Kolumne: Berliner Republik Jagdszenen einer großen Koalition

Union und SPD sind längst im Wahlkampfmodus, wollen es aber nicht offen zeigen. Das Ergebnis: Sticheleien und Angriffe über Bande.

In der großen Koalition geht es neun Monate vor der nächsten Bundestagswahl schon zu wie in dem Trickfilm-Klassiker "Tom und Jerry". Wo sie können, stellen sich Union und SPD inzwischen Beinchen oder lassen den jeweils anderen möglichst alt aussehen - freilich stets in dem Bemühen, die eigene List zu bemänteln. Wie bei der großen Katze und der Maus ist die Wahrheit für das Publikum in den allermeisten Fällen ersichtlich.

Jüngste Folge der Jagdszenen der großen Koalition: SPD-Chef Gabriel fordert eine Kürzung des Kindergelds für EU-Ausländer und will damit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor sich hertreiben. Dessen Ministerium, das immer gern Geld einspart, würde ein entsprechendes Gesetz einbringen. Das EU-Recht lässt dies nicht ohne Weiteres zu. Das weiß Gabriel natürlich. Er weiß aber auch, dass dieser Umstand nicht ins Gewicht fällt, wenn er seine Forderung am vierten Adventswochenende platziert. Mit Schäuble hatte die SPD durchaus noch eine Rechnung offen. Der hatte sich über Justizminister Heiko Maas (SPD) beklagt und in einer Sitzung sogar dessen Rücktritt verlangt. Die Begründung: Maas habe sich in das Verfahren um die angebliche Vergewaltigung von Gina Lisa Lohfink eingemischt. Ein solcher Fehler dürfe einem Justizminister nicht unterlaufen, fand Schäuble.

Leider sind Union und SPD nicht so unterhaltsam wie die legendären "Tom und Jerry". Im Gegenteil: Im Bemühen, ihre politischen Unterschiede zu verdeutlichen, müssen die Volksparteien aufpassen, dass sie nicht das Geschäft der AfD besorgen. Wer sich ständig gegenseitig schlechtmacht, wird am Ende genauso wahrgenommen. Union und SPD brauchen mehr Unterschiede in der Substanz, weniger in ihrer Rhetorik. Die Scheingefechte gehen ohnehin meistens nach hinten los. Erinnert sei an Unionsfraktionschef Volker Kauder, der Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) im Streit um die Frauenquote vorwarf, sie möge nicht so "weinerlich" sein. Die Folge der Verbalattacke: Für Schwesig gab es eine Welle der Solidarisierung und für die Frauenquote obendrein.Für konstruktive Politik bleibt nicht mehr viel Zeit. Im Mai wählt NRW. Mit Beginn des neuen Jahres werden alle politischen Entscheidungen daraufhin geprüft, wie sich diese für die politische Landschaft im größten Bundesland auswirken. Noch während in NRW um die Koalition gerungen wird, startet dann schon die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs.

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(RP)
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