Strahlenbelastung in Deutschland Strahlenschutzexperten sind wegen Ukraine-Kriegs hellwach

Salzgitter · Der Angriff auf das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja löste bei vielen Menschen zuletzt große Sorgen aus. Was passiert, wenn radioaktive Stoffe freigesetzt werden? Das Bundesamt für Strahlenschutz gibt Antworten.

Mit rund rund 1700 Sonden wird deutschlandweit die radioaktive Strahlen kontrolliert.

Mit rund rund 1700 Sonden wird deutschlandweit die radioaktive Strahlen kontrolliert.

Foto: dpa/Christian Charisius

Radioaktivität kann man nicht riechen, schmecken oder hören - aber messen. Eine zentrale Aufgabe angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Viele Menschen sorgen sich um die Auswirkungen, die eine Beschädigung der Atommeiler vor Ort für Deutschland hätte. Deshalb wird die Strahlenbelastung in Deutschland rund um die Uhr überwacht – und zwar mit dem sogenannten ODL-Messnetz. Wie das funktioniert, haben die Experten des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) am Donnerstag erklärt.

Atomkraft: Der Status der Meiler der Region und Deutschlands
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Der Status der Atomkraftwerke der Region und Deutschlands

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Foto: dpa/Armin Weigel

Mit rund 1700 Sonden im Bundesgebiet ist es laut Florian Gering das weltweit größte und dichteste Messnetz. „Wir können damit jederzeit eine lückenlose Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt durchführen“, sagte der Leiter der Abteilung Radiologischer Notfallschutz des BfS. In jedem Landkreis steht mindestens eine Sonde, an den deutschen Außengrenzen und rund um die Kernkraftwerke sorgt eine höhere Dichte für zusätzliche Sicherheit.

So sind allein in Bayern 326 Sonden zu finden, dicht gefolgt von Niedersachsen mit 285 und Baden-Württemberg mit 211. Doch auch in NRW erfassen 164 Sonden die aktuelle Strahlung vor Ort. Die dort gemessene Ortsdosisleistung (ODL), die in der Einheit Mikrosievert pro Stunde (μSv/h) angegeben wird, ist für jeden auf der Internetseite odlinfo.bfs.de einsehbar. Weitere Spezialmessgeräte filtern große Mengen an Luft, um geringste Spuren in der Atmosphäre zu messen. Mehr als 40 Mess-Stationen für Radioaktivität in der Luft werden vom Deutschen Wetterdienst betrieben.

Eine Strahlenbelastung durch natürliche Radioaktivität gibt es aber ständig und überall. Diese bewegt sich in Deutschland zwischen 0,05 und 0,18 Mikrosievert pro Stunde. Die Strahlungen werden über natürliche radioaktive Stoffe, wie Uran oder Thorium, in den Boden abgegeben – und dort von den Sonden erfasst. Wird eine erhöhte Strahlung im Untergrund gemessen, löst das Netz einen Alarm aus. Innerhalb von Minuten müssen die Mitarbeiter des BfS dann prüfen, ob die Erhöhung auf ein natürliches Ereignis, wie starke Regenfälle, zurückzuführen ist oder ob es sich um einen radiologischen Notfall handelt.

Fotos: Deutschlands drei aktive Kernkraftwerke
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Deutschlands drei aktive Kernkraftwerke

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Foto: dpa/Ingo Wagner

In dem Fall werden weitreichende Maßnahmen getroffen: Wenn es radioaktiv stark strahlt, richtet der Bund umgehend ein radiologisches Lagezentrum ein, der Katastrophenschutz wird alarmiert und die Bürgerinnen und Bürger werden gewarnt. Selbst bei schweren Unfällen in der Ukraine hält Gering es jedoch für unwahrscheinlich, dass das Ergreifen solcher weitreichenden Maßnahmen notwendig sein werde. Studien des BfS zeigten, dass eine Luftverschiebung von der Ostukraine nach Deutschland in weniger als ein Fünftel der Wettersituationen überhaupt möglich sei. Man könnte aber auch sagen: Jede fünfte Wetterlage kann eine radioaktive Wolke in Richtung Deutschland verschieben.

Sollte es also zu einem schweren Unfall in der Ukraine kommen, läge der Fokus auf Landwirtschaft und Ernährung: Hier könne es trotz der großen Entfernung dazu kommen, dass einzelne Lebensmittel verworfen werden müssten, so Gering. „Wir sind auf jegliche Art von radiologischen Notfällen gut vorbereitet“, erklärt er. Dennoch verfolge das BfS weiterhin die Situation in der Ukraine und beobachte die Werte, die sie unter anderem von der Internationalen Atomenergiebehörde erhalten.

(jus)
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