Berliner Republik Wie Abgeordnete Steuern erklären

Im Vergleich zu dem, was im Fall Uli Hoeneß ans Licht gekommen ist, könnte man auf die Idee kommen, dass ein nicht angemeldeter Zweitwohnsitz in Berlin unter die Rubrik "Peanuts" fällt. Ganz so einfach ist es aber nicht.

Um es mit sehr klaren Worten vorauszuschicken: Abgeordnete sollen gut bezahlt werden. Sie tragen viel Verantwortung, die meisten von ihnen absolvieren in den Parlamenten ein erhebliches Arbeitspensum, und wir brauchen Hochqualifizierte, die bereit sind, diesen Job zu machen. Denn wir wollen ja nicht als Bananenrepublik enden.

Es geht an dieser Stelle also ausdrücklich nicht darum, der Die-machen-sich-ja-nur-die-Taschen-voll-Haltung Vorschub zu leisten.

Zudem stehen die vom Volk gewählten Vertreter im Licht der Öffentlichkeit und unter verschärfter Beobachtung der Medien. Womit wir beim Punkt wären: Eine Reihe von Parlamentariern hat in den vergangenen Jahren den Zweitwohnsitz in Berlin nicht angemeldet. Wer keinen Ehe- oder Lebenspartner in der Heimat hat, muss in Berlin Steuern für den Zweitwohnsitz zahlen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter und der frühere Chef der Jungsozialisten, Niels Annen, gehörten zu den säumigen Steuerzahlern. Auch ein christdemokratischer Abgeordneter geriet deswegen in der vergangenen Woche in Erklärungsnot.

Bei den Steuervergehen ging es um Summen von ein paar Hundert bis zwischen 2000 und 3000 Euro, also Meilen entfernt von den Dimensionen des Falls Uli Hoeneß. Dennoch: Für Annen, der kürzlich noch getönt hatte, Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, ist der Vorfall besonders peinlich. Auch der Grünen-Fraktionschef, dessen Partei findet, dass "starke Schultern mehr tragen" sollten als "schwache", und die ihren Bundestagswahkampf mit dem Thema Steuererhöhungen bestritten hatte, musste sich äußerst zerknirscht zeigen.

Die dünnen Erklärungen der Betroffenen - "vergessen", "aus dem Blick verloren" und so weiter - können nicht zufriedenstellen. Jeder Abgeordnete, der neu in den Bundestag kommt, erhält nicht nur die Bahncard 100 für die erste Klasse, sondern wird zudem von seiner Fraktion über seine neuen und besonderen Pflichten informiert. Auch über die Zweitwohnsitzsteuer. Und jeder Steuerberater erinnert einen an solche lästigen Details.

Nun könnte man ja auf die Idee kommen, dass das deutsche Steuersystem so kompliziert ist, dass selbst diejenigen, die grundsätzlich dafür verantwortlich sind, es nicht mehr begreifen und es daher auch nicht schaffen, jede blöde Steuer zu begleichen. Dann allerdings ist es höchste Zeit für eine Steuervereinfachung. Für die Lösung solcher Probleme werden die Abgeordneten schließlich gut bezahlt.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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