Kolumne: Berliner Republik Politik nach Punkte-Plänen

Die politische To-do-Liste in Form eines Mehr-Punkte-Plans hat immer dann Konjunktur, wenn die Lage unübersichtlich ist. Das ist auch angesichts der Flüchtlingsströme der Fall.

Ein häufig bespötteltes Politik-Prinzip lautet: Wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis. Wenn Lösungen oder zumindest der Weg dahin rasch gefunden werden müssen, dann ziehen Politiker am liebsten Mehr-Punkte-Pläne aus dem Hut. Sie sollen dazu dienen, eine unübersichtliche Lage zu beruhigen, politische Führung zu demonstrieren und die Sorgen der Bevölkerung einzudämmen.

Kein Wunder also, dass auch angesichts der Flüchtlingsströme schon etliche Mehr-Punkte-Pläne aufgetaucht sind. Der Innenminister hat einen, die SPD hat einen und die CSU selbstverständlich auch.

CSU-Chef Horst Seehofer ist eine Art König der Mehr-PunktePläne. Als Landwirtschaftsminister legte er ein Zehn-Punkte-Sofortprogramm zum Fleischskandal 2006 vor. 2010 präsentierte er einen Sieben-Punkte-Plan zu Integrationsfragen, 2012 reichten ihm drei Punkte, um die in Bayern schwelende Affäre um die Beschäftigung von Verwandten auf Staatskosten einzudämmen. Nun sind es 16 Punkte zum Thema Flüchtlinge. Allerdings gibt es bislang nur solche Pläne, wie wir mit dem Zustrom der Flüchtlinge umgehen sollen. Einen Mehr-Punkte-Plan, wie den bösartigen Ausschreitungen gegen die Flüchtlingsunterkünfte durch Rechtsradikale beizukommen ist, hat bislang niemand vorgelegt.

Der Vorteil an Arbeitskreisen im Vergleich zu Punkte-Plänen ist, dass man politische Vorhaben auch versickern lassen kann. Man lässt die Runden einfach so lange ergebnislos tagen, bis irgendwann niemand mehr fragt, ob die Teilnehmer weitergekommen seien. Wenn dieser Punkt erreicht ist, kann der Kreis sang- und klanglos eingestellt werden. Der Arbeitskreis der großen Koalition zum flexiblen Eintritt ins Rentenalter hat dieses Stadium gerade erreicht. Viele eilig in Ministerien und Parteizentralen nach dem Erstens-zweitens-drittens- Prinzip niedergeschriebenen Vorhaben geraten ebenso schnell in Vergessenheit, wie sie entstanden sind. Einige solcher Pläne aber schaffen es zu Recht ins Geschichtsbuch. Erinnert sei beispielsweise an Helmut Kohls berühmten Zehn-Punkte-Plan, den er knapp drei Wochen nach dem Mauerfall 1989 öffentlich machte und der zum Fahrplan für die Deutsche Einheit wurde.

Wer lange regiert, legt auch viele Mehr-Punkte-Pläne vor. Bei Merkel waren es allein in diesem Jahr zwei. Kurz nach den Anschlägen von Paris präsentierte sie neun Punkte im Kampf gegen den Terror, und auf der Computer-Messe Cebit stellte sie zehn Punkte zum digitalen Wandel vor.

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(RP)
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