Kolumne: Berliner Republik Was die Demokratie stärkt

Berlin · Es ist gut, dass Kanzlerin Merkel im Wahlkampf mit Martin Schulz einen ernst zu nehmenden Gegner bekommt. Das schafft echte Alternativen im Lager der etablierten Parteien und schwächt die Ränder.

 Eva Quadbeck leitet die Parlamentsredaktion der Rheinischen Post.

Eva Quadbeck leitet die Parlamentsredaktion der Rheinischen Post.

Foto: Quadbeck

Von der Entscheidung der SPD, Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten zu machen, wurde auch die Union überrascht. Die Wahlkampfstrategen gingen davon aus, dass es Angela Merkel im Bundestagswahlkampf mit "Mister 20 Prozent", Sigmar Gabriel, zu tun bekommt. So schwierig die Umfragewerte für die Kanzlerin auch sind - Gabriel als Gegner galt als machbare Herausforderung.

Schulz als Kanzlerkandidat, das sorgte für Aufbruchstimmung bei den Sozialdemokraten, Parteieintritte und spontan steigende Umfragewerte für die SPD. Das muss nicht nur SPD-Anhänger freuen, sondern alle Demokraten. Denn die einst so stolze Volkspartei drohte vor die Hunde zu gehen: bundesweit auf 20 Prozent, weitgehend bedeutungslos im Osten, in einer Abwärtsspirale im Südwesten.

Mit einem Wiedererstarken der SPD wird der Wahlkampf interessanter. Die Bürger können sich auf eine echte Auseinandersetzung zwischen Union und SPD gefasst machen - mit ein wenig nach links rückenden Sozialdemokraten und einer unter dem Druck der Sicherheits- und Flüchtlingsdebatte nach rechts rückenden Union.

Damit ist auch die Wahlkampfaufstellung "Alle gegen die AfD" abgeblasen. Diese Konstellation hätte ohnehin nur den Höckes, Petrys und Gaulands im Land genutzt. Nun besteht die Chance, dass sich der Kern der Wahlkampfauseinandersetzung wieder in die Mitte der Gesellschaft verlagert. Es hilft der Demokratie, wenn auch unter den etablierten Parteien die eine wieder als Alternative zur anderen erscheint.

Zwar haben alle Parteien angekündigt, ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf zu ziehen. Doch könnte die klarere Frontstellung zwischen Union und SPD dazu führen, dass politische Lager stärker wahrgenommen werden: Union und FDP auf der einen Seite, Rot-Rot-Grün auf der anderen Seite.

In den aktuellen Umfragen hat aber weder das eine noch das andere Lager eine Mehrheit. Dies ist auch ein Grund dafür, warum sich die Parteien in diesem Wahlkampf nicht zu einem präferierten Koalitionspartner bekennen wollen. Am Ende werden sie in Dreier- oder gar Vierer-Bündnissen miteinander koalitionsfähig sein müssen. Es sei denn, es gibt eine Fortsetzung der großen Koalition - für alle Beteiligten eine unattraktive Lösung.

Zumal ein Bündnis aus Union und SPD nach den bisherigen Prognosen die Eigenschaft "groß" nicht mehr verdient hätte. Anders als heute hätte diese Koalition Opposition von links und von rechts: neben Grünen und Linken auch FDP und AfD.

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(qua)
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