Kolumne Berliner Republik Bitte kein verordnetes Europa mehr!

Das organisierte Europa ist derzeit auf der Suche nach Sinn. Der Brexit markiert einen Einschnitt. Der Beschluss der Briten, die europäische Union zu verlassen, hat das Bündnis erkennbar traumatisiert. Trotzdem ist die europäische Verteidigungsunion die falsche Antwort auf den Brexit.

Kolumne Berliner Republik: Bitte kein verordnetes Europa mehr!
Foto: Schwennicke

Auf der Suche nach neuen Sinn, sind die Gründerstaaten und ihre Regierungen auf eine alte Idee zurückgekommen, die nun einen neuen Namen trägt, beziehungsweise mit einem neuen Kürzel versehen wird. EVU - das sind die die Versalien, die Resteuropa ohne die britische Insel ein neues strategische Ziel eben soll. Europäische Verteidigungsunion heißt das ausbuchstabiert, und die Idee geht wie folgt: Offenbar haben wir, die Regierungen, ein Problem, unseren Bevölkerungen den Sinn dieses Verbundes klar z machen. Offenbar sind Frieden und Wohlstand, beides hervorgegangen aus der Überlegung, zunächst mit Kohle und Stahl die beiden Produkte wirtschaftlich zu vereinigen, aus denen der Krieg gemacht ist, nicht länger ausreichend.

Das Verteidigungsbündnis soll Sicherheit vermitteln

Was aber bietet sich an? Ein Verteidigungsbündnis gegen das, was da auf uns zukommt. Die EVU soll den verunsicherten EU-Bevölkerungen zunächst das Gefühl geben, dass ein militärischer Schutzwall gegen die unkontrollierte Zuwanderung gemeinsam errichtet werden soll. Das, so das Kalkül, holt die Menschen wieder ab und lässt sie all die Überregulierungen aus Brüssel vergessen, über die sie sich teilweise völlig zu Recht aufregen.

Diese EVU, deren geistiger Vorgänger GASP heißt, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, ist dabei aber eine Mogelpackung. Jedenfalls wenn sie nur als Baustein für eine Festung Europa begriffen und politisch verkauft wird. Denn am Ende steht da nicht nicht die Sicherung der Außengrenzen. Am Ende einer Europäischen Verteidigungsunion steht eine gemeinsame Armee. Das muss jedem klar sein, der diesen Weg beschreitet.

Gemeinsame Armee bedeutet Vertrauen zueinander

Nicht, dass das per se eine falsche Idee wäre. Sie ist vor Jahren auch schon mal von Bundeskanzlern Angel Merkel öffentlich als erstrebenswert bezeichnet worden. Wenn mehrere Länder nicht nur die Währung, sondern auch noch die Armee teilen, so belegen sie damit: sie vertrauen einander enorm, wenn sie existenzielle Dinge wie Geld und Sicherheit vergemeinschaften.

Aber genau an diesem Vertrauen fehlt es zur Zeit. Der Brexit und die Fliehkräfte in der Flüchtlingsfrage lassen es schlechterdings unmöglich erscheinen, sich jetzt folgende vorzustellen: Alle dann 27 Mitglieder stehen vor der drängenden Frage einer Auslandeinsatzes dieser gemeinsamen Armee und müssen nach dem Einstimmigkeitsprinzip beschließen: Machen oder bleiben lassen?

Der Autor dieser Zeilen war auch einmal voller Hoffnung auf und Befürwortung für die Vereinigten Staaten von Europa. In den Vereinigten Staaten von Europa wäre eine solche Armee und ein gemeinsamer Beschluss vorstellbar gewesen. In der realen EU-Welt dieser Tage nicht. Die vergangenen 20 Jahre ist das falsche vorangetrieben worden und gekaufte Zeit nicht genutzt worden. Diesen Befund kann man beklagen, man muss ihn aber realistischerweise für die EU-Politik der kommenden Jahre zugrunde legen. Deshalb kann die Antwort auf den Brexitschock und den Migrationsdruck nicht eine Verteidigungsunion sein, die in eine gemeinsame Armee und damit noch mehr Vertiefung führt.

Die EU ist zur Zeit wie eine Hecke. Sie muss jetzt erstmal zurückgeschnitten werden, bevor sie wider von innen her grünt. und das ist das entscheidende: Von innen her, von den Bevölkerungen her. Die Zeit ist vorbei, in der man die 500 Millionen auf dem Kontinent zu ihrem Glück zwingen konnte.

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