Internationaler Frauentag Bundesministerinnen setzen sich für mehr Frauen in der Politik ein
Berlin · Politik ist immer noch eine Männerdomäne. Viele Frauen – und Männer – sind sich einig, dass der Anteil an weiblichen Abgeordneten im Bundestag erhöht werden muss – aber wie? Was die Ministerinnen der Bundesregierung vorschlagen, und wo sie Verbesserungsbedarf sehen.

Wie der Bundestag weiblicher wird – das schlagen Politikerinnen vor
Im Bundestag sitzen aktuell 736 Abgeordnete. Sie gelten als die Vertreter des ganzen Volkes. Während aber in der Bevölkerung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen herrscht, sind sie in der Politik nach wie vor in der Unterzahl. Mit rund 35 Prozent sind gerade mal ein Drittel der Abgeordneten im Bundestag weiblich. Dabei ist es laut Verfassung Aufgabe des Staates, die Gleichberechtigung durchzusetzen – was im Bundestag aber scheitert. Denn der Versuch, ein gemeinsames Paritätsgesetz zu formulieren, blieb bislang erfolglos. Dass Politik keine reine Männersache ist, demonstrieren unter anderem die Ministerinnen im Bundeskabinett, das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) paritätisch besetzen wollte.
Eine von ihnen ist Annalena Baerbock (Grüne). Als Außenministerin vertritt sie die Interessen Deutschlands in der Welt – auch vor Männern. Doch gerade im politischen Alltag erlebt man laut Baerbock immer noch, dass bei Frauen im politischen Streit oftmals eine zusätzliche, sexistische Angriffsebene dazukomme, insbesondere, wenn dem männlichen Gegenüber die Argumente ausgingen: „Dann ist mal die Stimme ‚zu hoch’, mal sind Frauen ‚zu emotional‘, ‚zu jung‘ oder ‚zu unerfahren’“, sagte die Außenministerin unserer Redaktion.
Das seien Fragen, denen sich Männer so schlicht nicht stellen müssten. Hinzu komme Hass und Hetze im Netz, die Politikerinnen aushalten müssten. „Es überrascht nicht, wenn bei dieser Gemengelage noch viel zu viele Frauen davor zurückschrecken, für ein politisches Amt zu kandidieren“, so die Außenministerin. Gleichzeitig brauche es aber mehr Frauen in der Bundespolitik – und zwar mithilfe einer Frauenquote. „Gäbe es im Bundestag nicht Parteien mit einer Frauenquote, dann hätten wir statt den jetzt immer noch traurigen 35 Prozent noch weniger Frauen im Parlament und es säße vielleicht nur auf jedem fünften Platz eine Frau“, sagte Baerbock.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hält noch manchen Bewusstseinswandel für nötig. Die Tatsache, dass es in Deutschland sowohl eine Außenministerin als auch eine Innenministerin gebe, hätten viele als „ungewöhnlich“ empfunden. Doch: „Ohne gemischte Teams, ohne die Perspektiven von Frauen und Männern, ist der Blick oft zu eng“, sagte sie unserer Redaktion – was sich laut Faeser in der Vergangenheit bereits gezeigt habe. Dass sich die Innenpolitik viel zu lange wenig um Gewalt gegen Frauen, um den Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt oder um die Unterstützung für Opfer extremistischer Taten gekümmert habe, sei auch „Ausdruck einer überkommenen Führungskultur, die vieles ausgeklammert habe“, hob sie hervor und nannte als positives Gegenbeispiel die steigende Zahl der Frauen in den oberen Etagen etwa des Bundeskriminalamts oder im Bundesamt für Verfassungsschutz.
An kompetenten, engagierten Frauen fehle es zumindest nicht, so die Einschätzung der Ministerin für Inneres. Laut Bauministerin Klara Geywitz (SPD) erhalten sie nur weniger Unterstützung. Denn wer sich in der Politik dauerhaft engagieren und Verantwortung in Spitzenpositionen übernehmen wolle, beginne damit häufig in jungen Jahren – eine Zeit, in der viele Frauen eine Familie gründen. Familie und lange Vereinssitzungen oder Parteitage am Wochenende ließen sich aber nur schlecht vereinbaren. Deshalb plädiert Geywitz für mehr Unterstützung: „Wir brauchen in der Politik noch mehr Möglichkeiten, Arbeit und Familie zu vereinbaren.“ In der Coronapandemie sei politisches Engagement mithilfe von digitalen Sitzungen und ortsunabhängiger politischer Mitarbeit bereits erleichtert worden.
Ein weiterer Grund für die männliche Dominanz in der Politik: Dort, wo Männer dominieren, ziehen sie Geywitz zufolge auch wieder Männer mit nach oben. Dabei sollte die Politik die Gesellschaft abbilden – und die ist zur Hälfte weiblich. „Ich glaube nicht daran, dass nur Frauen Frauen repräsentieren können. Aber sie bringen eine Sichtweise ein, die gesehen und gehört werden muss“, betonte die Bauministerin. Passiere das nicht, mache das jede Gesellschaft ärmer.
Ein Grund, warum auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) in der Politik ist: um Frauen voranzubringen. Dafür vernetzte sie sich, stärke Frauenbündnisse, fordere ein, dass Podien nicht nur mit Männern besetzt werden oder Frauen in Führungspositionen kommen. „Gleichstellung ist ein Menschenrecht, das für alle gilt, aber noch nirgendwo erreicht ist“, erklärte Schulze unserer Redaktion. Keine Gesellschaft könne es sich erlauben, auf dieses Potenzial zu verzichten, wenn sie vorankommen will. Deshalb gibt es auch in der Entwicklungspolitik noch Verbesserungsbedarf: „Unsere Strategie für feministische Entwicklungspolitik will Machtstrukturen verändern, indem Frauen die gleichen Rechte bekommen wie Männer, indem sie in politischen Ämtern und Entscheidungsgremien gleichermaßen beteiligt werden wie Männer, und indem sie Zugriff auf die notwendigen Ressourcen haben“, so Schulze.