Berliner Republik Große Koalition macht kleine Schritte

Berlin · Das Alltagsleben muss oft herhalten, um Politik zu erklären. Das Eheleben beispielsweise dient als unerschöpflicher Quell für bildliche Vergleiche zur Politik. Während die Opposition Schwarz-Rot vergangene Woche noch die Scheidung empfahl, ist nun in der großen Koalition Versöhnung angesagt.

Bundesminister: Das Kabinett der großen Koalition
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Das Kabinett der großen Koalition

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Foto: RP. DPA

An dieser Stelle soll es um das Thema Versöhnung gehen. Doch um zu verstehen, auf welch' schweren Weg sich Union und SPD in dieser Woche begeben müssen, sei kurz die Schadenfreude erwähnt. Denn die war bei Oppositionsführer Gregor Gysi von den Linken in der vergangenen Woche sehr ausgeprägt.

"Wer in einer Ehe vom anderen eine eidesstattliche Erklärung verlange, könne auch gleich die Scheidung einreichen", feixte Gysi über den Vorschlag der CDU, eben solche Erklärungen in der Affäre Edathy vom Koalitionspartner zu verlangen. Mit dem Hinweis hatte Gysi, im Zivilberuf Anwalt und ohnehin leidenschaftlicher Winkeladvokat, durchaus recht.

Nun könnte die große Koalition ja einen tiefen Seufzer lassen und gemeinsam befinden: Dumm gelaufen, Schwamm drüber, wir legen einen schönen Neustart hin. Doch Obacht: Wenn Schwarz-Rot einen Neustart verabredet, kann Gysi wieder witzeln, da könne man ja auch gleich die Scheidung einreichen. Denn das Elend des ständigen Neustarts, das allen aus der schwarz-gelben Regierungszeit noch in unangenehmer Erinnerung ist, möchte niemand wieder heraufbeschwören. Für eine weitere konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit scheidet der Neustart also aus.

Politik der kleinen Schritte

Idee Nummer zwei, Union und SPD miteinander auszusöhnen, wäre der klassische Kuhhandel. Der könnte so laufen: Die SPD ist schuld, dass ein Unionsminister zurücktreten musste, also müssen die Sozialdemokraten beim Mindestlohn Federn lassen. Politik findet immer wieder auf ähnlichen Wegen zu Kompromissen. In diesem Fall wäre der Deal aber zu auffällig. Die Koalition verlöre weiter an Reputation, wenn sie offensichtlich die Folgen einer die Bürger emotional aufwühlenden Affäre und die schnöde Sachpolitik vermischte.

Um also trotz täglich neuer Details in der Edathy-Affäre wieder zueinander zu finden, scheint sich die große Koalition gerade auf eine Merkel'sche Tugend zu besinnen: die Politik der kleinen Schritte. Ein wesentlicher Bestandteil des Prinzips der kleinen Schritte ist der kleinste gemeinsame Nenner. Und der ist bei Union und SPD im Koalitionsvertrag festgehalten. Daher hört man in diesen Tagen häufig den Satz von der Treue zum Koalitionsvertrag - sowohl von der Union wie auch von der SPD. Für gegenseitige Treueschwüre der Parteien reicht es nicht. Ohne an dieser Stelle die Vergleiche der großen Koalition mit guten und weniger guten Ehen überstrapazieren zu wollen: Union und SPD steuern auf eine sehr pragmatische Form der Versöhnung zu - sie bleiben wegen des Koalitionsvertrags zusammen.

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(qua)
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