sprechen und sehen und hat Gedächtnislücken.

Dass er vor Gericht erschien und ein Geständnis abgelegte, wertete Staatsanwalt Bernhard Mix als positiv. Doch die Argumente gegen Kurras wogen für Mix schwerer: Die gefundene Waffe war "kein Kleinkaliber und voll aufmunitioniert". Außerdem habe Kurras das Vertrauen, das der Staat in ihn gesetzt hatte, als er ihm einen Waffenschein erteilte, missbraucht. Mix forderte ein Jahr Haft auf Bewährung. Richterin Odenthal blieb am Ende zwar unter der Forderung des Staatsanwalts, folgte ihm jedoch in seiner Begründung. Wohin Kurras' Weg nun durch die Instanzen führt, bleibt abzuwarten.

(DDP/csi)
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