Befragung unter Kriegsflüchtlingen So geht es den ukrainischen Geflüchteten in Deutschland

Analyse | Berlin/Wiesbaden · Bald jährt sich der Beginn des Ukraine-Krieges. Mehr als eine Millionen Menschen sind seitdem nach Deutschland geflohen. Ein Forschungsprojekt zeigt auf, wie sich die ukrainischen Geflüchteten im vergangenen Jahr integriert haben.

Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer suchten im letzten Jahr in Nordrhein-Westfalen Zuflucht.

Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer suchten im letzten Jahr in Nordrhein-Westfalen Zuflucht.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Es ist die größte Fluchtbewegung in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges: Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges sind mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen, wie die aktuell veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) zeigen. Doch wie geht es den Geflüchteten in Deutschland? Dieser Frage sind die Autoren der Studie „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“ nachgegangen. Die Ergebnisse der repräsentativen Befragung unter ukrainischen Kriegsflüchtlingen stellten sie am Donnerstag in Berlin vor.

Rund 1,1 Millionen Menschen sind im vergangenen Jahr aus der Ukraine nach Deutschland geflohen, mehr als zwei Drittel – 68 Prozent – kamen laut Destatis in den ersten drei Monaten nach dem Ausbruch des Krieges am 24. Februar. Trotz der 139.000 Ukrainer, die mittlerweile in ihre Heimat zurückgekehrt sind, übersteigt diese Zuwanderung die vorherigen Fluchtbewegungen noch immer deutlich. Zum Vergleich: In den Jahren 2014 bis 2016 sind insgesamt 834.000 Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak nach Deutschland geflohen.

Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer lebten im Oktober 2022 in den bevölkerungsreichsten Bundesländern Nordrhein-Westfalen (210.000), Bayern (152.000) und Baden-Württemberg (135.000). Angesichts der Gesamtbevölkerung in den Bundesländern ergibt sich aber ein anderes Bild: Anteilig lebten die meisten Geflüchteten in Berlin und Hamburg mit je 1,5 Prozent, die wenigsten in Schleswig-Holstein (1 Prozent). Nordrhein-Westfalen belegt mit 1,2 Prozent Rang zwölf.

Unter den Geflüchteten aus der Ukraine sind vor allem Minderjährige und Frauen. 63 Prozent von ihnen sind nach Angaben von Destatis weiblich, 35 Prozent unter 18 Jahre alt. Der Grund: Für ukrainische Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren gilt seit dem russischen Angriff eine Ausreisebeschränkung.

Das hat auch Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Menschen. Bei rund 60 Prozent der geflüchteten Frauen mit Partner hält sich dieser in der Ukraine oder einem anderen Land auf, wie die Studie „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“ ergab. Die Trennung bereite nicht nur den Frauen, sondern auch den Kindern, die um ihre Väter bangen, große Sorgen.

An dem Forschungsprojekt sind das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beteiligt. Von August bis Oktober 2022 haben sie 11.700 Ukrainer und Ukrainerinnen befragt, die zwischen dem 24. Februar und Anfang Juni vergangenen Jahres nach Deutschland eingereist waren. Dabei wurden unter anderem ihre Wohnsituation, die Integration auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft, aber auch ihr Verbleib in Deutschland thematisiert.

Mehr als ein Drittel der ukrainischen Geflüchteten (37 Prozent) möchte langfristig in Deutschland bleiben. Diese Absicht wirkt sich auch auf ihre Integration aus: Ukrainer und Ukrainerinnen, die einen längeren Aufenthalt in Deutschland planen, nehmen häufiger an Deutsch- und Integrationskursen teil. 17 Prozent der Geflüchteten sind bereits erwerbstätig, 80 Prozent derjenigen, die noch keine Anstellung haben, wollen das ändern.

Die Voraussetzungen sprechen dafür: Der Studie zufolge haben knapp drei Viertel (72 Prozent) von ihnen einen Hochschulabschluss. „Die Bedingungen für eine zügige, erfolgreiche Teilhabe der ukrainischen Geflüchteten in der deutschen Gesellschaft sind gut“, wie Yuliya Kosyakova vom IAB zusammenfasste. Nichtsdestotrotz fordert sie ein breiteres Angebot an psychosozialer Beratung und die Schaffung von ausreichend Kinderbetreuungsmöglichkeiten, um auch ukrainischen Frauen eine bessere Integration zu ermöglichen.

(jus)
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