Kolumne Berliner Republik Oppositionschef Peer Steinbrück?

Berlin · Privatier oder Politik? Der Ex-Kanzlerkandidat wirkte trotz des miesen SPD-Ergebnisses aufgerüttelt und ehrgeizig. Ein Politikabschied steht wohl nicht bevor. Steinbrück könnte an die Spitze der Fraktion rücken. Und die Bundeskanzlerin ärgern.

Eine Umarmung für Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, Händeschütteln mit SPD-Chef Sigmar Gabriel. Als Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Sonntagabend nach dem pflichtschuldigen Pressestatement die Bühne im Willy-Brandt-Haus verlässt, sind seine Sympathien zu den einstigen "Troika"-Verbündeten eindeutig zuzuordnen. Mit Steinmeier verbindet Steinbrück mehr als das Parteibuch. Die beiden intern nur "Stones" genannten Sozialdemokraten sind befreundet; man trifft sich auch mal mit den Ehefrauen privat. Umso mehr lässt aufhorchen, dass es nun Steinmeiers Posten sein könnte, auf den es Steinbrück abgesehen hat.

Wie das? Steinbrück hatte schon am Wahlabend mehrfach explizit auf sein Bundestagsmandat verwiesen und erklärt, dass er sich weiter "einbringen" wolle. Von Ruhestand war nicht die Rede. Da Steinbrück aber ein Ministeramt unter einer Bundeskanzlerin Merkel stets öffentlich ausgeschlossen hat, bliebe nur der Fraktionsvorsitz als einflussreicher Posten.

Und Freund Steinmeier? Der macht mit. Denn der Fraktionschef würde gerne Außenminister in einer großen Koalition werden; es ist seine Lebensaufgabe. Wie FDP-Mann Guido Westerwelle die Reputation des Außenministeriums in Mitleidenschaft gezogen hatte, darüber konnte sich Steinmeier in kleiner Runde mächtig aufregen. Der Sozialdemokrat hat im Auswärtigen Amt immer noch viele Anhänger. Für den Ministerposten würde er auf den Fraktionsvorsitz verzichten und seinen Kumpel Steinbrück den Vortritt lassen.

Rochade bleibt möglich

Am Mittwoch will sich Steinmeier deshalb erst einmal nur "kommissarisch" zum Fraktionschef wählen lassen — eine spätere Rochade mit Steinbrück bliebe möglich. Das wiederum dürfte einer Kanzlerin Merkel gar nicht gefallen. Denn Steinbrück wäre als scharfzüngiger Bundestagsredner und einflussreicher Mehrheitsbeschaffer ihr wahrer Gegenspieler in einer großen Koalition.

SPD-Fraktionschef Peter Struck war schon in der ersten schwarz-roten Koalition ein mächtiger Strippenzieher, der Merkels Gesetze auch mal ordentlich rasierte. Steinbrück könnte die christdemokratische Kanzlerin also im neuen Amt triezen. Eine späte Genugtuung für den Wahlverlierer. Und eine klassische "Win-Win"-Situation für Steinbrück und Steinmeier.

Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel spielte bei den Überlegungen übrigens keine Rolle. Steinmeier und Steinbrück dulden den aufbrausenden Gabriel eher, als dass sie ihn schätzen. Als Fraktionschef wollten sie ihn deshalb unbedingt verhindern. Nun hätten sie sogar ein Modell dafür.

(RP)
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