Sommerinterview mit Kristina Schröder "Betreuungsgeld ist Freiheitspolitik"

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) spricht im Interview mit unserer Redaktion über ihre Rolle als Mutter, ihre Arbeit als Ministerin, ihre umstrittene Familienpolitik, die Bedeutung von Betriebskitas und wie sie den Kinderwunsch in Deutschland stärken wil.

2011: Kristina Schröder sieht beim Comeback ein wenig müde aus
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Wie organisieren Sie gerade die Betreuung ihrer Tochter Lotte Marie?

Schröder In der Sommerpause oder in sitzungsfreien Wochen nehmen wir sie auch mal mit ins Büro oder arbeiten von zu Hause aus. Ansonsten müssen wir das organisieren wie viele andere Familien auch. Wir haben viel Unterstützung von unseren Familien.

Hat sich als Mutter Ihre Sicht auf die Politik verändert?

Schröder Mich hat immer dieser wissende Blick von Eltern genervt, nach dem Motto: "Bekomm du erst mal ein Kind, wenn du über unsere Themen reden willst." Aber es stimmt, dass es etwas anderes ist, vorher rational über das Muttersein nachzudenken, als es dann zu erleben. Die kleinsten Dinge des Alltags verändern sich, und die Organisation ist aufwändig. Aber irgendwie bekommen wir es doch meist hin.

Käme für Sie theoretisch das Betreuungsgeld infrage?

Schröder Betreuungsgeld heißt jedenfalls nicht, dass man nicht berufstätig ist. Es bedeutet, dass Eltern die Betreuung privat organisieren. Ich bin grundsätzlich froh, diese Möglichkeiten der unterschiedlichen Betreuung zu haben.

Mehr Flexibilität als Argument?

Schröder Es ist in der Tat so, dass sich Familien beispielsweise zusammenschließen können und mithilfe des Betreuungsgeldes gemeinsam eine Tagesmutter organisieren. Das Betreuungsgeld ermöglicht Vielfalt in der Betreuung. Das ist neu. Bis vor ein paar Jahren hat der Staat gesagt: Die Betreuung der Unter-Dreijährigen geht uns nichts an. Das ist jetzt anders. Und das ist eine gute Entwicklung.

Selbst in Ihrer Partei lehnen viele das Betreuungsgeld ab. Auch Sie waren mal dagegen. Warum der Wandel?

Schröder Ich habe immer gesagt: Es ist vertretbar, den einen eine Sachleistung zu geben in Form eines Kita-Platzes, der den Staat rund 1000 Euro im Monat kostet, und den anderen eine Barleistung. Das ist eine zutiefst freiheitliche Politik. Es hat aber auch bei mir einen Sichtwechsel gegeben. Ich hätte vor der Debatte über das Betreuungsgeld nicht für möglich gehalten, wie Mütter für ihren Lebensentwurf abqualifiziert werden. Was da aus der linken Hälfte des Parlamentes zu hören ist, grenzt an Diffamierung von Eltern. Aber auch die gegenteiligen Ressentiments, nach dem Motto, die Mütter sollen alle zu Hause bleiben, lehne ich ab. Ich stehe für Wahlfreiheit. Das Betreuungsgeld ist ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, und es wird im Herbst beschlossen.

Mit welchen Änderungen?

Schröder Das entscheiden die Bundestagsfraktionen. Ich habe die begründete Hoffnung, dass am Ende des Prozesses die Auszahlung des Betreuungsgeldes an die Vorsorgeuntersuchungen geknüpft wird. Da habe ich viele in der Unionsfraktion auf meiner Seite.

Sie sind Frauenministerin, aber die Frauen sind gegen Sie.

Schröder Das ist Unsinn. Zum Glück sind die Frauen in Deutschland ja kein monolithischer Block. Wenn Sie auf die Diskussion um die Frauenquote anspielen: Wir sind uns alle im Ziel einig, nun diskutieren wir über die Mittel. Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass eine starre Quote für alle Unternehmen von der Stahlindustrie bis zur Kreativbranche nicht sinnvoll ist. Davon profitieren nur einige wenige Schaufenster-Frauen im Aufsichtsrat, aber es findet kein Kulturwandel statt. Mein Modell einer Flexi-Quote erlaubt es dagegen den Firmen, individuelle Quoten festzulegen. Der öffentliche Druck wird dafür sorgen, dass sich kein Unternehmen erlauben kann, eine Quote von zehn Prozent zu präsentieren. Und wenn die Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum ihr Ziel nicht erreichen, werden harte Sanktionen fällig, bis hin zu Strafzahlungen. Das ist meiner Meinung nach der intelligentere Weg, um Frauen auf allen Ebenen in der Wirtschaft zu fördern.

Dann wird die Flexi-Quote im CDU-Wahlprogramm stehen?

Schröder Daran arbeite ich, und ich komme gut voran. Mein Modell erfährt in der Partei breite Unterstützung.

Ihre Parteifreundin Ursula von der Leyen will aber etwas anderes.

Schröder Ich bin die zuständige Frauenministerin.

Rechnen Sie damit, dass es zum August 2013 genug Kita-Plätze gibt?

Schröder Ganz Deutschland braucht 780.000 Plätze, in diesem Frühjahr haben noch 160.000 gefehlt. Zwischen März 2011 und Mai 2012 sind allein 100.000 Plätze entstanden, für den Rest haben die Länder 14 Monate. Das heißt, die Länder müssen noch mal deutlich Tempo machen. Aber sie können es schaffen, zumal der Bund für die 30.000 Plätze, die die Länder gegenüber den Schätzungen von 2007 noch zusätzlich brauchen, auch noch einmal 580 Millionen Euro zusätzlich draufgelegt hat. Ich bin froh, dass ich dieses Geld erkämpfen konnte.

Sind mehr Betriebskitas eine Lösung?

Schröder Es müsste viel mehr davon geben. Viele Städte haben gar nicht die Flächen in der Innenstadt für mehr Kitas, Betriebe im Gewerbegebiet aber schon. Unternehmen, die das anbieten, geben wir in den ersten zwei Jahren einen Zuschuss von 6000 Euro pro Platz und Jahr. Hier wollen wir mehr Anreize schaffen.

Nirgendwo in Europa werden Familien so stark gefördert wie hier, trotzdem gibt es nicht mehr Kinder.

Schröder Ich bin Soziologin und deshalb relativ zurückhaltend, was den Glauben angeht, dass man mit politischen Maßnahmen auf die Geburtenrate Einfluss nehmen kann. Es gibt nur eine einzige politische Maßnahme, die sich direkt auf die Geburtenrate auswirkt, und für die kämpfe ich auch gerade: Paare, die ungewollt kinderlos sind, müssen bei der Finanzierung von künstlichen Befruchtungen stärker unterstützt werden. Als 2004 die Selbstbeteiligung eingeführt wurde, ist die Zahl der künstlichen Befruchtungen in Deutschland innerhalb eines Jahres von 17 000 auf 8000 gesunken.

Wie wollen Sie den Paaren helfen?

Schröder Ich habe erst einmal 17 Millionen Euro erkämpft, aber auch die Bundesländer müssen sich beteiligen. Bis jetzt machen nur Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit. Im Moment müssen die Paare pro Versuch die Hälfte der Kosten selbst zahlen — das sind 1600 bis 2000 Euro. Künftig sollen die Paare nur noch ein Viertel selbst bezahlen. Die 25 Prozent, die künftig übernommen werden sollen, teilen sich Bund und Land.

(brö)
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