Kolumne Berliner Republik Seehofer und Gabriel, schwarz-rote Brüder im Geiste

Berlin · Angela Merkel könnte sich in einer großen Koalition einer ungewöhnlichen Achse gegenübersehen: einem Tandem aus Horst Seehofer und Sigmar Gabriel. Es wäre impulsiv, unberechenbar und im Zweifel populistisch.

Die Analysen zur Bundestagswahl flimmerten noch über die Bildschirme, da suchte SPD-Chef Sigmar Gabriel bereits den Kontakt zu CSU-Chef Horst Seehofer. Ein telefonischer Glückwunsch, ein angeregter Plausch, Wahlkampf passé — man verstand sich. Die beiden früheren Sitznachbarn im Kabinett von Merkels erster großer Koalition (Seehofer war Landwirtschafts-, Gabriel Umweltminister) haben weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit einen guten Draht zueinander gefunden, der bei den Sondierungen nun Früchte tragen könnte. Beide wollen eine große Koalition. Beide haben aber auch nichts dagegen, Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel zu piesacken, wenn es ihren Interessen dient.

Das Tandem verspricht Zündstoff. Beide sind Instinkt-Politiker, Bauchmenschen, thematisch — sagen wir mal — flexibel. Und beide wissen: Wenn sie sich absprechen, könnte sogar Merkel den Kürzeren ziehen. Bei der Pkw-Maut etwa. Seehofer dürfte nur zu gern Gabriels SPD sozialpolitische Initiativen überlassen (die er selbst richtig findet), wenn er dafür die Maut bekommt.

Die gegenseitigen öffentlichen Lobhudeleien sind daher auch ein Fingerzeig an Merkel. Gabriels und Seehofers Botschaft: Wir können miteinander. Das Sechs-Augen-Gespräch zwischen Merkel, Seehofer und Gabriel soll Seehofers Initiative gewesen sein. Den Affront an die Grünen, die nur einen Tag vorher mit der Union sondieren, nahm der CSU-Chef in Kauf. Er will lieber mit Gabriel zusammengehen. Daraus macht er keinen Hehl.

Den Lehrer aus Goslar und den Kommunalbeamten aus Ingolstadt eint mehr, als sie trennt. Beide stammen aus einfachen Verhältnissen und haben sich gegen Widerstände in der Partei nach oben gekämpft. Beide wurden als Hallodris und Populisten geschmäht. Als ihre Parteien am Boden lagen, die SPD 2009 und die CSU 2008, waren es die rhetorisch und körperlich wuchtigen Instinktpolitiker, die den Karren aus dem Dreck ziehen sollten. Auch darüber haben sich die beiden oft genug ausgetauscht. In der Sozialpolitik sind beide ohnehin Brüder im Geiste. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, mehr Geld für Erzieher und Pfleger, Mindestlohn: Dazu haben beide Gleichlautendes von sich gegeben. Seehofer beruft sich auf die christliche Soziallehre, bei Gabriel heißt das soziale Gerechtigkeit.

Neben den inhaltlichen Überschneidungen sei man sich aber auch menschlich nähergekommen, sagt einer, der beide beobachtet hat. Der Hang "zur Frotzelei und zur Ironie" sei bei Seehofer und Gabriel gleichermaßen ausgeprägt. Ob auch Späße über die Kanzlerin dazugehören, ist leider nicht bekannt.

(brö)
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