Kolumne Berliner Republik Merkel sucht den neuen Müntefering

Berlin · Weil sich Angela Merkel und Franz Müntefering vertrauten, folgten Union und SPD 2005 in das ungeliebte schwarz-rote Bündnis. Die Achse Merkel-Gabriel ist labil.

Es war 1966, als Franz Müntefering einen geharnischten Brief an den Fraktionschef der SPD im Bundestag, Herbert Wehner, schickte. Das Juso-Mitglied aus dem Sauerland wetterte ebenso frech wie eindringlich gegen die große Koalition. Ein Bündnis mit der biederen Kiesinger-CDU werde der SPD schaden, so Müntefering. Es kam bekanntlich anders.

2005 war es dann Franz Müntefering, der als SPD-Chef die knapp gescheiterte Schröder-SPD in die ungeliebten Verhandlungen mit der Merkel-CDU führte. Und als Garant der großen Koalition in die Geschichte gin. Denn der bodenständige Sozialdemokrat und die unprätentiöse CDU-Frau aus der Uckermark fanden schnell einen persönlichen Draht zueinander. Merkels und Münteferings Bundestags-Büros lagen direkt untereinander. Mal kam der eine, mal die andere zu Besuch, um Verhandlungsdetails persönlich zu besprechen. Die Öffentlichkeit bemerkte nichts. Die Treppe zwischen den Büros liegt anders als der transparente Glasbau vermuten lässt, versteckt in einem Seitentrakt. Und Müntefering konnte schweigen. Das schätzte Merkel. Bluff und Blenderei war beiden fremd.

Bei ihrem jetzigen Verhandlungspartner, Sigmar Gabriel, sind sich die Merkel-Getreuen in der Union (noch) nicht so sicher. Als trickreich wird Gabriel beschreiben. Als gewiefter Taktiker. "Zu viel Schröder, zu wenig Müntefering", sagt einer, der die Regierungschefin ganz gut einschätzen kann. Dabei hat Angela Merkel durchaus Respekt vor Gabriels politischen Fähigkeiten. Wie der damalige Umweltminister im Sommer 2009 den lahmen Bundestagswahlkampf von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier durch eine messerscharfe Anti-Atom-Kampagne belebte, ist Merkel noch gut im Gedächtnis.

Als später, im Frühjahr 2010, eine SMS der Kanzlerin an den SPD-Chef öffentlich wurde (Merkel hatte das rot-grüne Ansinnen abgelehnt, Joachim Gauck zum Bundespräsidenten vorzuschlagen) war Merkels Ärger groß. Als "Tabubruch" soll sie die Weitergabe der Nachricht bezeichnet haben. Fortan herrschte Funkstille. In der SPD wird zwar versichert, dass Gabriel die SMS an die Grünen-Spitze weiterreichte, aber nicht an Journalisten. Doch hielt sich der Verdacht im Kanzleramt. Mit einem Franz Müntefering wäre das nie passiert, hat Merkel später einmal in kleiner Runde gesagt.

Eine Alternative hat Merkel zu Gabriel aber nicht. Sie will die große Koalition. Und der SPD-Vorsitzende eigentlich auch. Wie hatte der Bundestagsabgeordnete Sigmar Gabriel während der schwierigen Verhandlungen im Herbst 2005 gesagt: Man dürfe die große Koalition nicht immer nur als "Bedrohung" darstellen.

(brö)
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