Spitzenkandidatin Bettina Jarasch Eine Grüne fürs Rote Rathaus
Berlin · Spitzenkandidatin Bettina Jarasch rechnet sich am 12. Februar bei der Wiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus in einem engen Rennen gute Chancen aus, Franziska Giffey im Amt der Regierenden Bürgermeisterin zu beerben.
Noch kellnert Bettina Jarasch. Und Franziska Giffey kocht. Senatsmenue à la Rot-Grün-Rot. Doch die gerne zitierte Koalitions-Klamotte von Koch und Kellner respektive von Köchin und Kellnerin soll so nicht weitergehen. Nicht nach dem Geschmack von Jarasch. Nach dem 12. Februar, wenn Berlin wegen der auch richterlich festgestellten Pannen bei der letzten Wahl das Abgeordnetenhaus neu wählen muss, will Jarasch den Job mit Giffey tauschen. Die Grünen-Spitzenkandidatin rechnet sich in einem Kopf-an-Kopf-an-Kopf-Rennen mit SPD-Spitzenfrau Giffey und dem CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner aktuell gute Chancen aus, nächste Regierende Bürgermeisterin von Berlin zu werden. Jarasch wäre die erste Frau mit Grünen-Parteibuch im Amt einer Landesregierungschefin. Mit Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg hätten die Grünen dann zwei Ministerpräsidenten. Doch bis dahin stehen noch fünf Wochen Wahlkampf bevor, in denen viel passieren kann. Und anschließende Koalitionsgespräche – mit wem auch immer. Jarasch hat in dieser Woche nochmals betont, eine Stadt wie Berlin mit ihren vielfältigen und auch vielschichtigen Milieus und Bezirken brauche eine progressive Regierung -- am besten Grün-Rot-Rot. „Eine solche progressive Koalition würde ich gerne anführen“, formuliert sie klar ihren Anspruch auf die Spitze einer nächsten Berliner Landesregierung. Auch für eine Koalition mit der CDU könnte sie mitunter sondieren (müssen), allerdings seien die Landesverbände von Grünen und Union in Berlin politisch doch deutlich voneinander entfernt.
Jarasch, 54 Jahre alt, gebürtige Augsburgerin, will die Berlinerinnen und Berliner da packen, wo sie mit am meisten geärgert werden: durch Mängel, Langsamkeit, Unwillen und überbordende Bürokratie in der öffentlichen Verwaltung des Stadtstaates mit seinen mittlerweile rund 3,7 Millionen Einwohnern. In Berlin funktionieren viele Dinge nicht, die in anderen Bundesländern zumindest einigermaßen laufen. Jarasch sagt denn auch, sie werde als Regierende Bürgermeisterin für eine „funktionierende Stadt“ arbeiten und dafür sorgen, dass die Menschen „nicht von Pontius zu Pilatus laufen“ müssten, wenn sie ein Anliegen hätten. Ein Termin bei einem Bürgeramt oder bei der Kfz-Zulassungsstelle wird in der „Start-up-Hauptstadt“ längst als Losglück gehandelt. Und schließlich gilt Berlin nicht erst seit dem jüngsten Silvester mit massiven Angriffen gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften als Krawallhauptstadt. Jarasch hält sich bedeckt, wenn sie gefragt wird, ob die Grünen von den Silvester-Gewaltexzessen eventuell eher profitierten als die SPD mit der „Regierenden“ Giffey. Dafür verweist Co-Parteichef Omid Nouripour gerne darauf, dass die Gewalt in der Silvesternacht ausgerechnet in jenem Bezirk ausgebrochen sei, in dem SPD-Kandidatin Giffey einmal Bürgermeisterin war: in Neukölln. Jarasch sagt nun: „Unsere Sicherheitskräfte brauchen für nächstes Jahr ein Konzept, das sie schützt.“ Und bitte „keine Vornamen-Debatte“, spielt sie auf Forderungen der CDU an, die Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit preiszugeben, damit man so sehen könne, wer von den (deutschen) Silvester-Chaoten eventuell Migrationshintergrund habe.
Jarasch und Giffey leben in diesen Wochen in doppelter Funktion und Rolle: als Koalitionspartner wie auch als direkte Konkurrentinnen im Kampf um das Rote Rathaus. Die Grünen-Kandidatin verhehlt nicht, dass dies anstrengende Zeiten für beide Politikerinnen seien. Öffentlich war sie im zurückliegenden Jahr zweimal mit Giffey aneinandergeraten. Einmal in der Debatte, wer das Sagen beim U-Bahn-Bau habe. Nach Deutung der Grünen-Spitzenkandidatin: die Verkehrssenatorin. Und das ist Jarasch selbst. Ein zweites Mal gab es offenen Streit, als das Berliner Verwaltungsgericht die Sperrung der Friedrichstraße für rechtswidrig erklärte, worauf Giffey dafür plädierte, die Flanierstraße schnell wieder für den Autoverkehr zu öffnen. Jarasch damals: „Ich bin mir nicht sicher, ob Franziska Giffey genau verstanden hat, worum es in dem Urteil geht.“ Man habe sich danach ausgesprochen – unter vier Augen. Doch jetzt will Jarasch ihre Chance packen – und danach Giffey tief in die Augen schauen.
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- Das Porträt zu SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey finden Sie hier.
- Das Porträt zu CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner finden Sie hier.